BSW ruft die Polizei
Von Nico PoppAls die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht vor ein paar Tagen sagte, ihre Partei wolle sich potentiellen AfD-Wählern als »seriöse Alternative« anbieten, war das nicht nur so gemeint, dass das BSW Inhalte aufgreifen wird, die die anderen Parteien – etwa in den Bereichen Sozial-, Wirtschafts- und Außenpolitik – »liegengelassen« oder gegen klare Mehrheiten in der Bevölkerung politisch betreut und deshalb Wähler an die AfD verloren haben. Wagenknechts Aussage war, wie sich nun zeigt, durchaus so zu verstehen, dass das BSW auch genuin rechte Perspektiven integrieren wird.
Denn nichts anderes ist es, wenn Wagenknecht sich nun zu den Themen Polizei und »Ausländerkriminalität« in einer Weise einlässt, die sich nicht wesentlich von Stellungnahmen etwa von Polizeigewerkschaftern unterscheidet. Konkret forderte sie am Dienstag gegenüber dpa Maßnahmen von Bund und Ländern gegen Straftaten von Ausländern und für eine »bessere Ausstattung« der Polizei. Fällig sei ein »Innenministergipfel im Kanzleramt«, bei dem es auch um »das Problem der unkontrollierten Migration gehen« solle.
Wenn die Kriminalstatistik zeige, dass »Straftaten überproportional von Menschen aus bestimmten Einwanderungsmilieus begangen werden, darf eine Innenministerin dieses Problem nicht tabuisieren und herunterspielen«, sagte Wagenknecht. Die Bundestagsabgeordnete wandte sich auch gegen eine »gesellschaftliche Herabsetzung von Polizisten«; die Arbeit »unserer Polizei« verdiene »deutlich mehr Respekt und gesellschaftliche Anerkennung«.
Zuletzt hatten Zahlen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen auf einen gestiegenen Anteil nichtdeutscher Straftäter an der Gesamtzahl der Delikte hingedeutet. Früher war für Linke einmal klar, dass solche Statistiken etwas mit der sozialen Lage der hier erfassten Bevölkerungsgruppen zu tun haben. Ein Versuch, die insbesondere auch migrantisch geprägte Arbeiterklasse in Deutschland anzusprechen, ist Wagenknechts neueste Positionsbestimmung mit Sicherheit nicht.
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Der Finanzminister Lindner hat eine neue Behörde angekündigt oder schon aus der Taufe gehoben, die diese großkriminellen Straftaten ahnden soll. Bis diese Behörde, wenn überhaupt, arbeitsfähig sein wird, können sich die »Cum-Exler« nach wie vor im Dschungel des deutschen Steuerrechts tummeln. Herrn Lindner trifft der Vorwurf der strafbewehrten Beihilfe durch Unterlassen, volkstümlich ausgedrückte Nichtstun.
Paul Vesper, DKP
In der jW vom 27. März 2024 berichtet Nico Popp unter der Überschrift »BSW ruft die Polizei« über einige politische Forderungen der Partei, die ihren Namen trägt. Er berichtet in einem sachlichen Ton, aber doch merkbar verwundert. An diesem Tag war auch ein Flyer im Briefkasten, wo das »Bündnis Sahra Wagenknecht« zu Unterstützungsunterschriften auffordert. Ganz am Schluss steht dann »ideologiefrei: Vernunft und Gerechtigkeit«. Es wird gesagt, die Kategorie »Gerechtigkeit« sei ideologiefrei. Fürwahr, eine kühne Behauptung. Und ein erneutes Beispiel für Wirrwarr in der theoretischen Analyse der kapitalistischen Wirklichkeit.
Frau Wagenknecht hat sich erklärt bei der Gründung eines Vereins und einer Partei, die ihren Namen tragen. Als erste politische Bestimmung des Vereins taucht der Begriff »Vernunft«, noch vor der Gerechtigkeit, auf. Vernunft ist eine zentrale Kategorie in der Philosophie von Hegel, einem idealistischen Philosophen. Eine vergleichbare Zentralkategorie bei Marx und Engels sind die »materiellen gesellschaftlichen Verhältnisse«. Aber die materiellen gesellschaftlichen Verhältnisse kommen bei Frau Wagenknecht nicht vor. Sie hat den Übergang vollzogen, von einer materialistischen Gesellschafts- und Geschichtsanalyse zu einem idealistischen Vernunft-Standpunkt. In der sozialistischen Terminologie nennt man derartiges Verhalten »Renegatentum«. Im christlichen Kontext nennt sich so etwas Konvertiten. Der berühmteste Konvertit im Christentum war der Apostel Paulus, der Apostel der Heiden, der vom Saulus, welcher die Christen verfolgte, zum Paulus, dem christlichen Prediger, konvertierte. Bei Frau Wagenknecht ist es eher umgekehrt. Sie konvertierte vom marxistischen Prediger zum nichtmarxistischen Saulus.
Das Parteiprojekt von Frau Wagenknecht erinnert mich an die Ukraine. Es gab und gibt die ukrainische Politikerin Juli Timoschenko, die tot-sterbenskrank in ukrainischen Zuchthäusern von Janukowitsch vegetierte, von Frau Merkel freiverhandelt wurde und in der Charité auf wundersame Weise genesen ward. Sie gründete eine Partei mit dem schlichten Namen »Bjut« – »Block Julia Timoschenko«. Etwas später gründete auch Petro Poroschenko (»Schokoladenpeter«) den »Block Petro Poroschenko«. Es gab keine weiteren politischen Inhalte, der Name des Oberchefs reichte völlig. Später hat man sich dann einen eher politischen Namen zugelegt. Auch beim Projekt Wagenknecht steht der Name anstelle von politischem Inhalt.
Kleine Arabeske: es ist dies auch eine Variation des klassischen dialektischen Themas von Knechtschaft und Herrschaft. Frau Wagenknecht will aus ihrem Knechtdasein ausbrechen und zur Parteiherrin werden.
Im Hintergrund der Geschichte steht Oskar Lafontaine. Nun habe ich als gelernter DDR-Bürger meine Erfahrungen mit intriganten Saarländern. Diese haben sich kindliche Verhaltensweisen bewahrt: erst etwas aufbauen, um es dann dickköpfig wieder einzureißen.
Das Vorgehen von Frau Wagenknecht wird in den bürgerlichen Medien mit offensichtlichem Wohlwollen begleitet. In einer solchen Situation meinte August Bebel sinngemäß: wenn die mich loben, muss ich überlegen, was ich falsch gemacht habe. Aber eine solche Überlegung gibt es bei Frau Wagenknecht nicht.
Sie wird von den bürgerlichen Medien hochgelobt, um zu scheitern.