Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 02.12.2008, Seite 3 / Schwerpunkt

Residenzpflicht: Reiseauflagen für Hartz-IV-Betroffene

Die sogenannte Residenzpflicht gilt nicht nur für Flüchtlinge. »Auch die Ärmsten des Landes, die Hartz-IV-Betroffenen, werden mit Reiseverboten überzogen«, erläuterte Thomas Aleschewsky vom Hessischen Flüchtlingsrat in einem Workshop des Sozialforums in Frankfurt am Main. Erwerbslose, die ArbeitslosengeldII erhalten, müssen sich an Werktagen grundsätzlich »innerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs« des Wohnsitzes aufhalten und die Post täglich entgegennehmen, steht in der sogenannten Erreichbarkeitsordnung (EAO). Vor Aufnahme ehrenamtlicher Tätigkeiten oder der Teilnahme an staatspolitischen, gewerkschaftlichen und kirchlichen Veranstaltungen müssen sich Betroffene die Erlaubnis dazu bei der Arbeitsagentur einholen und auch dort an Werktagen per Post jederzeit erreichbar sein. Wer sich daran nicht hält, dem droht eine Kürzung um zehn Prozent des mickrigen Arbeitslosengelds II von höchstens 351 Euro – bei weiteren Verstößen bis zu 60 Prozent. Der Sozialarbeiter Aleschewsky aus Kassel hat diese entwürdigende Prozedur selber erleben müssen: Als er Teilnahme- und Fahrtkosten für eine Fortbildung zum Thema »Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge« beantragte, habe er ein Schreiben erhalten, in dem es sinngemäß hieß: »Sie wissen, daß Sie nur dann wegfahren dürfen, wenn wir Ihnen das vorher erlauben.« Am Tag vor der Fortbildung habe er eine Anordnung zur persönlichen Vorsprache erhalten – zeitgleich mit der Veranstaltung.

Auf Anfrage der Linkspartei in Kassel, wie viele Personen 2008 sanktioniert wurden, lautete die Antwort: Bei 533 ausgesprochenen Sanktionen seien 73 Personen die Leistungen zu 100 Prozent gestrichen worden. Grund der Kürzungen sei bei 49,9 Prozent »die Weigerung der Meldung beim zuständigen Träger« gewesen. Klartext: Der Termin wurde aus irgendwelchen Gründen verpaßt. Aleschewsky hält diese Vorschriften für eine unangebrachte Pädagogisierung. Hierin drücke sich ein grundsätzliches Misstrauen des Staates aus, das zur Entmündigung der Betroffenen führe. (düp)

Leserbriefe zu diesem Artikel:

  • Tyler Durden: Hartz IV und Spaß dabei Ich habe vier Jahre ganz wunderbar von Hartz IV gelebt. Und zwar mit der schon immer in dieser Form bestehenden Anwesenheitspflicht! Man gibt halt auf seinen Anträgen eine Mobiltelefon-Nummer an und...
  • H. Richter: Nationale Residenzpflicht bis zum Ableben Auch für Grundsicherungsempfänger im Alter gilt die nationale Residenzpflicht bis zur Bahre. Siehe Petition: https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=1090...

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