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Aus: Ausgabe vom 24.08.2013, Seite 16 / Aktion

Sicherheit und Ordnung

Mindestens 400 Polizisten schützten am Donnerstag in Berlin nicht einfach nur sieben Rechte. Sie übten Krieg gegen die Bürger
Von Dietmar Koschmieder
jW-Geschäftsführer Dietmar Koschmieder (Mitte) stellt
jW-Geschäftsführer Dietmar Koschmieder (Mitte) stellt die Kabeldiebe zur Rede
Vor etwas mehr als 80 Jahren, kurz vor dem Reichstagsbrand, besetzten Berliner Polizisten und NSDAP-Faschisten das Karl-Liebknecht-Haus, die KPD-Zentrale am heutigen Rosa-Luxemburg-Platz. Schwärme von Polizisten seien herbeigeströmt, hieß es in einem Bericht der Roten Fahne, die das Haus umstellten und durchsuchten. Drei Wochen später wurde es zur »Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zur Abwehr auch in Zukunft zu erwartender kommunistischer Umtriebe« enteignet.

Am vergangenen Donnerstag tauchten vor dem Karl-Liebknecht-Haus erneut Dutzende unterschiedlicher Polizeifahrzeuge und Hunderte von Polizisten, begleitet von einer Handvoll Pro-Deutschland-Rechter, vor dem traditionsreichen Haus auf. Auch diesmal ging es um die Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit. Sieben Pro-Deutschland-Hanseln und ein Vertreter der Alternative für Deutschland warnten vor kommunistischen Umtrieben. Die mehrfach von Bürgern und Journalisten gestellte einfache Frage, wieso dafür so ein riesiges Polizeiaufgebot notwendig sei, beantworteten die Beamten ebenfalls sehr simpel: Sie seien ja nicht wegen der Rechten da.

Das Karl-Liebknecht-Haus war jedenfalls an allen zugänglichen Stellen von Polizeifahrzeugen eingekreist, in der Regel mit der Fahrzeugspitze zum Haus gestellt. Das ist schon deshalb erstaunlich, weil die Rechten vom Gebäude durch Polizeisperren und Gitter abgetrennt waren. Auffallend auch, daß neben den Schwärmen von uniformierten Polizisten auch Schwärme von nichtuniformierten Einsatzkräften in unterschiedlichster Montur zum Einsatz kamen. Selbst einige der Polizeibeamten hielten das alles für völlig überzogen.


Die Rechten verschwanden in einen Kleinbus und zogen weiter zur Redaktion des Neuen Deutschland. Auch die Polizeischwärme verschwanden in die vielen Kraftfahrzeuge, die Straßensperren wurden eingepackt, und demonstrativ zog das Riesenaufgebot wieder ab. Aber nur, um etwa zwei Stunden später vor der jungen Welt wieder aufzutauchen. Das bundesweit zusammengekratzte Häuflein von sieben Rechtsradikalen fand auch hier kaum Beachtung, Gegendemonstranten sorgten für die richtige Begleitmusik. Auf der Terrasse der jungen Welt präsentierten sieben jW-Mitarbeiter ihre Ärsche mit der Aufschrift Po Deutschland in Richtung der Nazikasper. Als dann aber von der jW-Terrasse laute Musik erscholl, wurde das von Polizeibeamten mit dem Argument, es könnte die Rechten ja stören, unterbunden. Mehrfach wurden die Beamten darauf hingewiesen, daß sich die junge Welt nicht das Recht auf Meinungsäußerung nehmen lasse, und die Beamten zur Herausgabe der Kabel und zum Verlassen des Firmengeländes aufgefordert. Dieser illegale Auftritt von Beamten in diversen Uniformen und in Zivil wurde erst beendet, als die junge Welt eine Spontankundgebung mit dem Titel »Schützen wir die junge Welt« angemeldet hatte. Die Polizeibeamten filmten während und nach der Kundgebung Passanten und Teilnehmer – was nach einem Verwaltungsgerichtsurteil aus dem Jahre 2010 ebenfalls illegal ist: Videoüberwachung bei friedlichen Kundgebungen ist ein Eingriff in die Versammlungsfreiheit. Das vollkommen überzogene Auftreten der Polizei empörte auch Anwohner und Mitmieter im Objekt Torstraße 6.

Wenn aber der große Aufmarsch nicht wegen der sieben Prodeutschen veranstaltet wurde, bleibt die Frage, welchem Zweck er diente. Einschüchterung allein war es nicht: Die Einkreisung des Karl-Liebknecht-Hauses oder der Einsatz diverser Spezialfahrzeuge wie eine im Privatvan getarnte Kommandozentrale, aber auch Einsatzbefehle wie die Anordnung, die jW-Terrasse zu stürmen und Durchsagen wie Musik von dort unwirksam zu machen, deuten darauf hin, daß rechte Auftritte genutzt werden, den Krieg gegen die Bürger zu trainieren. Politische wie wirtschaftliche Probleme können nicht mehr gelöst werden, soziale Verwerfungen sind die Folge, die zu Widerstand und Unruhe führen. Man bereitet also nicht die Lösung der sozialen Probleme vor, sondern die Unterdrückung der durch sie verursachten sozialen Proteste. Daß dabei besonders linke Bewegungen, Medien und Parteien scharf beargwöhnt werden, ist nicht überraschend.

Es genügt aber bereits, den Rechten nicht freundlich genug zu begegnen, um nicht nur von Nazis, sondern auch von der Polizei drangsaliert zu werden. Am Dienstag abend wurde eine Reporterin des Berliner Kuriers auf einer NPD-Kundgebung von einem Nazi niedergeschlagen. Während der rechte Täter schon zur nächsten Kundgebung unterwegs war, hielt die Polizei die verletzte Reporterin weiter fest. Auch in einer Presseerklärung übernahm später die Polizei die Darstellung des Nazis, die Reporterin hätte versucht, ein Lautsprecherkabel zu manipulieren. Gegen sie wurde wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz ermittelt. Der Eindruck der eingesetzten Kräfte sei gewesen, daß es sich bei der Frau um eine Gegendemonstrantin gehandelt habe, wurde mitgeteilt.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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