Aus: Ausgabe vom 13.07.2013, Seite 16 / Aktion
Christlicher Volkszorn
Von Dietmar KoschmiederNach wie vor brennen in Deutschland regelmäßig Asylbewerberheime. Regelmäßig schließt die Polizei einen fremdenfeindlichen Hintergrund aus. Regelmäßig berichten – wenn überhaupt – nur noch die Lokalzeitungen darüber. Das war schon mal anders: Als in den ersten 90er Jahren Flüchtlingsunterkünfte wie in Rostock-Lichtenhagen brannten, berichteten Medien überregional, auch über die applaudierenden Anwohner. Kaum aber über die Polizeibeamten, die von ihren Vorgesetzten daran gehindert wurden, den bedrohten Flüchtlingen zu Hilfe zu kommen. Viele Medien suggerierten, daß solche faschistischen Umtriebe erst mit der Auflösung der DDR möglich gewesen seien. Dabei haben in der alten BRD Nazis schon in den ersten 80er Jahren Flüchtlingsunterkünfte in Brand gesteckt. Interessiert hat das damals, wenn überhaupt, gerade mal die Lokalpresse.
Wenn in Deutschland faschistisches Pack sein Unwesen treibt, darf es mit Milde von Richtern, Staatsanwälten, Politikern und Medien rechnen. Nachdem in Rostock-Lichtenhagen Asylbewerber nur knapp dem Feuertod entgangen sind, wurden die wenigen vor Gericht gestellten Täter weitgehend geschont. In Folge hat man nicht die Aktionsmöglichkeiten von Nazis eingeschränkt sondern das Asylrecht. Geheimdienste, Behörden, Politiker hatten und haben nicht nur beste Kenntnisse über solche und andere faschistische Umtriebe, sie befördern, steuern, finanzieren und decken sie auch des öfteren. Dafür gibt es nur eine Erklärung: Nazis werden von ihnen gebraucht. Auch wenn sie den Herrschenden selbst gelegentlich – wegen Standortfragen und so – lästig sind.
Nazis finden auch unter den Normalbürgern immer wieder Dummbeitel, die deren menschenverachtende Gesinnung teilen. In der Berliner Zeitung vom Freitag liest sich das dann so: »Andererseits gibt es auch unter SPD-Wählern Abneigung gegen Fremde, was ein Wahlkreisabgeordneter (der SPD, dk) berücksichtigen muß.« Im Berliner Stadtteil Marzahn-Hellersdorf soll eine Schule, die wegen Schülermangel geschlossen wurde, zur Asylbewerberunterkunft umgebaut werden. Dagegen regt sich Protest, sichtbar befeuert von NPD- und anderen Nazis. Die Kritik an von CDU geführten Bezirken wie Zehlendorf oder Reinickendorf, die sich erfolgreicher gegen solche Unterkünfte wehren konnten, erbost den christdemokratischen Integrationspolitiker Burkard Dregger. »Nur drei von zehn Asylbewerber würden ja überhaupt nur anerkannt, ›und wenn wir die anderen nicht konsequent abschieben, werden wir bei den Menschen keine Akzeptanz für die Flüchtlingsproblematik gewinnen‹, sagt Dregger. Der Zorn der Bürger dürfe sich aber nicht gegen die Flüchtlinge richten, ›sondern gegen die Politiker, die ständig fordern, daß alle eingereisten Asylbewerber hierbleiben können.‹« (Berliner Zeitung, 12.07.13) Handgreiflicher Volkszorn ist also durchaus gewünscht, Nazis und andere, die sich unter deren Maulführung aus der Deckung trauen, sollen ihn aber weniger gegen anerkannte Asylanten, sondern mehr gegen linke Politiker und abgelehnte Asylbewerber richten. Dann hat alles seine christlich-soziale Ordnung.
Ansonsten könnten wieder, wie damals in Rostock-Lichtenhagen, Unterkünfte von Flüchtlingen brennen, wird in Medien gemutmaßt, von rechtslastigen Bürgern und Politikern unverhohlen gedroht. Faschistische Umtriebe lassen sich immer gut als Drohkulisse nutzen. Wobei diese dann in der Presse nicht einfach nur nationalistisch, sondern verfälschend als national-sozialistisch bezeichnet werden. Als ob das braune Pack die Interessen einfacher Menschen vertreten würde. Und als ob die Herrschenden Nazis an langen Leinen laufen lassen, damit sie ihnen schaden.
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