75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Mittwoch, 27. November 2024, Nr. 277
Die junge Welt wird von 2993 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 26.04.2014, Seite 16 / Aktion

Sag mir, wo du stehst

Manche meinen, Begriffe wie rechts und links seien out. Damit werden Klassenwidersprüche verschleiert
Von Dietmar Koschmieder
Kundgebung auf dem Potsdamer Platz am vergangenen Montag
Kundgebung auf dem Potsdamer Platz am vergangenen Montag
Wir leben in Zeiten nicht nur sprachlicher Irrungen und Wirrungen. So glaubten manche, daß mit dem Ende der DDR und des sozialistischen Lagers das Ende der Geschichte, zumindest aber das der alten Kategorien eingetreten sei: Der Weltfrieden sei nicht länger durch die Blockkonfrontation bedroht, Begriffe wie links und rechts oder Klassen und Klassenkampf seien gleichsam mit den sozialistischen Staaten obsolet geworden.

Nun braucht man kein studierter Marxist-Leninist zu sein, um zu erkennen, daß es dann doch ganz anders kam. Denn wenn auch die real existierenden sozialistischen Länder mit wenigen Ausnahmen von der Weltbühne verschwanden, blieben da doch noch die real existierenden kapitalistischen Länder. Nur daß sich deren Kapitalismus seither viel ungehemmter entwickeln kann: Sozialer und demokratischer Klimbim, in harten Klassenkämpfen errungene Rechte und Standards werden nicht nur in der zweiten und dritten, sondern auch in der ersten Welt immer mehr ausrangiert. Krieg nach innen und außen als Mittel zur Durchsetzung von Klasseninteressen hat nicht etwa ausgedient – sondern findet zu neuer Blüte.

Organisierte Gegenwehr gibt es kaum: Gewerkschaften tun sich schwer damit, unter den neuen Bedingungen effektive Kampfformen anzuwenden. Sozialen Bewegungen fehlen Analysen und Konzepte, um von spontaner zur bewußten und zielgerichteten Organisation zu kommen. Die Kommunistische Partei, die solche Inhalte anbieten könnte, ist viel zu schwach und auf sich selbst konzentriert. Die Linkspartei organisiert nicht Unzufriedene und Widerstand, sondern ist vorrangig damit beschäftigt, sich mehr oder weniger reibungslos in das überlebte bürgerliche System zu integrieren.


Die Akteure in diesem System inklusive ihrer Medien befinden sich allerdings in einer schweren Legitimationskrise: Immer mehr Menschen erkennen, daß bürgerliche Konzepte und Kultur nicht ihre Interessen vertreten, sondern Instrumente der Herrschenden sind. Deren Handeln orientiert sich nicht an den Interessen der Menschen, sondern an den Gesetzen des kapitalistischen Marktes. Deshalb muß ihr Personal für optimale Kapitalverwertungsbedingungen sorgen. Das geht nicht mehr ohne immer massiveren Sozial- und Demokratieabbau und Krieg. Ihren Medien gelingt es immer weniger, diese Klassenwidersprüche zu verschleiern.

Allerdings bringen diese Verhältnisse auch jene hervor, die dies versuchen sollen. Da tauchen neue Führer mit der alten Behauptung auf, Kategorien und Begriffe wie links und rechts oder Klassen und Klassenkampf seien out. Weil sich die heutige Gesellschaft nicht mehr hauptsächlich in Arbeiter und Kapitalisten spalten würde. Das sei nur früher mal so gewesen. Heute gäbe es eine andere Spaltung: Hier die 99 Prozent der Ehrlichen und Arbeitenden inklusive dem arbeitenden Kapital – und dort das eine Prozent der internationalen Finanzoligarchie. Eine neue Volksgemeinschaft sei nötig, die dieses alte Denken von links und rechts überwindet und sich gegen das raffende Kapital stellt.

Dieses angeblich neue Denken gibt es, seit es Begriffe wie rechts und links, Klasse und Klassenkampf gibt. Der Kapitalismus konnte sich erst mit dem Ende des Realsozialismus wieder ungehemmt entwickeln, damit hat sich aber die historische Mission der Arbeiterklasse, den Sozialismus zu erringen, keineswegs erübrigt: Sie drängt immer mehr auf die Tagesordnung. Daran werden auch die neuen Heilsbringer nichts ändern.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Mehr aus: Aktion

                                 Heute 8 Seiten extra – Beilage zum Thema: Junge Welt-Fotowettbewerb