4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 12.04.2024, Seite 14 / Medien
EU-Medienfreiheitsgesetz

EU gegen Pressefreiheit

EU-Parlament beschließt sogenanntes EU-Medienfreiheitsgesetz und bringt damit unabhängige Medien in Gefahr
Von Mawuena Martens
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Das sogenannte EU-Medienfreiheitsgesetz ist in Wirklichkeit ein Korsett für die Presse

Nur noch das formale O.K. der Mitgliedstaaten der Europäischen Union fehlt, dann tritt das sogenannte EU-Medienfreiheitsgesetz in Kraft. Am 13. März hatte dem Gesetzeswerk bereits das Europaparlament zugestimmt. Und zwar mit deutlicher Mehrheit: 464 Abgeordnete stimmten für die Verordnung, 92 dagegen, 65 enthielten sich. Die Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Kultur und Bildung, Sabine Verheyen (CDU) sprach von einem »Meilenstein für den Schutz der Medienvielfalt«. Auch Reporter ohne Grenzen erklärten, die EU gehe einen »wichtigen Schritt für das Recht auf Information«.

Von wegen Fake News

Dabei hatte es im Vorfeld starke Kritik an dem Vorhaben gegeben. So bezeichneten rund 400 europäische Dachverbände der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger das Gesetz im Vorfeld als »Medienunfreiheitsgesetz« und unterzeichneten im Sommer einen offenen Brief. Auch deutsche Verlegerinnen und Verleger und der öffentlich-rechtliche Rundfunk hatten Brüssel gewarnt. Zwar wurde der Entwurf des Regelwerks im Herbst leicht angepasst, ohne jedoch substantiell etwas an den Problemparagraphen zu ändern. Noch im Dezember warnten daher der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger sowie der Medienverband der freien Presse: »Während die Presse mit wirtschaftlichen, regulativen und wettbewerblichen Herausforderungen zu kämpfen hat, schnürt die EU ein Korsett, das keines der Probleme angeht und statt dessen die Pressefreiheit gefährdet.«

Mittlerweile ist es jedoch still geworden rund um das Thema. Dabei wird mit der Einführung des Regelwerks ein neues EU-Gremium geschaffen. Diese Medienaufsichtsbehörde ist nur auf dem Papier unabhängig. Faktisch werden die Sekretariatsmitarbeiter von der EU-Kommission gestellt und sind dadurch von ihr beeinflussbar. Gleichzeitig soll die Behörde im Namen des Kampfes gegen Desinformation Empfehlungen gegen Medien aussprechen können, beispielsweise bei ausländischer Finanzierung. In den Fokus rücken dürften einmal mehr Medien, die das westliche Narrativ in Frage stellen, etwa Medien aus China, Russland oder Ländern des globalen Südens.

Gegenteil von Schutz

Ein weiteres Problem: Zwar soll das Gesetz dem Wortlaut nach Journalisten besser vor staatlicher Repression und Ausspähen schützen. Doch tatsächlich schafft es genau das Gegenteil. Artikel vier schreibt zwar vor, journalistische Quellen und die Kommunikation von Medienhäusern und Journalisten zu schützen, nur um wenige Sätze später eine scheunentorgroße Hintertür offenzulassen. Demnach gilt dieser Schutz nicht, wenn beispielsweise nationale Gesetze ein Ausspähen erlauben und/oder dieses regelmäßig durch Gerichte überprüft wird.

Auch was die Zensur in großen Onlineplattformen betrifft, wird das Gesetz seinem Namen nicht gerecht: Kommt es zur Löschung von Inhalten, müssen die Onlineplattformen wie Facebook, X und Co. lediglich innerhalb einer bestimmten Frist darüber informieren. Letztlich können sie jedoch aufgrund eigener schwammiger Geschäftsbedingungen selbst festlegen, welche Inhalte gesperrt beziehungsweise gelöscht werden und welche nicht. Schon im Februar bezeichnete der Abgeordnete der Piratenpartei, Patrick Breyer, dies in einem Interview mit jW als »skandalös und hoch bedenklich«, da AGB von Unternehmen so Vorrang vor der Pressefreiheit erhielten.

Angst vor freier Presse

Die Einführung des Gesetzes zeigt einmal mehr die Schwäche der EU gegenüber den Big-Tech-Unternehmen einerseits und die Angst vor einer freien Presse andererseits, ganz nach dem Motto Napoléon Bonapartes: »Ich fürchte drei Zeitungen mehr als hundert Bajonette.«

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