Aus: Ausgabe vom 30.05.2009, Seite 16 / Aktion
Grenzen der Meinungsfreiheit
Von Denis GabrielLeider sind nicht alle Fälle, mit denen es die junge Welt zu tun hat, so einfach und damit so kostengünstig abzuwickeln wie die obengenannten. So findet am kommenden Dienstag ein Prozeß vor dem Hamburger Oberlandesgericht statt, den die junge Welt in erster Instanz bereits verloren hat. Zum Thema Sachsensumpf hatte jW-Autor Markus Bernhardt einen Beitrag geschrieben und den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses des sächsischen Landtages, den Linksparteiabgeordneten Klaus Bartl, zum Thema befragt. Dabei ging und geht es um das eigenartige journalistische Gebaren des damaligen Landeskorrespondenten der FAZ, Reiner Burger. Der wußte nämlich, daß die Vorwürfe gegen Staatsanwälte, Richter und Landesregierung allesamt nur heiße Luft und Medienrummel seien – und zwar Monate, bevor der Untersuchungsausschuß auch nur eine Akte einsehen oder auch nur einen Zeugen vernehmen konnte. In den von ihm angegriffenen jW-Beiträgen schilderten Bernhardt und Bartl auch ihre persönlichen Eindrücke, die sich ihnen aufgrund des Verhaltens Burgers aufdrängten. Burger widersprach nicht dem Vorwurf, daß er seinen Artikel persönlich dem Staatsanwalt Christian Avenarius zuspielte. Aber er interpretierte die subjektiven Eindrücke Bartls und Bernhardts so, als ob sie die Tatsachenbehauptung enthielten, er würde »im Auftrag redaktionsfremder Dritter« seine Artikel schreiben und verschicken. Das Gericht stellte in erster Instanz fest, daß sowas zwar nicht behauptet worden wäre, daß aber beim unbefangenen Leser durchaus ein entsprechender Eindruck erweckt worden sein könnte. Das war am 5.September 2008. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Untersuchungsausschuß noch immer keine vollständige Akteneinsicht und konnte noch immer nicht damit beginnen, Zeugen der Opposition zu vernehmen. Beides mußte erst vor dem Landesverfassungsgericht eingeklagt werden. Bis heute liegt ein Abschlußbericht nicht vor. Aber gegen eine Vielzahl von Journalisten, Staatsbediensteten und Zeugen wurden von der Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren wegen Verleumdung und anderer Vorwürfe eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft ging dabei sogar so weit, daß sie gegen Zeugen ermitteln ließ, die ihre Aussagen noch gar nicht beendet hatten. Da kann die junge Welt direkt froh sein, daß es bei ihrem Prozeß am kommenden Dienstag nur um die Berufung in einer presserechtlichen Angelegenheit geht. Aber was heißt hier »nur«: Allein dieser Vorgang hat den Verlag bereits über 10000 Euro gekostet. Und viel Zeit.
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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