Aus: Ausgabe vom 19.05.2011, Seite 3 / Schwerpunkt
Hintergrund: Streikziel Sozialtarifvertrag
Die Forderung nach Verzicht auf eine geplante Betriebsänderung
– also beispielsweise die Schließung oder Verlagerung
von Betrieben oder Betriebsteilen – stellt nach
vorherrschender Rechtsauffassung kein zulässiges Tarifziel
dar. Daher darf hierfür offiziell auch nicht zum Streik
aufgerufen werden. Die Unternehmerfreiheit verdrängt nach
dieser Argumentation in einem solchen Fall die Tarifautonomie.
Kritische Arbeitsrechtler bestreiten dies allerdings. Sie
erklären: »Nach zutreffender Ansicht ist ein Streik
für und gegen unternehmerische Entscheidungen jedenfalls dann
rechtmäßig, wenn diese unmittelbare und schwerwiegende
Auswirkungen auf die Beschäftigten haben können. Das ist
bei einer Betriebsstillegung, -verlagerung regelmäßig
der Fall. Deshalb ist eine Forderung nach einem Verzicht auf
Betriebsänderungen tariflich regelbar und
erstreikbar.«
Aktuell ist das umstritten. Zumeist greifen die Gewerkschaften daher – wie im Fall des KBA-Werks – zum Mittel des »Sozialtarifvertrags«. Mit diesem sollen die sozialen Folgen einer Stillegung oder Verlagerung für die betroffenen Beschäftigten abgemildert werden. Üblich sind beispielsweise Forderungen nach der Einrichtung von »Transfergesellschaften« und Abfindungen. Hierfür darf nach Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gestreikt werden. Die vom Betriebsverfassungsgesetz bei Massenentlassungen vorgeschriebenen Verhandlungen zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat über einen »Sozialplan« sind hiervon unberührt. Laut BAG muß die Gewerkschaft auch nicht das Ende der betrieblichen Verhandlungen abwarten, bis sie zum Arbeitskampf für den »Sozialtarifvertrag« aufrufen darf.
In den meisten solcher Fälle geht es den Beschäftigten um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Wenn sich die Gewerkschaft statt dessen letztlich doch auf Abfindungen bzw. die Einrichtung von »Transfergesellschaften« einläßt und die Kündigungen damit akzeptiert, kommt es häufig zum Konflikt zwischen Teilen der Belegschaft und dem Gewerkschaftsapparat. Dies war beispielsweise im Jahr 2006 bei AEG in Nürnberg und der Berliner Waschmaschinenfabrik BSH der Fall. Seit diesen Erfahrungen greift die IG-Metall-Spitze sehr viel zögerlicher zum Mittel des Streiks für einen »Sozialtarifvertrag«. (dab)
Aktuell ist das umstritten. Zumeist greifen die Gewerkschaften daher – wie im Fall des KBA-Werks – zum Mittel des »Sozialtarifvertrags«. Mit diesem sollen die sozialen Folgen einer Stillegung oder Verlagerung für die betroffenen Beschäftigten abgemildert werden. Üblich sind beispielsweise Forderungen nach der Einrichtung von »Transfergesellschaften« und Abfindungen. Hierfür darf nach Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gestreikt werden. Die vom Betriebsverfassungsgesetz bei Massenentlassungen vorgeschriebenen Verhandlungen zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat über einen »Sozialplan« sind hiervon unberührt. Laut BAG muß die Gewerkschaft auch nicht das Ende der betrieblichen Verhandlungen abwarten, bis sie zum Arbeitskampf für den »Sozialtarifvertrag« aufrufen darf.
In den meisten solcher Fälle geht es den Beschäftigten um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Wenn sich die Gewerkschaft statt dessen letztlich doch auf Abfindungen bzw. die Einrichtung von »Transfergesellschaften« einläßt und die Kündigungen damit akzeptiert, kommt es häufig zum Konflikt zwischen Teilen der Belegschaft und dem Gewerkschaftsapparat. Dies war beispielsweise im Jahr 2006 bei AEG in Nürnberg und der Berliner Waschmaschinenfabrik BSH der Fall. Seit diesen Erfahrungen greift die IG-Metall-Spitze sehr viel zögerlicher zum Mittel des Streiks für einen »Sozialtarifvertrag«. (dab)
Quelle: Berg/Platow/Schoof/Unterinninghofen: Tarifvertragsgesetz und Arbeitskampfrecht, Kompaktkommentar, Frankfurt/Main, Bund-Verlag 2010
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