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Aus: Ausgabe vom 06.05.2024, Seite 8 / Ansichten

Armee mit Offenstall

»Taurus«-Leaks bei der Bundeswehr
Von Arnold Schölzel
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Die Bundesmarine in der Taiwanstraße? Deutschlands Außenpolitik dümpelt zwischen Größenwahn und Unfähigkeit (Erbil, 10.3.2023)
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Kriegstüchtig wollen sie werden, und zwar schnell. In sechs Jahren steht der Russe endgültig vor der Tür, und der Chinese lauert, wenn auch zu Hause. Da kann sich Annalena Baerbock vorstellen, dass eine deutsche Fregatte demnächst durch die Taiwan-Straße fährt, um ihn zu reizen.

Die Bundeswehr und die ihr inzwischen fast restlos angeschlossenen Medien dümpeln ebenfalls zwischen Größenwahn und Unfähigkeit. Das war im preußisch-deutschen Militarismus 1914, 1939 oder beim Griff nach Atomwaffen als »Weiterentwicklung der Artillerie« (Konrad Adenauer) 1957, 1999 beim Bombardieren Jugoslawiens, bei der »Landesverteidigung am Hindukusch« (Peter Struck) von 2001 bis 2021 oder in Mali bis 2023 stets so. Das hat insgesamt schätzungsweise an die 100 Millionen Tote gekostet, zu etwa 95 Prozent in anderen Ländern, aber viel eingebracht: eine stumme Arbeiterklasse und eine schwache Friedensbewegung. Dennoch herrscht oben Nervosität, die Hemmschwelle zur illegalen Repression sinkt. Also verlangt Berlins Justizsenatorin und frühere Vizechefin des Bundesverfassungsschutzes Felor Badenberg am 27. April in der Berliner Zeitung: »Die Sabotage des Meinungsbildungsprozesses muss unter Strafe gestellt werden.« Und generell: Der Medien- und Staatsapparat, der einst fast alle Judenmörder laufen ließ, ist heute Fachmannschaft für Antisemitismus und Juden. Nicht wegen der Schoah, sondern wegen Kriegstüchtigkeit ist die Existenz der Atommacht Israel Staatsräson.

Aber keine Mobilmachung ohne Psychokrieg gegen die eigene Bevölkerung: Spione lauern. Die Nazikampagne »Feind hört mit« begann erst am 1. September 1939, an diesem Sonnabend war die Parole schon Schlagzeile in der FAZ – im Bild-Buchstabenformat. Denn mit der AfD sitzen Russe und Chinese im Bundestag. Abgeordnete schließen ihre Büros beim Kaffeeholen ab, andere meiden AfD-Raucherecken, schauen sich beim Telefonieren um und in der Kantine, wer da am Tisch sitzt. Das Parlament – ein Schlotterkasten. Noch zittriger ist die Bundeswehr. Sie unterhielt im Internet einen virtuellen Offenstall, in den jedes Rindvieh hineinspazieren konnte. Die in 6.000 Foren versammelten Armisten merkten nichts. Der auch ohne Russenfurcht tattrige EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erwägt »koordinierte Reaktionen«, verlangt mehr Kohle fürs »Nachrüsten«.

Und Indien beschwert sich übrigens gerade lautstark über die Einmischung westlicher Medien und Geheimdienste in seine Parlamentswahlen.

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