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Aus: Ausgabe vom 22.03.2024, Seite 15 / Feminismus
8. März

Spaltung am Kampftag

Feministisches, antiimperialistisches »Bündnis 8M Leipzig« kritisiert unsolidarisches Verhalten linker Gruppen
Von Yaro Allisat
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Internationalistisch und antiimperialistisch: Einige tausend folgten dem Aufruf des Leipziger Bündnisses am 8. März

Das »Bündnis 8M Leipzig«, das in der sächsischen Großstadt jedes Jahr eine Demonstration zum feministischen Kampftag organisiert, hat sich antiimperialistisch positioniert. Daraufhin sah es sich dem Vorwurf einer »autoritär-kommunistischen Unterwanderung« durch kommunistische Gruppen wie »Zora« oder »Young Struggle« und dem Entzug von finanziellen Mitteln ausgesetzt. Das Bündnis wies den Vorwurf zurück – man setze sich wie jedes Jahr vor allem aus Einzelpersonen zusammen – und kritisierte das Verhalten der anderen Gruppen als unsolidarisch. Rund 3.000 Menschen nahmen schließlich am 8. März an der »8M«-Demonstration »gegen Rechtsruck und sozialen Sparkurs« teil.

Unter anderem der DGB, Verdi und das Zentrum Frauenkultur e. V. hatten dem Bündnis die Unterstützung entzogen, die Gerüchte über eine »autoritär-kommunistische Unterwanderung« verbreitet und eine eigene Demonstration mit rund 2.500 Teilnehmenden durchgeführt. Das Bündnis kritisierte, dass diese Organisationen erst nach Entscheidungsprozessen dazugestoßen und nicht verhandlungsbereit gewesen seien: »Es wurde von uns verlangt, die jeweiligen Positionen zu übernehmen, und angedroht, uns anderenfalls jegliche Unterstützung (finanzielle Mittel und Ressourcen) zu entziehen.«

Vorwürfe an das Bündnis kamen auch aus den Reihen eines dritten Zusammenschlusses »für einen emanzipatorischen 8. März«: Unter diesem Label veranstalteten Gruppen wie »Pro Choice Leipzig«, »Rassismus tötet!« und »Fantifa« eine Kundgebung. Auch sie wiederholten das Gerücht der Unterwanderung sowie der Instrumentalisierung des Tages durch »autoritäre Kommunisten«. Andere Akteure wie »Handala«, »Abya Yala Libre« und »Woman. Life. Freedom«, die sich am »Bündnis 8M« beteiligten, wurden so gleich mit diffamiert. Inhaltlich wurde geschlechtsspezifische und sexualisierte Gewalt in den Kontext eines angeblichen Religionskonflikts gesetzt. Statt Kritik an deutschen Waffenexporten oder einem strukturellen Blick auf das Patriarchat lieferte dieses Bündnis zahnlose Solidaritätsbekundungen mit Frauenbewegungen weltweit.

Die propalästinensische Gruppe »Handala« thematisierte diese Haltung in ihrem Redebeitrag am feministischen Kampftag. Es herrsche im Kontext von Nahost eine selektive Wahrnehmung von geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalt. »Handala« wandte sich gegen ein »Ausspielen der Betroffenen« gegeneinander. Die Gruppe betonte außerdem, dass »Frauen auch heute noch an vorderster Front stehen, wenn es darum geht, die geschlechtsspezifische Gewalt des Siedlerkolonialismus und die restriktiven kulturellen Normen zu bekämpfen«, und kritisierte einen liberalen Feminismus, der propalästinensische Stimmen zum Schweigen bringe und Frauen als hilflose Opfer ihrer Gesellschaft, Kultur und Religion darstelle.

Nicht zum ersten Mal seit dem 7. Oktober 2023 spalten sich in Leipzig linke Gruppen entlang dieser Konfliktlinien. Ein Ausschluss jeglicher Zusammenarbeit mit palästinasolidarischen Akteuren und ihren Verbündeten auf Grundlage eines pauschalen Antisemitismusvorwurfs war bereits im Studierendenrat versucht worden. Auf der Leipziger »Zusammen gegen rechts«-Demonstration im Januar war »Handala« aus der Demo heraus angegriffen worden. Dazu kommen falsche Darstellungen ihrer Positionen und Hetze aus linker wie auch anderen Richtungen. Mehrmals gab es Angriffe auf linke Hausprojekte aus der antideutschen Szene heraus.

Währenddessen werden die kommunistischen Gruppen als Bedrohung inszeniert. So war im November eine Demonstration in Eisenach abgesagt worden, weil »Young Struggle« die Teilnahme angekündigt hatte. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen und das Leipziger Projekt- und Abgeordnetenbüro Linxxnet fördern eine Bildungsreihe, die mit »autoritär-kommunistischen« Theorien aufräumen will. Anderen Akteuren wird bei der Zusammenarbeit mit revolutionären Gruppen vorgeworfen, sich unterwandern zu lassen und keine selbständig Position zu beziehen. Das könnte in Zukunft auch für andere Veranstaltungen bedeuten: Entweder machen nur noch revolutionäre Kommunisten mit (sowie die, die sich nicht von ihnen distanzieren), oder antiimperialistische Positionen werden von vornherein ausgeschlossen.

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