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Aus: Ausgabe vom 21.11.2015, Seite 16 / Aktion

Haftbefehl für jW-Geschäftsführer?

Am kommenden Mittwoch findet der zweite Prozesstag statt
Von Denis Gabriel

Wenn der Staat aus »politischen Gründen«, wie ausdrücklich mitgeteilt wird, NPD-Prominenz und braune Anhängerschaft direkt vor den Räumen der antifaschistischen Tageszeitung junge Welt demonstrieren lässt, dürfen sich dessen Behörden nicht wundern, wenn das von den Mitarbeitenden von Verlag und Redaktion sowie Gästen und Freunden nicht auch noch beklatscht wird. Statt dessen fliegen an jenem 17. Juni 2011 mit Wasser gefüllte Luftballons vom Balkon der jungen Welt. Nachdem die Nazis abgezogen sind, machen Polizeikräfte Jagd auf »Täter«, weil sie das Schwenken von roten Fahnen, Werfen mit Wasserbeuteln und das Erzeugen von Geräuschen mit Kochgeschirr für strafbare Handlungen halten. Als sie dazu Gäste der jungen Welt einkesseln und der Geschäftsführer der Zeitung, Dietmar Koschmieder, sich deshalb beschwert, wird auch dieser drangsaliert. Da er sich weigert, der Polizei ohne Angabe von Gründen und ohne Begleitung eines Kollegen zu folgen, soll er mit Gewalt abgeführt werden. Seine absolut passive Handlung wird ihm im Nachhinein als Widerstandshandlung angelastet, für die er 1.500 Euro Strafe zahlen soll. Da er Widerspruch einlegt, kommt es zum ersten Gerichtstermin am 17. Mai 2013. In der Ladung dazu wird ihm noch recht freundlich mitgeteilt, dass sein Widerspruch abgelehnt wird, falls er ohne ausreichende Entschuldigung zum Termin nicht erscheint. Koschmieder erscheint, aber der Staatsanwalt nicht (natürlich ohne Entschuldigung) – der Termin platzt. Zum zweiten Termin am 4. November 2015 der gleiche freundliche Hinweis – diesmal ist die Staatsanwaltschaft anwesend. Der Prozess wird nach Vernehmung des ersten Polizeizeugen abgebrochen und auf den 25. November 2015 vertagt. Allerdings ist der Hinweis in der Ladung Koschmieders diesmal weniger freundlich: »Wenn Sie ohne genügende Entschuldigung ausbleiben, ist Ihre Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, wobei entsprechende Zwangsmaßnahmen auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt sind.« Vielleicht nur ein freundlicher Hinweis, bitte rechtzeitig zu emigrieren? Oder nur ein lächerlicher Vorgang? Ungefähr so lächerlich wie dieser: Eine jW-Besucherin wurde zu 900 Euro Geldstrafe verurteilt, weil sie sich an besagtem Tag an der Aktion gegen die NPD beteiligt habe – »indem Sie zwischen 18.49 und 18.50 Uhr versuchten, einen Redebeitrag der Kundgebung dadurch zu stören, dass Sie wiederholt mit einer Suppenkelle auf einen Gastronorm-Behälter schlugen«. (O-Ton Gericht) Esther Bejarano, Musikerin und Auschwitz-Überlebende, brachte es diese Woche in der TV-Sendung »Die Anstalt« auf den Punkt: »Wer gegen die Nazis kämpft, kann sich auf den Staat überhaupt nicht verlassen«. Die Verhandlung findet am kommenden Mittwoch (25.11.) um 13 Uhr im Raum 135 im Amtsgericht Tiergarten (Turmstraße 91, 10559 Berlin) statt.

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