4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
Aus: Ausgabe vom 20.04.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Das andere freie Radio

Zu jW vom 16.4.: »›Dadurch wird Vielfalt im Radio zerstört‹«

Im Gespräch mit Dieter Radke von Radio Z in Nürnberg wird behauptet, dass es in Bayern nur noch einen freien Radiosender gibt. Dies ist nicht richtig! Es gibt in Bayern immer noch zwei freie Radios, neben Radio Z noch Radio Lora 92,4 in München, gegründet 1993. Wobei Radio Lora die gleichen Schwierigkeiten mit dem Land Bayern im Allgemeinen und der Bayerischen Landesanstalt für neue Medien im besonderen hat. Also die Bedrohung besteht, dass die Unterstützung gekürzt wird, was eine Einschränkung des Sendebereiches und eine Gefährdung des Sendebetriebes insgesamt zur Folge hätte. Denn obwohl alle auf ehrenamtlicher Basis arbeiten, würde das Geld sehr knapp werden und zumindest auch die Sendezeiten einschränken.

Bernhard Empl, Weilheim

Aufschwung Ost

Zu jW vom 12.4.: »Baulücke BRD«

In der DDR hatten alle ein Dach über dem Kopf. Noch waren es nicht immer die komfortablen Neubauwohnungen im Plattenbau, die übrigens, wie ich mich nach 1989 u. a. in Frankfurt am Main überzeugen konnte, besser eingerichtet waren als dort. Ganz zu schweigen von den Mieten. Für eine 90-Quadratmeter-vier-Zimmer-Genossenschaftswohnung (Einlage 2.000 Mark), die wir mit einem Sohn bewohnten, zahlten wir 117 Mark, Heizkosten eingeschlossen. Das waren etwa acht Prozent meines und meines Mannes Nettogehalts. So sah es mit dem heute gebräuchlichen Begriff vom »bezahlbaren Wohnraum« aus. Die Kilowattstunde Strom kostete stets unverändert acht Pfennige, hinzu kamen monatlich 1,50 Mark je Zimmer (Brennstelle). Nachtstrom gab es auch, der kostete bei Nachtspeicheröfen die Kilowattstunde vier Pfennige. Pro Kubikmeter Gas fielen 16 Pfennige an. Die Rundfunk- und Fernsehgebühren betrugen 7,05 Mark und bei beiden Fernsehprogrammen entfielen 10,05 auf den Haushalt. Noch eins der vielen Beispiele. Ein 250-Gramm-Brief kostete 20 Pfennige. Heute bezahlen wir für 20 Gramm 85 Cent. Was für ein »Aufschwung«.

Doris Prato, per E-Mail

Gesicht wahren

Zu jW vom 15.4.: »Kontrollierte Eskalation«

Der Angriff auf Israel ist eine inszenierte Gesichtswahrung des Irans, möglicherweise sogar mit stillschweigender Zustimmung der USA, um das Kriegsgetöse aus Netanjahus Lager einzudämmen. Doch dieses Taktieren bedeutet ein enormes Verlustgeschäft, bei dem Massen von billigen Drohnen gegen millionenteure Luftabwehrraketen verpulvert werden. (…)

Dennoch lehrt uns die Geschichte Israels unmissverständlich, dass Militärstärke und Gewalt weder Sicherheit noch Frieden bringen! Trotz der hochgerüsteten und bestens ausgebildeten israelischen Streitkräfte wäre ein Krieg mit dem Iran ohne die Unterstützung der USA nicht zu bewältigen. Das Märchen von David gegen Goliath findet in der Realität des Nahen Ostens von heute keine Entsprechung mehr. Ein kleines Land ohne ausreichende Wasserversorgung könnte einen »echten Krieg« einfach nicht überstehen. (…)

Istvan Hidy, Stuttgart

»Todesvögel Salazars«

Zu jW vom 17.4.: »Die abgebrochene Revolution«

2024 markiert den 50. Jahrestag, an dem die Nelkenrevolution den portugiesischen Faschismus (»Estado Novo«/»Neuen Staat«) friedlich zu Fall brachte. 50 Jahre sind vergangen, in denen oft nur eine halbherzige Aufarbeitung der antidemokratischen Herrschaft António Salazars und zuletzt Marcelo Caetanos vollzogen wurde.

Allen Festreden zum Trotz, die immer wieder am 25. April, dem portugiesischen Nationalfeiertag, gehalten werden, und in denen immer wieder auf die Gefahr von Rechts aufmerksam gemacht wird, hat bei den letzten Wahlen im März dieses Jahres die radikal rechte »Chega«-Bewegung zulegen können. Insgesamt 50 Abgeordnete dieser EU-kritischen Partei sitzen nun im Parlament. 1926 musste sich die Militärdiktatur noch an die Macht putschen. Heute, 50 Jahre nach dem Untergang des »Estado Novo«, wählt das Volk (über eine Million Menschen) freiwillig eine rechtspopulistische Partei, die keine Lust mehr hat, Demokratie zu spielen.

Die Sehnsucht nach autoritärer Ordnung, die zum Teil verständliche Wut der Bürger auf unsere Politiker, die sich nicht mehr an Wahlversprechen gebunden sehen und immer wieder in Korruptionsvorwürfen, peinlichem Nepotismus und anderen Kungeleien verstrickt zu sein scheinen, tragen dazu bei, dass viele protestwählen. Wofür aber steht der Faschismus, dem die Protestwähler bereitwillig ihre Stimme geben?

Gerade weil sich die Spuren des Faschismus in den vergangenen 50 Jahren durch eine akute Amnesie verwischen ließen, ist es vielen jungen Leuten, die die Gnade der späten Geburt genießen, häufig nicht mehr möglich, historische, soziale und politische Zusammenhänge zwischen damals und heute zu erkennen. Das ist sicherlich nicht nur in Portugal der Fall. Um dem entgegenzuwirken, erscheint nun erneut (warnend und mahnend) mein ins Deutsche übersetztes Lesestück »Die Todesvögel Salazars«, welches sich der Vergangenheitsaufarbeitung des portugiesischen Faschismus verschrieben hat. Ich hege die Hoffnung, damit über den literarischen Weg und mit für den deutschsprachigen Leser neuen Informationen zu einer konstruktiven Debatte über den Faschismus in Europa beitragen zu können.

Miguel Araújo Oliveira, Lissabon

Weil sich die Spuren des Faschismus in den vergangenen 50 Jahren durch eine akute Amnesie verwischen ließen, ist es vielen Leuten häufig nicht mehr möglich, historische und politische Zusammenhänge zu erkennen

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