4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 23.04.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Umwelt- und Naturschutzpolitik

Subventionierung fossiler Brennstoffe

Autoverkehr und Inlandsflüge: Reiche besonders steuerlich begünstigt. FDP blockiert »Klimageld«
Von Wolfgang Pomrehn
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Gewohntes Stadtbild: Abgaswolken im Stuttgarter Kessel beim morgendlichen Individualverkehr (27.2.2018)

Eigentlich soll es ja irgendwie der Markt regeln. Man muss nur den Treibhausgasen ein Preisschild aufkleben, und schon nehmen die Emissionen ab. Die eingenommenen Finanzmittel könnten dann auch noch als »Bürgerklimageld« verteilt werden, wodurch ein Umverteilungseffekt entstünde, der einkommensschwache Menschen bevorteilt, die – und sei es notgedrungen – sparsam mit Energie umgehen. So die graue Theorie. Die Praxis sieht derweil etwas anders aus. Eine solche Umverteilung wird es mit der FDP in der Regierung nicht geben. Zwar haben die Freidemokraten im Koalitionsvertrag dem »Klimageld« zugestimmt, aber Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner sorgt dafür, dass es in dieser Legislaturperiode voraussichtlich nicht mehr kommen wird.

Geld ist knapp, denn schließlich will man ja auch weiter den Verbrauch fossiler Brennstoffe subventionieren, und zwar reichlich. Genau: subventionieren. Zum einen zahlt der Autofahrer über die Tankrechnung inzwischen 45 Euro pro Tonne CO2, die aus seinem Auspuff aufsteigt, zum anderen wird er aber vom Fiskus auf vielfältige Art und Weise beschenkt. Da sind etwa die Vergünstigungen bei der Energiesteuer, die Käufer von Dieselkraftstoff erhalten. Ausgerechnet Diesel, der ein wesentlicher Grund für die Feinstaubbelastung der Luft in den Städten ist, die jährlich etliche tausend Todesfälle verursacht. Oder die Pendlerpauschale, die einen Anreiz für weite Wege zur Arbeit schafft. Ein weiteres Beispiel ist die Energiesteuerbefreiung für Kraftstoffe im inländischen Flugverkehr, die die völlig unnötigen Inlandsflüge verbilligt. Ganz so, als wüsste man nicht seit Dekaden, wie schädlich der Luftverkehr für das Klima ist. Schließlich wäre noch die steuerliche Begünstigung sogenannter Dienstwagen zu nennen, die wohlgemerkt exzessiv privat genutzt werden: Im März 2024 wurden 68,7 Prozent aller neu angemeldeten Pkw gewerblich registriert.

Verschiedene deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, unter anderem vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), haben sich dieses Subventionsungetüm einmal näher angeschaut und ihre Berechnung zu Beginn der Woche der Öffentlichkeit vorgestellt. Demnach bedeuten die Privilegien pro Liter Benzin eine Kostenersparnis von 0,18 bis 1,70 Euro. Das ist erheblich mehr, als Autofahrer für ihren CO2-Ausstoß bezahlen, nämlich derzeit etwa elf Cent pro Liter Benzin. Die Wirkung der CO2-Bepreisung wird durch die Subventionen also mehr als aufgehoben.

»Aktuell treten wir beim Klimaschutz im Verkehr mit einem Fuß aufs Gas, mit dem anderen auf die Bremse«, so Patrick Plötz vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), der an der Studie beteiligt war. Und weiter: »Emissionsverursachende sollten durch den CO2-Preis eigentlich Anreize zur Senkung von Emissionen erhalten. Unsere Forschung zeigt, wie sehr Haushalte, die Diesel fahren, längere Wege mit dem privaten Auto oder ›Dienstwagen‹ zur Arbeit pendeln oder innerdeutsche Flüge nutzen, aktuell durch Subventionen für den Ausstoß einer Tonne CO2 ›belohnt‹ werden.«

Eine »Belohnung«, die vorwiegend dem wohlhabenden Teil der Bevölkerung zugutekommt, wie Studienkoautor Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) betont. Bach: »Die Wirkungen des Dieselprivilegs sind vor allem bei mittleren und höheren Einkommensgruppen spürbar, bei denen ein Drittel aller Haushalte einen Diesel fährt. Auch die Pendlerpauschale entlastet vor allem mittlere und höhere Einkommensgruppen.« Auch das Dienstwagenprivileg begünstige hauptsächlich Haushalte mit hohen Einkommen, denn solche mit geringen oder niedrigen Einkommen verfügten nur selten über »Dienstwagen«. Eine Abschaffung des Steuerprivilegs für Dieselkraftstoff könnte hingegen schon kurzfristig spürbar die Emissionen mindern. Außerdem, so die Forscher, könnten mit einer Reform der Pendlerpauschale Anreize für klimafreundlichere Verkehrsmittel geschaffen und das Dienstwagenprivileg zumindest an möglichst geringe Emissionen gebunden werden.

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  • Leserbrief von Raoul Didier aus Berlin (23. April 2024 um 14:05 Uhr)
    Entfernungspauschale und Dienstwagenbesteuerung geben immer wieder Anlass, gegen arbeitende Menschen Stimmung zu machen. Leider ist auch die jW davor nicht gefeit.
    Unabhängig von der Höhe des Einkommens gilt: Je länger der Weg zur Arbeit ist, umso höher sind trotz Entfernungspauschale die von dem Steuerpflichtigen zu tragenden Kosten. Deshalb geht von der Entfernungspauschale kein »Anreiz« aus, längere Strecken zu fahren. Oder kennt irgendwer jemanden, der sich vorm Jobwechsel schon mal gefragt hat, wie sich der Arbeitsweg auf seine Lohnsteuer auswirkt? Das heißt nicht, dass sie sozial gerecht ist. Dafür wäre ein fester Abzugsbetrag je Kilometer von der Steuerschuld und unabhängig von der Einkommenshöhe besser geeignet.
    Zum Dienstwagen: Wer die derzeitige Regelung in Zweifel zieht, sollte darlegen können, wie die Besteuerung des lohnwerten Vorteils angemessener berücksichtigt werden kann, bevor man Pflegedienstbeschäftigten, Servicetechnikern und Außendienstlern in die Tasche greifen möchte. Es sind nämlich längst nicht nur gut bezahlte Geschäftsführer, die mit dem Dienstwagen unterwegs sind. Im Gegenteil: Gerade nicht tarifgebundene Unternehmen versuchen durch die Erlaubnis, den Dienstwagen privat zu nutzen, von lausigen Grundgehältern abzulenken.
    Bemerkenswert ist doch in diesem Zusammenhang: Niemand fordert spiegelbildlich ein Betriebsausgabenabzugsverbot für Transport- und Mobilitätskosten in der Unternehmensbesteuerung. Klingelt es jetzt?

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