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Notwendiger Aufbauprozeß

Position. Zur Realisierung revolutionärer Strategien braucht es eine handlungsfähige kommunistische Organisation
Von Inge Viett
Rosa Luxemburgs Mahnung ist immer noch aktuell: Der Kapitalismus zerstört die Lebensgrundlagen der Menschheit (Luxemburg-Liebknecht-Lenin-Demonstration in Berlin, 11.1. 2009)
Polizeigewalt, Verbote und Kriminalisierung: Die demokratischen Spielräume verengen sich rapide (Demonstration gegen das »Sparpaket« der ­Bundesregierung, Berlin 26.11.2010)
Im Rahmen der diesjährigen Rosa-Luxemburg-Konferenz diskutiert Inge Viett am 8. Januar ab 18 Uhr im Urania-Haus mit Gesine Lötzsch (Vorsitzende Die Linke), Katrin Dornheim (Betriebsratsvorsitzende bei der DB Station & Service AG), Bettina Jürgensen (Vorsitzende der DKP) und Claudia Spatz (Antifa Berlin) zum Thema »Wo bitte geht’s zum Kommunismus? Linker Reformismus oder revolutionäre Strategie – Wege aus dem Kapitalismus«. Informationen unter: www.rosa-luxemburg-konferenz.de
Die zahlreichen innerlinken Debatten und Krisenanalysen lassen keinen Zweifel daran, daß die marxistische Linke keine Illusionen hat über die weitere kapitalistische Entwicklung. Es herrscht weitestgehende Einigkeit darüber, daß die Klassenwidersprüche sich sowohl im globalen Maßstab als auch vor der Haustür verschärfen und ausdehnen, sich Luft machen in irrationalen Aggressionen, in Kriminalität und Kriegen, in abrupten sozialen Aufständen, die mit staatlichem Terror niedergeschlagen werden; daß die kapitalistische Gesellschaftsordnung nur noch mit ungeheurem Propagandaaufwand, mit großem Lug und Trug und einem dichten Apparat aus Sozialfunktionären, Polizei, Justiz, Geheimdiensten und Militär funktionieren kann und daß die legalen Bedingungen für einen sozialen und politischen Wandel – nämlich die demokratischen Rechte und Räume – sich rapide verengen. Kurz: Rosa Luxemburgs Ausruf »Sozialismus oder Barbarei« ist in aller Munde.

Strategien entwickeln

Deshalb ist es irritierend, daß trotz der Schärfe und Differenziertheit der Analysen die Vorstellungen von grundsätzlichen Veränderungsmöglichkeiten immer ärmer und hilfloser ausfallen. Den Fortgang des Elends vor Augen, ohne Ausweg, verfallen die Verfasser von Memoranden und Programmen, von Petitionen und Appellen auf Sätze wie diese:

»Neue Wege der Ermutigung, Vereinigung und Verstetigung solidarischen Handelns zu suchen und zu erproben, ist eine wichtige Aufgabe der antikapitalistischen Linken, insbesondere auch in den Gewerkschaften.«1

Was soll mit diesen Allgemeinplätzen anzufangen sein? Auch wenn das kapitalistische Herrschaftssystem sich aufbläht bis zur scheinbaren Unüberwindlichkeit, in vielen Ländern, auch in vielen Bereichen in der BRD, gibt es Gegenkräfte: große Massenbewegungen (»Stuttgart21«, Antiatomdemos), viele kleine Bürgerinitiativen, organisierte und unorganisierte Aktivitäten, spontane, geplante, militante und friedliche Aktionen, Demonstrationen, Streiks, Betriebsbesetzungen. Allein es mangelt an zusammenfassenden Strukturen, die dem Sammelsurium an Kämpfen einen entschlossenen gemeinsamen antikapitalistischen Ausdruck zu geben vermögen und die Ziele dieser Kämpfe unerschrocken auf eine sozialistische Systemalternative orientieren. Das ist keine neue Erkenntnis, wir müssen nur beginnen, sie ins Werk zu setzen.

Die Theorien von Marx und Lenin sind nicht nur das Handwerkszeug für Analysen. Sie sind zugleich auch die Instrumente für eine revolutionäre Praxis. Lenin wird in vielen Analysen wieder zitiert – aber welcher Lenin!? Lenin als Theoretiker, Lenin als Imperialismusexperte, Lenin als Staatsmann. Seine herausragende Bedeutung und Faszination aber hat er als Revolutionär. Als Stratege und Organisator einer revolutionären Partei, als Organisator von Aufständen. Das heißt nicht, wir könnten die Kämpfe, die 1917 in der Revolution gipfelten, heute noch so führen. Denn selbstverständlich sind heute die Beziehungen und Verflechtungen der Klassenstrukturen komplexer und die kapitalistische Ideologie viel tiefer verinnerlicht, als am Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Und der Klassenfeind ist durch unsere historische Niederlage im Vorteil. Aber sind das Gründe, nicht einmal mehr über revolutionäre Strategien nachzudenken?

Drei Linien linker Politik

Ich sehe drei wesentliche Linien, um die herum sich praktisches Handeln der Linken gruppiert. Die eine ist die Politik, innerhalb der gegebenen bürgerlichen Rechtsordnung die Spielräume zu nutzen, um »Politik für die Menschen« zu machen, das heißt: Unterstützung von außerparlamentarischen Bewegungen mit einem taktischen Verhältnis zu diesen, Mitarbeit in allen staatlichen Institutionen, parlamentarische Politik bis hin zur Regierungsbeteiligung. Hier geht es um linke Gestaltungspolitik innerhalb des kapitalistischen Staates zugunsten der benachteiligten Schichten. Das macht als stärkste organisierte Kraft die Partei Die Linke und ihr Umfeld. In diesem Spektrum gibt es die gesamte Bandbreite politischen Bewußtseins vom revolutionären Marxismus bis zum bürgerlichen Reformismus. Hier bleiben der bürgerliche Staat und die bürgerliche Rechtsordnung immer der Rahmen und Bezugspunkt für die politische Praxis. Der Erfolg dieser Politik wird am Erstarken der Partei, und dieses Erstarken wird an Wahlprozenten gemessen. Dieses Konzept zielt letztlich auf die Erlangung der Hegemonie im kapitalistischen Staatsapparat und sieht den Staat, nicht das Proletariat als Subjekt der Veränderung. Diese Politik produziert Bürokraten und Funktionäre, nicht Revolutionäre. Sie ist klassischer Reformismus, und ihre Fortschrittlichkeit nimmt ab mit wachsender Integration in den Regierungsbetrieb.

Ihre historischen Vorläufer hat diese Linie im sozialdemokratischen Weg seit Eduard Bernstein und der Politik der SPD seit dem »Burgfrieden« im Ersten Weltkrieg, aber auch im Weg großer europäischer kommunistischer Parteien, am beispielhaftesten am Niedergang der PCI und der KPF zu illustrieren. Dieser Linie folgt auch die Politik der Mehrheit in der DKP, welche nur aufgrund ihrer derzeitigen Schwäche nicht zum Tragen kommt. Und in diese Kategorie gehört auch der schnelle Übergang der Grünen von antikapitalistischen zu imperialistischen Positionen. Geben diese historischen Erfahrungen Hoffnung auf die Überwindung des Kapitalismus?

Die andere Linie beharrt auf den historischen Materialismus und die marxistische Klassenanalyse. Die Überwindung des Kapitalismus ist nur möglich durch die Aufhebung des zentralen Widerspruchs von Lohnarbeit und Kapital, und das ist die historische Mission der Arbeiterklasse. Diese allerdings hat nicht die Einsicht in ihre historische Rolle, kommt nicht von der ›Klasse an sich‹ zur ›Klasse für sich‹. Das erfordert eine Aufklärungs- und Propagandapolitik, um das Klassenbewußtsein zu stärken, um die ökonomischen Kämpfe zu bewußten Klassenkämpfen zu machen, das bedeutet die Gemeinsamkeit und die Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften. Hier ist das objektiv revolutionäre Subjekt die Arbeiterklasse, und die traditionelle Linke sieht sich als ihre Avantgarde und Stellvertreterin.

Dies ist historisch die Linie der siegreichen Oktoberrevolution, aber auch die steckengebliebene Linie der kommunistischen Linken in den reichen kapitalistischen Staaten. Steckengeblieben im Opportunismus und im bürgerlichen Legalismus mit dem Ergebnis von Resignation und Zerstörung kommunistischen Bewußtseins. Es werden zwar theoretisch noch revolutionäre Positionen vertreten, die konkrete Praxis aber ist reformistisch und bürgerlich legalistisch. Die Agitation für Klassenpositionen bricht sich an der eigenen Machtlosigkeit und der Informa­tions- und Ideologiemacht der herrschenden Klasse die Zähne aus.

Die dritte, postmoderne Linie ist die der Mobilisierung der politisch aktiven Massen gegen kapitalistische und imperialistische Großevents. Hier wird aus ideologischen Gründen weitgehend auf gemeinsame Inhalte und dauerhafte Organisationsstrukturen verzichtet. Die Aktivisten kommen vorwiegend aus Teilbereichskämpfen. Der zentrale Klassenwiderspruch ist kein oder kaum Thema, Gegenmacht wird verstanden als spontane massenhafte Grenzüberschreitung. Die Frage organisierter revolutionärer Gewalt wird mehrheitlich mit bürgerlichem Pazifismus beantwortet. In den Kämpfen gemachte Erfahrungen finden keinen organisatorischen Ort, der Kontinuität und Weiterentwicklung bewerkstelligen kann.

Es geht mir keinesfalls darum, die Politik innerhalb dieser grob skizzierten Linien als fruchtlos abzuwerten, sondern ich betrachte sie hier allein unter dem Gesichtspunkt, ob mit ihnen die Stagnation im revolutionären Prozeß aufgebrochen werden kann. Ich gehe von ihrer Begrenztheit aus.

Wo bleibt das Subjekt?

Wir beklagen das fehlende oder schwache Klassenbewußtsein der proletarischen Schichten, sie seien nicht kämpferisch, die Belegschaften in den Betrieben unterwerfen sich der opportunistischen Gewerkschaftspolitik. Wir beklagen die Zersplitterung der Linken, wir reden von der Notwendigkeit, Klassenbewußtsein ins Proletariat zu tragen. Das stimmt zwar alles, aber welches Klassenbewußtsein kann überhaupt in die Arbeiterklasse hineintragen werden, wenn es nur noch um linke Politikgestaltung im Rahmen der bürgerlichen Rechtsordnung geht?

Marxistisches Wissen, Kritikfähigkeit, linke Politik, ein linkes Parteiprogramm sind nicht identisch mit Klassenbewußtsein. Das ist Wissenschaft, eine fortschrittliche Geisteshaltung – aber kein Klassenbewußtsein. Klassenbewußtsein ist ein kämpferischer Antagonismus zur bürgerlichen Rechtsordnung, zur bürgerlichen Moral, zum bürgerlichen Pazifismus. Es ist die Emanzipation von der bürgerlichen Ideologie überhaupt und geht aus von der Legitimität des revolutionären Kampfes für die zukünftige Legalität der proletarischen Klasse. Überhaupt macht Klassenbewußtsein nur Sinn, wenn aus ihm ein bewußter Kampf zur Überwindung der Klassengesellschaft geführt wird. Alles andere ist Proletenkult.

Warum muß sich die marxistische Linke mit ihrer Stellvertreterpolitik für die Arbeiterklasse im Reformismus festfahren? Wenn die Werktätigen sich nicht politisch bewegen, weil sie in den Seilen ihres opportunistischen Gewerkschaftsapparates hängen, dann kann auch sie sich nicht bewegen und muß auf das Niveau der »Verteidigung demokratischer Rechte« zurückfallen. Ist diese Verteidigung nicht immer und ständig unser Alltagsprogramm?

Warum kann sich die marxistische Linke nicht selbst als revolutionäres Subjekt verhalten, obwohl sie den Zustand und die Perspektive der kapitalistischen Zivilisation völlig klar vor Augen hat – viel klarer und quälender als die Mehrheit der proletarischen Klasse und ganz allgemein auch die Mehrheit der Bevölkerung. Warum gilt der Brechtsche Ausspruch: »Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein«, nur für die Arbeiterklasse? Wenn wir unser ganz eigenes Verhältnis zur Revolution – und das heißt zu einer revolutionären Strategie und Praxis hin zu diesem Punkt – nicht klären, können wir weder das Klassenbewußtsein noch die Klassenkämpfe noch ein Zipfelchen Gegenmacht entwickeln. Dann dümpelt alles, was wir tun, ewig weiter im zivilgesellschaftlichen Morast, in parlamentarischer und außerparlamentarischer »Gestaltungspolitik«, in symbolischen, Energie vergeudenden Scheinangriffen, oder im Aufschwung und Abschwung von Teilbereichskampagnen. Dann ringen wir dem Kapitalismus in den reichen Staaten vielleicht – aber nur vielleicht – in den nächsten Jahrzehnten wieder ein paar Zugeständnisse ab, während er den Rest der Welt weiterhin entweder mit seinem Profitzwang erwürgt oder in »Präventivkriegen« verwüstet. Wer sich damit schon abgefunden hat, wird resigniert abwinken und in der noch machbaren Tagespolitik politisch verarmen.

Kämpfe zusammenführen

Aber wir stehen noch nicht mit dem Rücken zur Wand! Es gibt noch Optionen, die aussichtsreicher sind als der Rückzug in eine hundert Jahre alte »Verbesserungspolitik«, mit welcher angeblich immer »das Schlimmste« verhindert werden soll und die uns real immer weiter in die Defensive treibt.

Ich komme zum Punkt: Das Gebot der Stunde ist der Aufbau einer revolutionären, kommunistischen Organisation. Eine Organisation, die im Marxismus wurzelt und die historischen Erfahrungen der verschiedenen revolutionären Prozesse auf die gegenwärtigen, veränderten Bedingungen anwendet und in den Aufbau ihrer Strukturen eingehen läßt. Eine revolutionäre Partei kann, wie schon angedeutet, heute nicht mehr dieselbe Strategie und Gestalt wie unter den Bedingungen von 1917 haben. Die Klassenstrukturen sind fragmentierter. Die Kräfteverhältnisse insgesamt haben sich verschoben: Das Industrieproletariat als Kernstruktur der Arbeiterklasse ist geschrumpft, die Privatisierung öffentlichen Eigentums hat neue Schichten von Lohnabhängigen dem Zwang zur Profitmaximierung unterworfen. Ein großer Teil des heutigen Proletariats ist prekär unterwegs oder ganz aus der Produktion herausgeschleudert, was die sozialen und politischen Konflikte außerhalb der Betriebe verschärft. Darüber hinaus sind die historischen Erfolge und Niederlagen der revolutionären Kämpfe Teil des politischen Bewußtseins geworden.

Es ist nach wie vor richtig, daß das Industrieproletariat die zentrale Stellung im gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß innehat und damit objektiv die Hebel gegen den Kapitalismus in Händen hält. Aber wenn es – wie seit einigen Jahrzehnten – so schwer ist, revolutionären Einfluß auf die Betriebskämpfe zu nehmen, dann nützt es gar nichts, sich an dieser Front festzurennen. Es muß eine neue Front aufgemacht werden, die von außen Bewegung in die Betriebe bringt, die den Gewerkschaftsbürokraten Druck macht und den klassenkämpferischen Kräften in den Belegschaften und Gewerkschaften Rückenwind gibt. Real gibt es diese Front ja schon lange, wenn auch noch recht unbefestigt. Es sind die vielen neuen Kampffelder gegen die Totalisierung der Verwertung. Diese werden aber von der marxistischen Linken immer noch nicht als Klassenkampffront ernstgenommen.

Ebenso ist der Mehrheit der Aktivisten auf den Kampffeldern außerhalb der Betriebe nicht deutlich, daß nahezu alle Konfliktfelder Ausdruck des Klassenwiderspruchs sind, daß die Probleme auf die eine oder andere Weise auf die kapitalistische Profitwirtschaft zurückzuführen sind oder durch sie begünstigt werden. Darüber hinaus haben die postmodernen Theorien eine gewisse Ver- oder Nichtachtung der ökonomischen Kämpfe der Arbeiter in die Linke getragen.

Es ist eine strategische Herausforderung, die ökonomischen Kämpfe in den Betrieben und die Vielfalt der außerbetrieblichen Kämpfe politisch/organisatorisch zu verbinden und auf eine kommunistische Perspektive zu richten. Das erfordert bewegliche und trotzdem disziplinierte Strukturen, das erfordert einen dialektischen Umgang mit Widersprüchen, die nur über eine gemeinsame kämpferische Praxis, aber nicht im ideologischen Papierkrieg aufhebbar sind, und das erfordert auf bestimmter Ebene Klandestinität gegenüber dem Klassengegner.

Eine Organisation/Partei, kann zwar fortschrittlich, antikapitalistisch, marxistisch/leninistisch sein, aber nicht revolutionär, wenn sie nicht in bestimmten Bereichen (Kommunikation, Strukturen, Verantwortlichkeiten) klandestin ist.

Das ist eine logische, absolut notwendige Konsequenz, wenn wir ernstnehmen, was wir wissen: die Konzeption des staatlichen Sicherheitsapparates in Deutschland und die sogenannte gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur sind in ihrer Vollendung auf totalitäre Herrschaftssicherung aus. Sie funktionieren losgelöst von demokratischen und gesetzlichen Vorgaben und sind funktional für autoritäre und faschistische Herrschaftstypen.

Wir kennen alle die Debatten, in denen Vertreter der Elite bereits jetzt ohne Scheu darüber reden, daß die demokratische Herrschaftsform den Problemen der Zeit nicht mehr dienlich ist. Wir haben es zu tun mit einer schleichenden Faschisierung unter dem Deckmantel von Phrasen wie »Freiheit braucht Sicherheit« und mit einer erschreckend hohen Akzeptanz rassistischer Ansichten, wenn sie aus der »Mitte« der Gesellschaft kommen.

Nicht die Theorie macht eine Organisation zu einer revolutionären, sondern allein ihre kämpferische Praxis, und diese stößt unweigerlich auf Repression. Aus diesem Grund dürfen eine revolutionäre Organisation nicht komplett offen vom Klassengegner einzusehen, die Mitglieder und Strukturen nicht alle bekannt, das inhaltliche, logistische und finanzielle Vermögen nicht jederzeit angreifbar sein usw. Dennoch muß sie in den betrieblichen und politischen Auseinandersetzungen als organisierende kämpferische Kraft sichtbar und ansprechbar sein.

Die Eigentumsfrage wird nicht innerhalb des bürgerlichen Staates und nicht mit dem bürgerlichen Recht gelöst. Das kapitalistische Gewaltmonopol bricht nicht von allein; der Bruch muß bewußt organisiert und der Kampf dafür erlernt werden. Eine revolutionäre Organisation kann die bürgerliche Rechtsordnung nur als taktischen Bezugspunkt begreifen, aber nicht als naturgegeben verinnerlichen. Konkret heißt das beispielsweise: Wenn Deutschland Krieg führt und als Antikriegsaktion Bundeswehrausrüstung abgefackelt wird, dann ist das eine legitime Aktion wie auch Sabotage im Betrieb an Rüstungsgütern, illegale Streikaktionen, Betriebs- und Hausbesetzungen, militante antifaschistische Aktionen, Gegenwehr bei Polizeiattacken etc.

Eine revolutionäre Partei muß sich entschlossen hinter diese Kämpfe stellen, sie politisch einordnen und verteidigen, den Aktivisten ideologischen und rechtlichen Schutz geben und nicht den bürgerlichen Pazifismus, die bürgerlichen Gesetze in Front gegen sie bringen. Um kämpferisches Klassenbewußtsein zu entwickeln, muß eine revolutionäre Organisation versuchen, die Kämpfe, in denen sie verankert ist, so weit wie möglich an die Grenze der bürgerlichen Rechtsordnung heranzuführen, und wenn es notwendig und möglich ist, diese überschreiten. Nur so kann in den Protestaktionen die Ohnmacht vor der Allmacht des Staates gebrochen werden. In der Konfrontation wird die Klarheit entwickelt werden, daß wir den Kapitalismus nicht wegbeten können, selbst wenn Millionen auf die Straße gehen. Wenn es unter den Millionen keine Kräfte gibt, die bereit und fähig sind, die Konfrontation mit den Herrschenden einzugehen, gibt es auch keine politischen Optionen zugunsten fortschrittlicher Veränderungen.

Strategisches Klassenprojekt

Die Schaffung einer solchen Organisation ist ein notwendiger revolutionärer Aufbauprozeß, ein strategisches Klassenprojekt. Sie ist nicht am Reißbrett zu entwerfen. Sie muß sich lernend und reflektierend entwickeln. Aus dem Jahrhundert der Kämpfe um die Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung werden die positiven wie negativen historischen Erfahrungen ein hilfreiches Korrektiv sein. Wir fangen also nicht bei Null an.

Es gibt eine große Unzufriedenheit mit den traditionell existierenden linken Strukturen und ein Bedürfnis für eine revolutionäre kommunistische Organisation, vor allem bei jungen kommunistischen Aktivisten. Sie trauen – bei allem Respekt – den jetzigen organisierten Strukturen keinen Aufbruch aus der Befangenheit traditioneller Politikformen mehr zu. Wir müssen aber aus der Blockierung durch die ideologischen Muster des 20. Jahrhunderts ausbrechen und den Kampf für eine kommunistische Perspektive aus den heutigen Bedingungen entwickeln und organisieren, ohne in die postmoderne Beliebigkeit zu fallen.

In diesem Projekt hat auch die parlamentarische Linke ihre unbedingt notwendige Funktion. Aber eben als eine kämpferische Opposition, die dem Klassenprojekt verpflichtet ist und ihm Ressourcen öffnet (Information, Wissen, Zugang zur Öffentlichkeit etc.) und nicht als Partei, die der Illusion oder dem Betrug zuarbeitet, wenn sie erst einmal in der Regierung sei, würde alles besser.

Anmerkungen:

1 Memorandum zur linken Programmdebatte, pad-Verlag, Bergkamen 2010

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