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Aus: Ausgabe vom 21.03.2024, Seite 7 / Ausland
Nahostkonflikt

Unstimmigkeit unter Freunden

Gazakrieg: USA und Israel wollen Strategie gegenüber Hamas beraten. Washington geht es vor allem um Gesichtswahrung
Von Jörg Tiedjen
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»Komplizen«: Für Demonstranten in Jordaniens Hauptstadt Amman ist die Mitschuld der USA am Massaker in Gaza erwiesen (18.10.2023)

Während in Gaza die Hungersnot um sich greift, sind Israel und die USA uneins, wie es mit dem Krieg in dem Küstenstreifen weitergehen soll. Das ist das Thema von zwei Berichten, die am Dienstag und Mittwoch von der US-Nachrichtenseite Axios und der israelischen Onlinezeitung Times of ­Israel (TOI) veröffentlicht wurden. Demnach halten beide Seiten an dem Ziel fest, die islamistische palästinensische Organisation Hamas zu vernichten. Nur wolle Israels Regierung dies unmittelbar durch eine Bodenoffensive in Rafah erreichen, für die Premierminister Benjamin Netanjahu bereits grünes Licht gegeben hat. Washington dagegen mahne ein diplomatischeres Vorgehen an und sehe in einem direkten Angriff auf die Grenzstadt zu Ägypten die Gefahr, dass das Ansehen Israels und seiner Verbündeten weiter beschädigt würde, Verträge mit arabischen Staaten in Gefahr gerieten und schließlich auch ein Todesstoß gegen die Hamas vereitelt werden könne.

Anlass der Recherchen, die sich vor allem auf Aussagen anonymer US-Beamter stützen, sind in der kommenden Woche in Washington bevorstehende israelisch-US-amerikanische Beratungen über die Strategie in Gaza. Diese hatte US-Präsident Joseph Biden am Montag in einem Telefonat mit Netanjahu eingefordert. Dabei wolle die US-Seite »alternative Pläne vorlegen, wie Israel die Verfolgung der Hamas fortsetzen kann, ohne eine größere Bodenoperation in Rafah zu starten«, wie TOI schreibt. Axios zufolge gehe es aber vor allem darum, »einen drohenden Konflikt zwischen den USA und Israel zu vermeiden«. Denn »die Regierung Biden lehnt eine israelische Operation in Rafah strikt ab und hat erklärt, sie sei besorgt, dass Israel keinen umsetzbaren Plan zum Schutz der Palästinenser habe«, behauptet Axios. Laut TOI allerdings hätten die namenlosen Quellen dies relativiert: »Wir sagen nicht einfach: ›Nein, das könnt ihr nicht tun.‹ Wir sagen, dass wir bereit sind, mit ihnen an praktikablen Alternativen zu arbeiten, die ihnen trotzdem helfen, ihre Ziele zu erreichen.«

Im Mittelpunkt des »alternativen Ansatzes« stehe dabei die Sicherung des sogenannten Philadelphi-Korridors, einer Art Pufferzone zwischen Gaza und Ägypten, die für geheime Waffentransporte durchlässig sei. Laut TOI hätten die Informanten vermieden, »die ägyptische Regierung für den Schmuggel verantwortlich zu machen, der in den vergangenen 15 Jahren für die Aufrüstung der Hamas mitverantwortlich war. Sie sagten jedoch, dass eine neue Vereinbarung mit Kairo und der Aufbau der notwendigen Infrastruktur zur Unterbrechung der Schmuggelroute für die Zerschlagung der Hamas entscheidender seien als eine große Bodenoffensive in Rafah.« Kurzum: Die USA lehnen das von Netanjahu angekündigte Vorgehen des israelischen Militärs in Rafah keineswegs grundsätzlich ab, wie Axios angibt. Sie wollen nur imageschädigende »Kollateralschäden« vermeiden und die Prioritäten anders gewichten. Israel solle vor allem erkennen, dass es von einer »Strategie der verbrannten Erde« gegenüber Hamas abrücken müsse.

Allerdings bemerkt TOI auch, dass ein Angriff von Bodentruppen auf Rafah gar nicht unmittelbar bevorstehe, »da Israel die meisten seiner Reservisten aus Gaza abgezogen hat und wahrscheinlich Tausende wieder einberufen werden müssten, bevor eine größere Offensive beginnen könnte«. Das ließe die Deutung zu, dass Israels Kriegskabinett nach einer Exitstrategie sucht, um den Konflikt mit den Palästinensern gesichtswahrend zu beenden. »Das Gerede über eine bevorstehende Operation in Rafah scheint Teil von Bemühungen zu sein, Druck auf die Hamas auszuüben, damit sie einem Geiselabkommen zustimmt«, heißt es entsprechend bei TOI. Allerdings wäre das eine Verharmlosung der Realität vor Ort, wo die Kämpfe um das Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt fortgesetzt werden und allein von Dienstag auf Mittwoch »104 Menschen durch israelische Angriffe getötet und 162 weitere verwundet wurden«, wie die Agentur WAFA meldete. Der palästinensische Journalist Hossam Schabat kommentierte am Mittwoch auf der Plattform X: »Wir werden ausgelöscht, und die Welt sieht zu.«

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (21. März 2024 um 11:01 Uhr)
    Nach mehreren Wochen hatten der US-Präsident und der Premier am Montagabend erstmals wieder telefoniert. In der Zwischenzeit war der Ton zwischen Washington und Jerusalem rauer geworden. Biden sprach von einem »Come to Jesus«-Moment, vergleichbar mit einer Phase der Besinnung und einem Sinneswandel. Er signalisierte, dass er mit Netanjahu »tacheles« reden wollte. Die jährlichen Sicherheitsberichte der US-Geheimdienste deuteten auf ein bevorstehendes Ende der Regierung Netanjahu hin. Nun bleibt abzuwarten, ob endlich der Hund mit dem Schwanz wedeln wird und nicht umgekehrt!

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