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Aus: Ausgabe vom 13.11.2010, Seite 16 / Aktion

Vom Werdegang einer Information

Französische Polizisten im Wendland: Wie andere Medien mit Meldungen der jungen Welt umgehen
Von Dietmar Koschmieder
Bild-Zeitung vom Freitag, 12. November 2010 (Ausriß aus
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Bild-Zeitung vom Freitag, 12. November 2010 (Ausriß aus der Titelseite)
Um sich eine Meinung zu bilden, braucht man Informationen. Solche liefert die Bild-Zeitung am Freitag, 12. November, auf der Titelseite. Unter der Schlagzeile »Polizeiskandal bei Castor?« heißt es: »Was haben französische Polizisten bei der Castor-Demo im Wendland zu suchen? Im Internet tauchten jetzt Bilder auf, die zeigen, wie ein Beamter in blauer Uniform einen Demonstranten im Würgegriff hält – auf seiner Uniform steht das französische Wort ›Police‹«. Diese Informationen tauchen erst »jetzt« auf? Und im Internet? Wie denn das?

Über den Einsatz französischer CRS-Polizisten wurde die junge Welt schon am Montag, 8.November, nachmittags durch einen Anrufer informiert. Er gab der Redaktion auch die Handynummer des Rechtsanwalts Christoph Müller weiter, der deshalb Anzeige wegen Amtsanmaßung und Verstoßes gegen das Waffengesetz erstattete. Die Meldung wurde nicht sofort in unseren Castorticker übernommen, weil wir sie nicht verifizieren konnten. Am Dienstag, 9. November, nahm jW-Redakteur Peter Wolter Kontakt zu Rechtsanwalt Müller auf, der ihn über seine von ihm selbst beobachteten Details informierte und uns auf zwei Fotos hinwies, die wir dann bei PiratenTV im Internet fanden. Die Aufnahmen stammen von dem Fotografen Christian Jäger, er hatte sie am Sonntag gegen 13.50 Uhr zwischen Leitstade und Harlingen aufgenommen, aber niemand beachtete seine Internetveröffentlichung. Das Ergebnis dieser Recherchen inklusive Foto von Jäger wurden auf der Seite drei der jW-Ausgabe vom Mittwoch, 10.November, abgedruckt. Aufgrund dieser Meldung ließ die Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke, Ulla Jelpke, die Fotos kopieren und um 10.00 Uhr im Innenausschuß des Bundestages verteilen. Über den Einsatz französischer Polizisten und die Reaktion des Innenausschusses berichtete sie dann gegen Mittag in einer Pressemitteilung, in der auch die jW erwähnt wurde. In einem Telefonat mit einem Mitarbeiter des Grünen-Abgeordneten Christian Ströbele teilten wir die Fundstelle im Internet mit. Auch das Büro Ströbele verschickte eine Pressemitteilung mit weiteren Informationen. Während die Pressemitteilung von Ulla Jelpke von den Medien ignoriert wurde, war die von Christian Ströbele Basis für die ersten Agenturmeldungen, die in vielen Medien am 11.November zitiert wurden. Hinweise auf die junge Welt waren nirgendwo zu finden. Erst einen weiteren Tag später, am 12. November, meldet die Bild-Zeitung, daß »jetzt« Bilder und Infos über französische Polizisten im Internet aufgetaucht seien.

Diese Geschichte über den Werdegang einer Information ist exemplarisch. Zuletzt erlebten wir diese bei den gezielten Veröffentlichungen wichtiger Passagen der Geheimverträge um die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe vor einigen Tagen in der taz. Die junge Welt hatte wesentliche Bestandteile daraus bereits am 21. März 2009 publiziert, was damals noch nicht einmal von der taz registriert wurde. Das Problem liegt aber nicht nur daran, daß uns andere Medien ignorieren. Wir selbst sind im Moment nicht in der Lage, mit der gebotenen Schnelligkeit uns verfügbar gemachte Informationen nachzurecherchieren und medial aufzubereiten. Doch unser Online-Spezial zu den Castortransporten im Wendland hat erneut gezeigt, wie wir es künftig besser machen können. Dazu wollen wir die Redaktion ausbauen und unsere Marketingarbeit qualifizieren, aber auch das Printprodukt weiterentwickeln. Die dazu notwendigen Vorbereitungen sollen bis März abgeschlossen sein. Im April und Mai 2011 werden wir mit einer bundesweiten Kampagne die überarbeitete junge Welt vorstellen. Für die Entwicklung von Redaktion und Aktionsbüro brauchen wir allerdings personelle Verstärkung. Und da wir für die bundesweite Kampagne wir nur auf bescheidene ökonomische Mittel zurückgreifen können, rechnen wir mit der tatkräftigen Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Mit Verteilaktionen, dem Werben von Probeabonnenten und der Bildung von Aktionsgruppen kann aber schon jetzt begonnen werden. Denn die Zahl der Abos in Netz und Print entscheidet letztlich ökonomisch über unsere Weiterentwicklung.



Zum Nachlesen:

»Bürgerkriegstruppe«. Von Peter Wolter

»Gewinne garantiert«. Von Jörn Boewe

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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