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Aus: Ausgabe vom 11.03.2024, Seite 5 / Inland
Glücksspielsucht

Wenn Glücksspiel zur Sucht wird

»Survey 2023« von Forschungsinstitut und Uni Bremen: 2,4 Prozent aller Befragten stark gefährdet
Von Gudrun Giese
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Als riskant gelten vor allem Spielformen, bei denen sich die Ereignisse schnell abwechseln sowie die Zeitspanne zwischen Geldeinsatz und Ergebnis sehr kurz ist wie bei Automatenspielen

»Glücksspiel kann süchtig machen«, heißt es im Kleingedruckten jedes Werbeplakats von »Lotto 6 aus 49«. Dabei sind andere Spiele dieser Kategorie erheblich gefährlicher. Das zeigt der »Glücksspielsurvey 2023«, den das Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD) und die Universität Bremen in der vergangenen Woche veröffentlichten.

Eine psychische Störung durch regelmäßiges Glücksspiel war demnach bei 2,4 Prozent der Befragten im Alter zwischen 18 und 70 Jahren erkennbar. Ein riskantes Spielverhalten konnte bei 6,1 Prozent nicht ausgeschlossen werden. Die Risiken für glücksspielbedingte Probleme hingen sehr stark von der Art des gewählten Spiels ab, erklärte Gerhard Mayer von der Universität Bremen. Als riskant gelten vor allem Spielformen, bei denen sich die Ereignisse schnell abwechseln sowie die Zeitspanne zwischen Geldeinsatz und Ergebnis sehr kurz ist wie bei Automatenspielen und Livesportwetten. »Der Glücksspielsurvey 2023 soll dazu beitragen, das Wissen über die Art und Intensität der Teilnahme am Glücksspiel und die damit in Zusammenhang stehenden Probleme zu vertiefen«, sagte Projektleiter Jens Kalke vom ISD. Die Untersuchungsergebnisse könnten dazu beitragen, den Spieler- und Jugendschutz zu evaluieren und zu verbessern.

Zwischen dem 1. August und dem 16. Oktober 2023 führte die Info GmbH Markt- und Meinungsforschung aus Berlin im Auftrag von ISD und Uni Bremen insgesamt 12.308 Telefon- und Onlineinterviews. Finanziell gefördert wurde die Studie vom Deutschen Lotto- und Totoblock. Die Befragung ergab, dass zwischen dem vierten Quartal 2022 und dem dritten Quartal 2023 insgesamt 36,5 Prozent der Befragten an mindestens einem Glücksspiel um Geld teilgenommen hatten, die meisten (19,8 Prozent) an der Lotterie »6 aus 49«. Beim »Eurojackpot« spielten 13 Prozent mindestens einmal mit, Rubbellose erwarben 7,6 Prozent, ein Los der Lotterie »Aktion Mensch« kauften 7,3 Prozent. An einem riskanten Glücksspiel nahmen 6,9 Prozent der Befragten teil. Ein thematischer Schwerpunkt der Forscher war das soziale Umfeld von Menschen mit glücksspielbezogenen Problemen, weil »Angehörige oder engere Freunde/Bekannte (…) oftmals selbst erheblichen finanziellen, sozialen und gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt« seien, »die mit der Erkrankung der ihnen nahestehenden Person einhergehen«, erklärte Studienmitautor Sven Buth. Für diese Menschen sollten verstärkt niedrigschwellige Beratungs- und Hilfeangebote entwickelt werden.

Von seiten der privaten Glücksspielbranche gab es Kritik an der ISD-Studie, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in ihrer Donnerstagausgabe berichtete. Die Branche stützte sich auf Katharina Schüller aus dem Vorstand der Deutschen Statistischen Gesellschaft, die im »Glücksspielsurvey 2023« statistische Mängel ausmachte. So sei die Datenerhebung per Onlinebefragung möglicherweise fehlerhaft. Außerdem habe das Institut die Kriterien für die Definition riskanten Glücksspiels die Schwelle herabgesetzt. Insgesamt falle auf, dass der Anteil der Menschen mit krankhaftem Spielverhalten deutlich zugenommen habe, seit das ISD die Untersuchung verantworte. Bereits für den »Survey 2021« war der Anteil risikobehafteter Glücksspieler auf 2,3 Prozent beziffert worden. Dagegen hatte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die zwischen 2009 und 2019 eigenständig Daten zu der Thematik erhob, stets von rund 200.000 erwachsenen Menschen geschrieben, die ein krankhaftes Spielverhalten aufwiesen, das entsprach 0,34 Prozent.

ISD-Projektleiter Kalke erklärte gegenüber der FAZ, dass die Kriterien für riskantes Verhalten auch bei Tabak- und Alkoholsucht angepasst worden seien. Die Ergänzung der Telefon- durch eine Onlinebefragung begründete er mit dem veränderten Verhalten der Befragten. So sei über eine »rein telefonische Abfrage kein repräsentatives Bild der Gesellschaft mehr zu bekommen«. Der Streit über Erhebungsmethoden sollte im übrigen nicht verdecken, dass krankhafte Spielsucht in jedem Fall höchst problematisch sei.

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