Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025

Was zunimmt

Erneut waren mehr als 1800 Menschen auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin. Schwerpunkt war internationale Solidarität, und es gab Neues zu jW
Von Arnold Schölzel
Protestresolution zum Mord an drei kurdischen Aktivistinnen in Paris
Mumia Abu-Jamal war per Audiobotschaft zu hören
Jan Degenhardt (r.) und Carlos Ramos
Mehr als sonst eine Zusammenfassung der Konferenz: Gesang der »Internationale«
Der erste Eindruck beim Betreten der Berliner Urania am Sonnabend vormittag: Der Besucherandrang ist so groß wie nie. Die Stände der Verlage, Zeitungen und Organisationen im Erdgeschoß verschwinden lange bevor der erste Referent spricht, hinter Menschenmassen, die Musiker der Gruppe ?Shmaltz! haben Mühe, für ihr Auftaktkonzert Platz zu finden. Sie bestreiten auch den Tagesabschluß bis 22 Uhr im Foyer – erneut dicht umdrängt. Mehr als 1800 Besucher werden schließlich gezählt.

Kabarettist Dr. Seltsam führt wieder durchs Programm und beginnt mit Inländischem: Der »Spalter-Demonstration« zur Erinnerung an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Er bezeichnet die Initiatoren knapp als »Noske-Jugend«. Eine Antwort ist das parallel zur Konferenz stattfindende Treffen von Arbeiterjugendvertretern.

Bestimmend wird über den Tag hin internationale Solidarität. Zu Beginn erheben sich die Anwesenden im Gedenken an die drei in Paris am Mittwoch ermordeten kurdischen Aktivistinnen. Die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (Die Linke), die zeitweilig moderiert, verlangt ebenso wie eine später vorgetragene Resolution (siehe Seite 8) die Aufhebung des PKK-Verbots. Die Teilnehmer verabschieden einen Gruß an den Präsidenten Venezuelas, Hugo Chávez. Die in den USA inhaftierten »Miami Five«, Kubaner die gegen terroristische Aktionen gegen ihr Land arbeiteten, haben eine Botschaft an die Konferenz geschickt. Ebenso die politischen US-Häftlinge Mumia Abu-Jamal, Sundiata Acoli, seit 40 Jahren in Haft, David Gilbert, seit 1981 Gefangener, und Oscar López Rivera (seit 32 Jahren) . Die Texte der drei Letzteren werden von Elsa Rassbach, Victor Grossman und Jean-Theo Jost verlesen.

Der erste Referent ist Carlos Insunza Rojas aus Chile, Mitglied des Zentralkomitees der KP und Gewerkschafter. Seine These: Viele Länder Lateinamerikas befinden sich im 40. Jahr nach der Ermordung Salvador Allendes in einem »postneoliberalen Zyklus«. Aber er nennt erfolgreiche soziale Kämpfe: Der Kampf der Schüler und Studenten »hat das Gesicht Chiles verändert«.

Mit dem Begriff Neoliberalismus sind Massenmorde verbunden, fügt der zweite Referent, Journalist Hernando Calvo Ospina, an. Er liefert eine Chronik des Bürgerkrieges in Kolumbien, von wo er ins französische Exil fliehen mußte. Sein Resümee: Den größten Schub erhielt das Morden, als US-Präsident Ronald Reagan Anfang der 80er Jahre neoliberale Politik durchsetzte.

Der US-Schriftsteller Dan Berger befaßt sich mit dem Gefängniskomplex seines Landes: Etwa 2,5 Millionen Menschen sind in Haft, eine »neue Sklaverei«: Die Zahl der schweren Straftaten sinkt, aber nicht die Zahl der Inhaftierten.

Dann folgt scheinbar ein inhaltlicher Schnitt: Der spanische Schriftsteller und Journalist Ramon Chao erklärt, was der »Don Quijote« des Miguel Cervantes mit dem Kommunismus zu tun hat: Sancho Pansa weiß, daß Gerechtigkeit eine kollektive, nicht auf individuelle Autonomie beschränkte Angelegenheit ist. Analog formuliert Luis Morlote, Präsident der Vereinigung junger kubanischer Schriftsteller, in seinem Referat: »Sozialismus bedeutet Gleichberechtigung.« Er schildert die breite Debatte über wirtschaftliche und soziale Veränderungen auf der Insel, die enorme Rolle, die Bildung, Wissenschaft und Kultur dabei zugemessen wird. Dem ist das westliche Modell kultureller Globalisierung entgegengesetzt, erläutert Ignacio Ramonet, Begründer von ATTAC und Chef von Le Monde Diplomatique Espanol. Er greift das Konferenzmotto »Wer hat Angst vor wem?« auf und schildert: Die Medien Lateinamerikas sind in der Hand der Oligarchien. Sie organisieren Putsche, erleben aber nun, daß die linken Regierungen in einigen Ländern des Kontinents ihnen in die Quere kommen. Soviel Pressefreiheit hatten sie und ihre Freunde im Westen nicht vorgesehen.

Vor der Podiumsdiskussion (siehe Seiten 10/11) berichtet jW-Geschäftsführer Dietmar Koschmieder über die Resonanz auf den Aufruf der jW-Beschäftigten vom 6. Oktober 2012: Sie war überwältigend. Die Zeitung steigerte ihre verkaufte Auflage um mehr als 1000 Exemplare auf über 18000 täglich, der jW-Genossenschaft traten 2012 560 neue Mitglieder bei (davon 274 im vierten Quartal), 80000 Euro wurden gespendet. Koschmieders Fazit: Die Zeitung »kann 2013 in Ruhe arbeiten«, bleibt die Dynamik erhalten, gilt das auch für danach. Er greift ein Zitat aus dem Referat von Ramon Chao auf: »Was zunimmt, kann nicht abnehmen.«

Keine Rosa-Luxemburg-Konferenz ohne künstlerische Beiträge. An diesem Tag liest die Sängerin Gina Pietsch, die zum 60. Todestag von Erich Weinert im April ein Programm in der jW-Ladengalerie ankündigt, Passagen aus dem »Manifest der Kommunistischen Partei«. Jan Degenhardt, Carlos Ramos und Christian Renz tragen Lieder ihrer CD »Schamlos« vor. Jan Degenhardt singt zum Abschluß a cappella »No nos moveran« und intoniert »Die Internationale«. An diesem Abend wirkt sie noch mehr als sonst wie die Zusammenfassung des Tages.

jW-Spezial mit Referaten der Konferenz am 30. Januar. Ab kommender Woche Ausschnitte auf Youtube

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