75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Sa. / So., 23. / 24. November 2024, Nr. 274
Die junge Welt wird von 2993 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €

Wege zum Kommunismus

Ein für allemal fertige Lösungen gibt es nicht. Radikale Realpolitik steht im ­offenen Spannungsfeld von Reformen innerhalb der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung und der Perspektive einer Gesellschaft jenseits des Kapitalismus
Von Gesine Lötzsch
»Rücksichtslose, revolutionäre Tatkraft« und »weitherzigste Menschlichkeit« – Rosa Luxemburg bei einer Rede vor Arbeitern in Stuttgart (1907)
Engagement mit Tradition: Jährliche Luxemburg-Liebknecht-Lenin-Demonstration in Berlin (11.1.2009)

* Im Rahmen der diesjährigen von jW veranstalteten Rosa-Luxemburg-Konferenz diskutiert Linskpartei-Vorsitzende Gesine Lötzsch am 8.Januar ab 18 Uhr im Urania-Haus mit Katrin Dornheim (Betriebsratsvorsitzende bei der DB Station &Service AG), Inge Viett (radikale Linke), Bettina Jürgensen (Vorsitzende der DKP) und Claudia Spatz (Antifa Berlin) zum Thema »Wo bitte geht’s zum Kommunismus? Linker Reformismus oder revolutionäre Strategie– Wege aus dem Kapitalismus«. Informationen unter: www.rosa-luxemburg-konferenz.de

Thomas Edison soll gesagt haben: »Ich bin nicht gescheitert. Ich habe nur 10000 Wege gefunden, die nicht funktionieren.« Was für ein großartiges Selbstbewußtsein! Wie viele Wege haben die Linken gefunden, die nicht funktionierten? Waren es 100 oder 1000? Es waren bestimmt nicht 10000! Das ist genau das Problem! Wir sind zu oft mit dem Finger auf der Landkarte unterwegs. Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung. Auf jeden Fall wird es nicht den einen Weg geben, sondern sehr viele unterschiedliche Wege, die zum Ziel führen. Viel zu lange stehen wir zusammen an Weggabelungen und streiten über den richtigen Weg, anstatt die verschiedensten Wege auszuprobieren. Zu lange laufen wir auf Wegen, obwohl wir ahnen oder gar wissen, daß sie nicht zum Ziel führen. Doch wir kehren nicht um, weil wir Angst vor denen haben, die immer noch diskutierend an der Weggabelung stehen und uns mit höhnischem Gelächter empfangen könnten. Wir müssen lernen, Sackgassen zu verlassen und sie nicht ambitioniert als Wege zum Kommunismus zu preisen.

Fortschreitende Machteroberung

Egal, welcher Pfad zum Kommunismus führt, alle sind sich einig, daß es ein sehr langer und steiniger sein wird. Warum eigentlich? Angenommen, der Euro geht als Währung in den nächsten zwei Jahren unter, die Europäische Union zerbricht, die USA kommen nicht aus der Wirtschaftskrise und fallen bei den nächsten Präsidentschaftswahlen in die Hände von radikal-fundamentalistischen Christen. Das Klima verändert sich dramatisch, der Golfstrom kühlt ab, die Flüchtlingsströme überrennen die »Festung Europa«, und wir werden gefragt, ob wir für diesen verworrenen Problemhaufen eine Lösung haben. Wer behauptet, daß er für dieses Szenario eine Strategie in der Schublade hat, der ist ein Hochstapler. Was wir anbieten können sollten, ist eine Methode für den Umgang mit solchen Problemhaufen. Wir wissen gar nicht, ob die Mechanismen der Wohlstands- und Verteilungsdemokratie der Bundesrepublik geeignet sind, solche komplexen Aufgaben zu lösen und friedlich abzuarbeiten. Ich habe da meine Zweifel. Die Regierung verbreitet schon jetzt nur noch Kompetenzillusionen. Allerdings sehe ich auch die Linken noch nicht wirklich gut gerüstet, wenn es um die Bewältigung von Gesellschaftskrisen geht. Doch beim Schattenboxen sind wir in der Lage, unseren eigenen Freunden schwere Verletzungen zuzufügen. Manchmal – nicht immer – hilft ein Blick in die Geschichte, um sich selbst zu befragen: Wie hättest du unter den gegebenen Bedingungen reagiert? Sind wir heute eigentlich wirklich schlauer? Haben wir wirklich aus unseren Fehlern gelernt?

Die Novemberrevolution von 1918 wurde verraten und halbiert in den Absprachen zwischen Mehrheitssozialdemokratie und der kaiserlichen Armee, bevor sie überhaupt ihr ganzes Poten­tial entfalten konnte. In jenen wenigen Wochen, den knappen drei Monaten zwischen Entlassung aus dem Gefängnis und Ermordung, hat Rosa Luxemburg all ihre Kraft und Leidenschaft, Erfahrung und Wissen in die Waagschale geworfen, um zu verhindern, daß sich das Fenster zu einer radikalen sozialen und demokratischen Umwälzung wieder völlig schloß. In dem Maße, wie klar wurde, daß ein sozialistisches Deutschland nicht unmittelbar durchsetzbar war, suchte sie nach Möglichkeiten, zumindest bestimmte Optionen linker Politik offenzuhalten. Gemeinsam mit Karl Liebknecht und der revolutionären Linken kämpfte sie gegen die unheilige Allianz der rechten sozialdemokratischen Führer mit den Stützen des Kaiserreichs, mit den Hauptschuldigen von Krieg und Völkermord. Und zugleich appellierte sie nahezu verzweifelt an jene, die sich dem Linksradikalismus – dieser »Kinderkrankheit des Kommunismus« (Lenin) – zuwandten, nicht die Chancen, die auch in der Defensive und der Niederlage noch gegeben waren, ungenutzt verstreichen zu lassen.

Luxemburg und Liebknecht forderten die Teilnahme an den Wahlen zur Nationalversammlung und vor allem entwickelten sie in der programmatischen Erklärung »Was will der Spartakusbund« ein Sofortprogramm, das einen sechsstündigen Höchstarbeitstag genauso einschloß wie die Sozialisierung der Banken und der Großindustrie, Enteignung des Großgrundbesitzes und die Bildung von Genossenschaften, die Schaffung von Betriebsräten, die die Leitung der Betriebe übernehmen sollten. In ihrer Rede auf dem Gründungsparteitag der KPD zum Programm und zur politischen Situation, als schon klar war, daß an eine unmittelbare Machtübernahme nicht zu denken war, formulierte sie als Hauptweg sozialistischer Politik: »So soll die Machteroberung nicht eine einmalige, sondern eine fortschreitende sein, indem wir uns hineinpressen in den bürgerlichen Staat, bis wir alle Positionen besitzen und sie mit Zähnen und Nägeln verteidigen. Und der ökonomische Kampf, auch er soll nach meiner Auffassung und der Auffassung meiner nächsten Parteifreunde durch die Arbeiterräte geführt werden.«

Revolutionäre Realpolitik

Was hier durch Rosa Luxemburg in der konkreten Situation einer unvollendeten Revolution und der absehbaren Defensive formuliert wurde, ist eine Politik, die sie selbst »revolutionäre Realpolitik« nannte – ausgehend von den dringenden Nöten der Arbeiter und großer Teile der Bevölkerung soll an Lösungen gearbeitet werden, die deren Lage spürbar verbessern und zugleich zu einer strukturellen Veränderung der Eigentums- und Machtverhältnisse führen. Es sollen Tagesfragen beantwortet und Kapitalismus und Militarismus zurückgedrängt werden mit dem Ziel, diese schließlich zu überwinden. Der Weg dahin sollte vor allem durch das eigene demokratische Handeln der Arbeiter, des Volkes geprägt sein, durch Lernprozesse in der praktischen Veränderung. Es sollte weniger eine Politik für die Arbeiter als durch sie sein. Für mich steht linke Politik insgesamt und die Politik der Partei Die Linke in dieser herausfordernden Tradition gesellschaftsverändernder, radikaler Realpolitik.

Ich weiß natürlich, daß eine solche radikale Realpolitik die Austragung von Widersprüchen und Konflikten einschließt, uns Veränderung und Selbstveränderung abverlangt. Das ist nicht einfach. Nicht ein Entweder-Oder von grundlegender Gesellschaftsentwicklung einerseits oder konkreten Reformschritten andererseits führt zum Erfolg. Die organische, lebendige Verknüpfung von eigenem Wirken der Bürgerinnen und Bürger, sozialen Bewegungen und Initiativen und dem Wirken linker Parteien in Parlamenten oder Regierungen, von Protest und Gestaltung, macht den Unterschied aus, auf den es ankommt.

Die Partei Die Linke ist entstanden aus dem Widerstand der damaligen PDS gegen einen marktradikalen Weg der Vereinigung, den Jugoslawien-Krieg der NATO und die Hartz-IV-Reformen, gegen die sich vor allem in den neuen Bundesländern eine Welle von Montagsdemonstrationen erhob. Und sie ging hervor aus dem Bruch vieler linker Gewerkschafter, linker akademischer Kräfte mit der Regierung von SPD und Grünen, der zur Gründung der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) führte. Gemeinsam haben wir bei den Wahlen 2005 die soziale Frage und die Friedensfrage wieder in das Zentrum der Politik gerückt und 2009 parlamentarisch gestärkt als neue Partei konkrete Antworten auf die Krise des Finanzmarktkapitalismus formuliert.

Die Partei Die Linke war die einzige, die gemeinsam mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen von links die Eigentumsfrage gestellt hat. Während erst die CDU/CSU und SPD-Regierung und dann die schwarz-gelbe Regierung den Staat nur genutzt haben, um das Vermögen einer kleinen Minderheit zu vermehren, haben wir ein konkretes Programm für einen ganz neuen Finanzsektor vorgelegt. In dessen Zentrum stehen öffentliche Banken und Versicherungen, die nicht der Spekulation und Kapitalakkumulation, sondern realer Investition, sicheren Spareinlagen und langfristiger sozialer Sicherheit verpflichtet sind. Wir haben die Umwandlung aller staatlichen Finanzhilfen für die private Wirtschaft in Anteile der öffentlichen Hand bzw. der Belegschaften an diesen Unternehmen gefordert, um so die öffentlichen und Belegschaftsinteressen »hineinzupressen« in das bürgerliche Eigentum. Wir haben Überlegungen der Gewerkschaften aufgegriffen und eigene Vorstellungen entwickelt, wie in der Krise durch ein umfassendes Investitionsprogramm der anstehende sozialökologische Umbau eingeleitet werden kann. Gesellschaftliche Investitionsplanung gehört für uns dazu.

Wir wollen einerseits die sozialen Probleme lösen, indem wir die ökologischen Fragen angehen. Dazu gehören der Übergang zu einer dezentralen Energieproduktion und -versorgung, weitgehende Verlagerung der Transporte auf die Schiene und Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs bis hin zu entgeltfreien Angeboten. Wir wollen eine schnelle energetische Sanierung des Wohnungs- und Gebäudebestandes, um in den nächsten Jahrzehnten weitgehend CO2-neutrale Städte zu schaffen. Und wir wollen andererseits die ökologischen Fragen lösen, indem wir die sozialen Fragen angehen: Gute Arbeit und gutes Leben stehen dabei im Mittelpunkt, Mindestlöhne, soziale Sicherheit, Ausbau qualifizierter Dienstleistungen gerade auch im öffentlichen Bereich (Bildung, Gesundheit, Pflege, Kultur) – den wichtigsten Beschäftigungsmotoren der Zukunft und die Basis einer modernen Volkswirtschaft. Dazu müssen wir es erreichen, daß Umverteilung von oben nach unten und von privaten zu öffentlichen Haushalten mit diesem sozialökologischen Umbau verbunden wird und umgekehrt. Auf dieser Basis wird auch eine wirkliche Friedens- und solidarische Entwicklungspolitik möglich.

Für einen Richtungswechsel

Noch ist es uns nicht gelungen, diese Forderungen in reale Bundespolitik zu überführen. Noch immer dominieren die Interessen der Großkonzerne und der Superreichen. Aber ein Weiter-So-Wie-Bisher und die Vorherrschaft der Interessen weniger haben Konsequenzen. Eine neue und tiefere Finanz- und Wirtschaftskrise zeichnet sich jetzt schon ab. Die Europäische Union droht, an den ungelösten Widersprüchen und einem antisozialen Kurs zu zerbrechen. Der weltweite Hunger hat dramatisch zugenommen, die Erderwärmung beschleunigt sich immer weiter.

Auf der Ebene der Länder hat die Partei Die Linke angesichts dauerhafter Massenarbeitslosigkeit insbesondere in den strukturschwachen neuen Bundesländern schon seit langem das Projekt eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors (ÖBS) entwickelt. Dieser Vorschlag verbindet zwei oft kontrovers diskutierte Ansätze – die Forderung nach einem Grundeinkommen und die nach der Einlösung des Rechts auf Erwerbsarbeit. Er zielt erstens darauf, soziale Sicherheit und die Möglichkeit einer hohen Selbstbestimmung zu vereinen. Wie viele Projekte im kulturellen und sozialen Bereich oder auch bei der Entwicklung von neuen Softwareangeboten beweisen, wählen junge und gebildete Menschen oft Tätigkeitsfelder, wo sie sehr eigenständig, solidarisch und in Formen der Selbstverwaltung mit anderen zusammenarbeiten. Nicht selten entstehen neue Vereine oder auch Genossenschaften. Damit wird zugleich zweitens ein breites gesellschaftliches Bedürfnis nach Leistungen befriedigt, die so einfach weder privat noch staatlich bereitgestellt werden können. Und drittens finden viele Menschen ohne einen solchen Sektor keinen Weg zu einem würdigen Leben. Heute gibt es in Berlin und Brandenburg, Ländern, in denen unsere Partei mitregiert, Tausende Stellen in diesem Bereich. Gerade weil viele überkommene Formen sozialer Integration so schwach sind, brauchen wir einen solidarischen Sektor, wo das Dasein für andere und die eigene Selbstverwirklichung besonders eng verbunden sind und zugleich Hilfe geleistet wird für jene, die nur schwer in den ersten Arbeitsmarkt finden. Gerade jetzt sind wir damit konfrontiert, daß die Bundesregierung durch neue restriktive Regeln diese weitreichenden Ansätze wieder zerstören will. Auch dies ist ein Grund, für einen Richtungswechsel der Bundespolitik zu kämpfen.

Im Zentrum unserer Politik steht auch weiterhin die Friedensfrage. Gerade wird die Bundeswehr endgültig aus einer Verteidigungsarmee auf der Basis der Wehrpflicht in eine Berufsarmee mit globaler Interventionsfähigkeit ausgebaut. Dies ordnet sich in die Veränderungen von NATO und europäischer Sicherheitspolitik ein. Die alte Kanonenbootpolitik, mit der sich schon Luxemburg und Liebknecht auseinandergesetzt haben, ist zurückgekehrt. Weil wir eine solche Politik ablehnen, wird der Linken immer wieder vorgeworfen, sie entziehe sich der Verantwortung. Ich sehe es genau umgekehrt: Die wichtigsten Probleme der Gegenwart lassen sich nicht mit militärischen Mitteln lösen. Deshalb wollen wir, daß die Bundesrepublik sich vor allem auf zivile Ansätze zur Konfliktlösung konzentriert und starke regionale Systeme von gemeinsamer Sicherheit und Entwicklung geschaffen werden.

»Neuland. Tausend Probleme«

Liest man die Schriften und Reden von Rosa Luxemburg aus den hektischen Monaten der Novemberrevolution, in denen es galt, möglichst wirksam sozialistisch einzugreifen, dann wird deutlich: Sie hatte keinen Masterplan und auch keine einfachen Antworten. Sie war auf der Suche, im Dialog mit anderen, zugleich außerordentlich ungeduldig und mahnend, sich nicht hinreißen zu lassen zu Terror und Sektierertum und doch entschieden zu wirken. Sozialismus war für sie kein fertiges Ideal, kein genial entworfener Bauplan, sondern etwas, das aus den realen Kämpfen wachsen würde. Sie schrieb in ihrer Auseinandersetzung mit Lenin und Trotzki: »Das Negative, den Abbau, kann man dekretieren, den Aufbau, das Positive, nicht. Neuland. Tausend Probleme. Nur Erfahrung [ist] imstande, zu korrigieren und neue Wege zu eröffnen. Nur ungehemmtes, schäumendes Leben verfällt auf tausend neue Formen…«

Wie kaum eine andere Sozialistin ihrer Zeit hat Rosa Luxemburg zwei Ziele miteinander zu vereinen versucht – erstens das Ziel der Herstellung der gemeinsamen Kontrolle der Arbeiter, des Volkes, über die gemeinsamen Bedingungen der Produktion des gesellschaftlichen Reichtums, und zweitens das Ziel größtmöglicher Freiheit, Öffentlichkeit und Demokratie. Die zukünftige Gesellschaft war für sie wie die belebte Natur: die ungeheure Vielfalt und Selbstorganisation, die sie dort bei ihren Studien und Ausflügen immer wieder beobachtete. Die Menschen waren ihr niemals Schräubchen im Getriebe einer neuen perfekten Welt. Sie hatte Ehrfurcht vor dem Leben in seiner Besonderheit. Der »wahre Odem des Sozialismus« war für sie die Einheit von »rücksichtslosester revolutionärer Tatkraft und weitherzigster Menschlichkeit«.

Wenn Kommunismus das Gemeinschaftliche betont und der Liberalismus den einzelnen, dann wollte Rosa Luxemburg beides zugleich – höchstmögliche Gemeinschaftlichkeit bei der Kontrolle darüber, daß Eigentum und Macht im Interesse aller gebraucht werden, und größtmögliche Freiheit individueller Entfaltung, radikaler Kritik und Öffentlichkeit. Eine Gesellschaft ohne Freiheit wäre für sie nur ein neues Gefängnis gewesen, so wie ihr eine Gesellschaft ohne Gleichheit immer nur eine Ausbeutergesellschaft war. Sie forderte die Herrschaft des Volkes über Wirtschaft und Gesellschaft genauso ein wie die Freiheit des Andersdenkenden. Sie war radikale demokratische Sozialistin und konsequente sozialistische Demokratin. Deswegen konnte der sowjetische Parteikommunismus sich am Ende genausowenig mit ihr versöhnen wie der bürgerliche Liberalismus. Beide wurden durch sie provoziert und lehnten sie letztlich ab. Und genau deswegen ist sie für die Partei Die Linke eine der wichtigsten Bezugspersonen in der Geschichte der Arbeiterbewegung.

Freiheit und Sozialismus

Das zwanzigste Jahrhundert war durch Perioden der Entfesselung des Kapitalismus und seines Übergangs in offene Barbarei und durch Perioden seiner Zähmung und des Entstehens von – letztlich noch einmal scheiternden – Gegenentwürfen gekennzeichnet. Gerade jetzt vollendet sich die Ausdehnung des Kapitalismus. Er stößt damit an die Grenzen der irdischen Natur. Die Ressourcenökonomie muß über die Kapitalakkumulation siegen, wenn es nicht zur ökologischen Katastrophe kommen soll. Genauso müssen aber auch die sozialen Rechte von bald sieben bis acht Mil­liarden Menschen dominieren über die Verwertungsinteressen transnationaler Konzerne. Einer Welt, die privilegierte Zentren herausbildet, sich in Festungen einmauert und globale Unsicherheit verursacht, werden wir nur entkommen, wenn sich Zusammenarbeit und gemeinsame Entwicklung durchsetzen. Dafür sind im Entwurf des Parteiprogramms der Partei Die Linke viele Vorschläge erarbeitet worden. Weitere sind in der Diskussion. Es sind viele Bausteine, mit denen wir darum kämpfen, in der heutigen bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft über sie hinaus zu wirken, die Profitdominanz über Wirtschaft und Gesellschaft zu überwinden, die Ansätze einer neuen Gesellschaft »hineinzupressen« in die alte, bis sich beweist, daß dem demokratischen Sozialismus die Zukunft gehört.

* Gesine Lötzsch ist Mitglied des Bundestags und seit Mai 2010 eine der beiden Vorsitzenden der Partei Die Linke

Abonnieren Sie den Konferenz-Newsletter