»Spin-off des Deutschland-Geschäfts«? DHL-Boss setzt Bundesregierung die Pistole auf die Brust
Bonn. Drei Jahrzehnte nach der Privatisierung der Bundespost würden große Anteilseigner das ursprüngliche Kerngeschäft gerne loswerden, die Auslieferung von Briefen und Paketen in Deutschland also lieber der Konkurrenz überlassen. Der Deutsche-Bank-Vermögensverwalter DWS erkundigte sich bei der Hauptversammlung des Weltkonzerns DHL am Freitag in Bonn, ob »die Deutsche Post der richtige Eigentümer« der Sparte sei. Und die Vermögensverwaltung der Sparkassen, Deka Investment, fragte bei dem Aktionärstreffen den Vorstand: »Halten Sie einen Spin-off des Deutschland-Geschäfts für möglich und sinnvoll?« Vorstandschef Tobias Meyer verneinte: »Wir sind in Summe mit unserem Portfolio zufrieden.« Um der Bundesregierung die Pistole auf die Brust zu setzen: Tatsächlich sei der Gewinn aus dem Traditionsgeschäft 2023 »nicht zufriedenstellend«. Man setze auf die von der Ampel angekündigte Reform des Postgesetzes: »Wir hoffen, dass es endlich die heutigen Rahmenbedingungen berücksichtigt und uns die nötige Flexibilität bei den Brieflaufzeiten verschafft.«
Briefe sollen nach der Reform nicht mehr zu 80 Prozent am nächsten Werktag zugestellt werden, sondern erst drei Werktage nach Einwurf. Dafür soll das Porto erhöht werden. Es wird also bald teurer, Briefe zu verschicken, die länger unterwegs sein werden. Wer eine schnellere Zustellung wünscht, soll für »Prio-Briefe« erhebliche Aufschläge zahlen. Auch die Filialnetzpflicht soll gelockert werden. Nicht mehr jede Gemeinde mit 2.000 Einwohnern soll einen Postschalter im Kiosk oder Supermarkt haben müssen. Zur Zeit ist die Post laut Bundesnetzagentur bereits an 125 Pflichtstandorten nicht zugegen, es sollen deutlich mehr werden.
CEO Meyer rechnet fest damit, dass die Bundesregierung das Postgesetz nach seinen Maßgaben reformieren wird. Vor einem Monat hat das Unternehmen schon mal seine Inlandsnachtflüge eingestellt – nach mehr als 62 Jahren. Sie seien angesichts der längeren Zeiten für die Zustellung nicht mehr nötig, erklärte Meyer. Dass der Konzern 2023 mit Briefen und Paketen in Deutschland nicht einmal eine Milliarde Euro Gewinn gemacht hat – es waren läppische 870 Millionen –, wird er sich kein zweites Jahr bieten lassen. (xre)
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