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Aus: Ausgabe vom 03.05.2014, Seite 16 / Aktion

Kreuz statt Hakenkreuz

Rechte verschleiern mit Worten und bedrängen auch juristisch diejenigen, die anderer Meinung sind und für Klarheit sorgen wollen
Von Dietmar Koschmieder
Jürgen Elsässer als Redner auf »Montagsdemonstra
Jürgen Elsässer als Redner auf »Montagsdemonstration« am 21.4.2014 in Berlin
Schwarzbraun ist die Haselnuß, schwarzbraun ist auch Schlagersänger Heino. Aber Nazi darf man ihn nicht nennen, ohne daß der dann seine Anwälte in die Spur schickt, wie letzte Woche dessen Kollege Jan Delay erfuhr. Die Leipziger Linke-Stadträtin Margitta Hollick mußte sich ihr Recht, einen (Ex-)NPD-Mann Nazi nennen zu dürfen, erst vor Gericht erstreiten. Zunächst sollte sie 1600 Euro Geldstrafe dafür bezahlen, weil der sie verklagte. Der (Ex-)CDU-Abgeordnete Martin Hohmann, der in einer Rede 2003 unter anderem gesagt hat, man könne Juden mit einiger Berechtigung als »Tätervolk« bezeichnen, hat juristisch durchgesetzt, daß man lediglich äußern darf, daß man der Meinung sei, Hohmann habe dies gesagt. Und der exlinke und neurechte Heftchenmacher Jürgen Elsässer verlangt gegenwärtig von Jutta Ditfurth eine Unterlassungserklärung und Schadensersatz und droht mit weiteren juristischen Konsequenzen, weil diese ihn am 16. April in einem TV-Gespräch als Antisemiten einschätzte.

Es gehört zur Strategie der Rechten, politische Absichten und Meinungen zu verschleiern. Politische Auseinandersetzungen werden immer mehr von juristischen flankiert, Kritiker sollen per Gericht zum Schweigen gebracht werden. Elsässer, der noch vor Jahren als einer der Miterfinder der Antideutschen Antisemitismus verharmloste, indem er dieses Etikett aus taktischen Gründen jedem umhängte, der ihm politisch nicht paßte, macht es heute andersrum. Auf einer Montagsdemo der neurechten Friedensbewegung beschuldigte er am 21. April eine »supranationale Gelddynastie« für die Übel der Welt verantwortlich zu sein – früher war das Weltfinanzjudentum dafür zuständig. Das Ganze habe weder mit Antisemitismus noch mit Religion zu tun, wenn man jüdische Geldsäcke angreift, denn egal ob Jude, Christ oder Moslem, Geldsäcke seien ja in Wirklichkeit gottlos und würden nur einen Götzen kennen: Den kalten Mammon! Da sie Täter seien, sind sie gottlos und daher ja genaugenommen auch keine Juden mehr. Und wer sie kritisiert, könne daher auch kein Antisemit sein. Natürlich wird da im Namen von Klarheit und Wahrheit verschleiert, gehe es lediglich um Gerechtigkeit, und dabei steht man nicht mehr auf der linken oder rechten, sondern nur noch auf der richtigen Seite!

Diese Muster sind uralt, man wird nicht nur in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts fündig, wenn man Vergleichbares sucht. So sprach der damalige MdB und Christdemokrat Martin Hohmann zum Nationalfeiertag am 3. Oktober 2003: »Wir wollen uns über das Thema Gerechtigkeit für Deutschland, über unser Volk und seine etwas schwierige Beziehung zu sich selbst einige Gedanken machen«, steigt er in seine Rede ein. Mit vordergründigen Erscheinungen, daß etwa der soziale Rechtsstaat von Ausländern und Sozialschmarotzern ausgenutzt werde, hält er sich nicht lange auf. Erwähnt kurz Anfragen an die Bundesregierung, zum Beispiel, ob diese sich, nach Zahlungen an jüdische und ausländische Zwangsarbeiter, nun auch für deutsche Zwangsarbeiter einsetze? Und ob diese bereit sei, angesichts des Rückgangs deutscher Steuereinnahmen die Entschädigungszahlungen an – vor allem jüdische – Opfer des Nationalsozialismus nach unten anzupassen? Weil die Regierung ihm mit Nein geantwortet habe, sei er, Hohmann, nachdenklich geworden. Für andere müßten wir Deutschen also den Gürtel enger schnallen. Das läge an der deutschen Geschichte. Im Kern bleibe der Vorwurf: Die Deutschen sind das Tätervolk. Vor diesem Hintergund fragt Hohmann: Waren die Juden nicht auch Täter?

Hauptbestandteil seiner Rede ist seine Antwort auf diese Frage: Schon der Autokönig Henry Ford habe in einem Buch die Juden generalisierend als Weltbolschewisten angegriffen. Er habe einen »alljüdischen Stempel« auf dem roten Rußland ausgemacht, es gäbe eine Wesensgleichheit von Judentum und Kommunismus. Ein Jude namens Teilhaber habe schon 1919 gesagt, daß an der Wiege von Sozialismus und Kommunismus jüdische Denker standen. Die Juden Karl Marx und Kurt Eisner seien gläubige Soldaten der Weltrevolution gewesen. Konkret stellt Hohmann dann die Frage: »Wie viele Juden waren denn nun in den revolutionären Gremien vertreten?« Um auch hier gleich die Antworten zu liefern: Im siebenköpfigen Politbüro der Bolschewiki: vier Juden! Von den 21 Mitgliedern des ZK waren sechs Juden, also 28,6 Prozent! Auch in Deutschland 1924: von sechs KP-Führern vier und damit zwei Drittel jüdisch! Von 48 Volkskommissaren in Ungarn – 30 jüdisch! »In der Ukraine waren sogar 75 Prozent der Tschekisten Juden«. Dann wird mit der Münchner Räterepublik abgerechnet: Kurt Eisner, Eugen Leviné, Tobias Achselrod und andere – alles jüdische Führer! Und alleine in der Ukraine hätten »unter maßgeblicher Beteiligung jüdischer Tschekisten« weit über zehn Millionen Menschen den Tod gefunden (die meisten seien an Hunger zugrunde gegangen). Christen habe die jüdisch-bolschewistische Revolution erschlagen und Kirchen geschändet! Der Zar und seine Familie seien ermordet worden – von Juden! Gut, auch religiöse Juden waren der Verfolgung ausgesetzt, wird in einem Satz bekannt. Zusammenfassend wird der amerikanische Präsident Woodrow Wilson zitiert, der damals schon erkannte, daß die bolschewistische Bewegung jüdisch sei. Hohmann beendet seine krude Aufzählung (die hier nicht vollständig wiedergegeben wird) mit den Worten: »Daher könne man Juden mit einiger Berechtigung als Tätervolk bezeichnen«.

Das war selbst seiner Partei zu viel, wegen dieser Rede flog er aus der CDU. Seither verfolgt er aber alle, die ihn mit diesem Satz wörtlich zitieren, zuletzt und nicht zum ersten Mal auch die Tageszeitung junge Welt. Die hatte am 27. Februar 2014 geschrieben, Hohman sei 2004 aus der CDU ausgeschlossen worden, weil er in einer Rede Juden als Tätervolk bezeichnet und für die Oktoberrevolution in Rußland und den anschließenden Bürgerkrieg verantwortlich gemacht hatte. Laut Hohmann sei das unwahr, weil es sich um eine Zwischenerwägung, eine reine Denkmöglichkeit gehandelt habe. Den Satz gesagt hat Hohmann trotzdem.

Tatsächlich dreht Hohmann ganz zum Schluß seiner Rede aber eine rhetorische Pirouette. Man könne die Juden gar nicht als Tätervolk bezeichnen, wie man auch die Deutschen nicht als Tätervolk bezeichnen könne. Denn die Täterjuden hätten ja zuvor ihre religiösen Bindungen gekappt, genauso wie die Täterdeutschen ihre Religion abgelegt hätten, bevor sie Täter wurden. Bolschewismus und Nationalsozialismus verbinde Religionsfeindlichkeit und Gottlosigkeit: »Die Gottlosen mit ihren gottlosen Ideologien, sie waren das Tätervolk des letzten, blutigen Jahrhunderts«. Deutsche und Juden gleichermaßen Opfer der Roten und Braunen? Nach dieser Logik wäre Hitler womöglich gar der Befreier gewesen, wenn er die rote Sowjetunion vom jüdischen Bolschewismus hätte »befreien« können – unter dem Zeichen des Kreuzes statt des Hakenkreuzes.

Sicher ist, daß Hohmann und Elsässer sich selbst nicht offen als Antisemiten bezeichnen. Das wird aber weder Jutta Ditfurth noch die junge Welt und andere davon abhalten, sie als das zu bezeichnen, was sie sind. So viel Meinungsfreiheit muß sein. Wir werden über die laufenden Prozesse berichten.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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