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Aus: Ausgabe vom 17.09.2011, Seite 16 / Aktion

Radikaler Schnitt

Von Dietmar Koschmieder
Bild 1
Die junge Welt wird schon immer vom Verfassungsschutz beobachtet. Weil sie der »Klassenkampfidee nicht abgeschworen« habe, wie es im aktuellen Bericht der Behörde heißt. Sie ist Gegenstand von bösartigen Pressekommentaren und Polizeiüberfällen. In der Vergangenheit haben bürgerliche Medien allerdings sensibel reagiert, wenn die Staatsanwaltschaft versuchte, mittels Hausdurchsuchungen auf recherchierte Unterlagen der jW-Redaktion zuzugreifen (im Bild: Polizeieinsatz in den Räumen der jungen Welt vom 11.Juni 1996). Oder wenn über Gerichtsverfahren Meinungs- und Pressefreiheit eingeschränkt werden sollten. Weil davon später auch jedes andere Medium, das unbotmäßig berichten will, betroffen sein könnte.

Heute ist das anders. Das liegt auch daran, daß Bereitschaft und Möglichkeit für unbotmäßige Berichterstattung und Recherche schwinden. Statt dessen finden Vokabeln und Bewertungen, die sich bezahlte Staatsschützer zur Verleumdung der jungen Welt ausdenken, leichten Eingang selbst in für links gehaltene Medien. Gespräche mit der jungen Welt hingegen werden möglichst gemieden.

Das gilt auch für die ehemals linksalternative Tageszeitung (taz). In ihrer Ausgabe vom 13. September rät diese der Linkspartei als einzig wirksames Mittel, um sich als »Motor eines rot-rot-grünen Lagers« zu etablieren, zu einem harten »Schnitt mit Stasi-Nostalgikern und autoritären Linken im Dunstkreis der jungen Welt.« Die andere Möglichkeit wäre verbalradikale Polemik: »Und die Ostpragmatiker werden weiterhin murren, ohne je die Machtprobe zu riskieren«. Beide Gedanken waren zuvor in anderen Zeitungen zu lesen. Die Financial Times Deutschland (FTD) forderte am 25. August 2011: »Die Linkspartei muß endlich Konsequenzen ziehen und sich von den Kommunisten abgrenzen.« Im Spiegel Nr. 35 vom 28. August 2011 heißt es unter der Überschrift »Mutlose Bartschisten«: »Doch die Reformer, die sogenannten Bartschisten, wagen den Aufstand nicht, obwohl sie zahlenmäßig in der Mehrheit sind«. Aber immerhin: »Schon macht das Schreckgespenst ›Spaltung‹ die Runde.«


So hätten die Herrschenden die Linkspartei gerne: Als zahnloses Anhängsel irgendeiner politischen Farbkombination. Allerdings stehen da nicht nur Kommunisten und die junge Welt im Wege: Forderungen wie »Weg mit HartzIV«, »Abzug aus Afghanistan«, »Weg mit der Rente mit 67« hält die taz in ihrem Kommentar für ein hinderliches Abgrenzungsmantra. Einen Tag zuvor beschwerte sich das Blatt im Gespräch mit Gregor Gysi: »Oskar Lafontaine hat der jungen Welt demonstrativ solidarisch ein Interview gegeben (…) Waren Sie überrascht oder enttäuscht, daß Lafontaine die junge Welt per Interview unterstützt?« Von taz bis FAZ geht es weniger um Kommunismus oder junge Welt, sondern vielmehr um die Lafontainschen Haltelinien: die müssen weg, um die Linkspartei endlich richtig ankommen zu lassen. Warum die Zeit drängt, beschreibt die FTD im obengenannten Beitrag: »Die Kapitalismuskritik steuert derzeit eine unübersehbare neue Blüte an.« Eine Zeitung und eine Partei, die der Klassenkampfidee noch immer nicht abgeschworen haben, gefallen der Konkurrenz da eben überhaupt nicht.

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Aktionsbüro

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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Leserbriefe zu diesem Artikel:

  • Gerhard Wenzel: Die Junge Welt soll leben! Ich begruesse sehr die Existenz und Arbeit der Jungen Welt, nach meinem Geschmack der besten deutschen Tageszeitung. Ich verurteile die antidemokratischen Angriffe aller Art auf sie. Ohne Junge Welt w...