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Aus: Ausgabe vom 21.03.2024, Seite 8 / Ansichten

Captain Obvious des Tages: World Happiness Report

Von Felix Bartels
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Das Glück vor Augen: Europas Kinder

Dumm sein und Arbeit haben, das ist das Glück. So weit Gottfried Benn. In der Arbeit steckt die Möglichkeit zum Glück, nicht seine Wirklichkeit. Die Dummheit hilft, diesen Mangel zu ertragen. Echtes Glück, sagt Benn demnach, gibt es nicht. Aristoteles widersprach ihm, im voraus. Das wahrhaft glückliche Leben sei das philosophische, das irgendwie auch noch glückliche das politische. Wenn du schon nichts checkst, sei wenigstens gut.

Wann einer eigentlich glücklich ist, darauf scheint sich keiner mit keinem, ja nicht einmal irgendwer mit sich selbst einigen zu können. Verbreitet ist ein Verständnis von Glück als Abwesenheit von Unglück: Glück ist, wenn mir niemand auf den Sack geht. Doch wie man eine Freiheit von und eine Freiheit zu unterscheidet, reicht auch eine bloß negative Definition von Glück nicht hin. Zudem ist die positive die stärkere. Sie lässt sich mit Inhalt füllen und gewährt die Möglichkeit, Momente des Unglücks zu integrieren. Das Unangenehme als Bedingung des Angenehmen. So wird’n Shmoo draus.

Wofür die Alten Griechen zwei Wörter hatten, tyche und ­eudaimonia, das fällt bei uns in eins: Glück im Sinne des Zufalls und Glück im Sinne der Erfindung. Dass man beides nicht trennen kann, ist offensichtlich. Daher muss es immer wieder festgestellt werden. Das Offensichtliche nämlich wird besonders gern vergessen. Entsprechend ermittelt der »World ­Happiness Report« jedes Jahr, in welchen Ländern der Welt die Menschen am glücklichsten sind.

Und?

Na in denen, die Schwein hatten halt. Nach den Kriterien des ­Rankings – Zufriedenheit, BIP, Sozial­system, Lebenserwartung, individuelle Freiheit – führen, trotz ­chronischen Vitamin-D-Mangels, die Finnen, gefolgt von den Skandinaviern, Kuwait, Costa Rica, Westeuropa und den meisten G20-Ländern. Ganz unten: Lesotho, Libanon, ­Afghanistan. Wer hätte das gedacht?

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (20. März 2024 um 20:49 Uhr)
    Ich halte es für gefährlich, einen Aristoteles als Kronzeugen für die Definition von Glück anzuführen. Zu seiner Zeit gab es 30.000 DemokratEn (wie war das mit Demokrat:innen?) und 300.000 Sklav:innen in Athen. Ein athenischer Demokrat, der sich nicht politisch betätigen wollte, wurde als »idiot« bezeichnet. Ein Demokrat ging in die Muckebude und übte für den Krieg oder mit Kumpels zum Kacken und Diskutieren auf die Agora. Für die Lebensmittel sorgten ja die Sklav:innen. So kann man glücklich philosophieren.

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