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Aus: Ausgabe vom 14.06.2024, Seite 8 / Ansichten

Triumph der Willkür

Zugriff auf russische Zinsen
Von Reinhard Lauterbach
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US-Finanzministerin Janet Yellen will die Zinsen des eingefrorenen russischen Staatsvermögens einziehen

Wofür steht noch mal der kollektive Westen? Richtig, für die regelbasierte Weltordnung. Solange er diese Regeln selbst aufstellt und bei Bedarf auch mal umstürzt. Artikel 14 Grundgesetz: »Eigentum und Erbrecht werden gewährleistet«? War mal. Der Gastbeitrag, mit dem die US-Finanzministerin Janet Yellen in der New York Times vom Donnerstag den beabsichtigten Zugriff des kollektiven Westens auf die Zinsen des von ihm eingefrorenen russischen Staatsvermögens rechtfertigt, dokumentiert ein Verständnis von Ökonomie, das im Prinzip an der Qualifikation der Frau für ihren Posten zweifeln lässt. Der Westen greife nunmehr auf »Mr. Putin’s own money« zu, schrieb sie allen Ernstes. Ist also das Geld der Fed auch »Mr. Biden’s own money«?

Nun ist es nicht die Aufgabe von Marxisten, sich um die Garantie des kapitalistischen Eigentums Sorgen zu machen. Aber notierenswert ist schon, wie freihändig die höchsten Repräsentanten dieses Prinzips mit ihm umgehen. Yellens einleitende Bemerkung, es sei »Zeit«, dass »der Wert blockierter russischer Vermögenswerte freigesetzt wird, damit die Ukraine die finanzielle Unterstützung erhält, die sie so dringend braucht«, zeugt von etwas ganz anderem: Dem Westen wird dieser Krieg allmählich zu teuer, also geht er zu Aktionen über, die er im eigenen Lager allenfalls aufgrund von letztinstanzlichen Gerichtsurteilen – die es gegen Russland nicht gibt und die Russland nie anerkennen würde – ergreifen würde.

Die Konstruktion des geplanten 50-Milliarden-»Hilfspakets« für die Ukraine zeigt, dass die Zeit der Spendierhosen auch in Washington und Brüssel vorbei ist. Das Geld soll als Kredit gewährt werden, den die Ukraine aus den zu ihren Gunsten beschlagnahmten russischen Zinserträgen zurückzahlen darf. D. h. der Westen finanziert nur vor und hält sich anschließend schadlos. Laut Ursula von der Leyen bekommt die Ukraine demnächst aus Brüssel 1,4 Milliarden Euro aus diesen Zinserträgen. Bis daraus 50 Milliarden zurückgeflossen sind, gehen – noch ohne die Zinsen für den durch die EU aufzunehmenden Ukraine-Kredit selbst zu berücksichtigen – 36 Jahre ins Land. Insofern hat Yellen mit einer Aussage tatsächlich recht: Die jetzt geplanten Enteignungsschritte sollten »Putin« zeigen, dass wir »langfristig denken«. Die inzwischen laut Weltbank viertgrößte Volkswirtschaft der Welt soll aus der Weltwirtschaft auf zwei Generationen ausgeschlossen werden.

Vielleicht kommt sie aber auch gar nicht zurück aus dieser Quarantäne. Derselbe IWF hat vor ein paar Tagen eine Statistik veröffentlicht, wonach der Anteil des US-Dollar an den weltweit gehaltenen Zentralbankreserven zugunsten insbesondere des chinesischen Renminbi zurückgeht. Der Westen untergräbt seine eigene Finanzhegemonie. Kann er ja machen. Er soll bloß im nachhinein nicht sagen, er hätte es nicht gewusst.

Hinweis: In einer früheren Version des Beitrags hieß es, der IWF habe die Russische Föderation als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt eingestuft. Es war aber die Weltbank - gemessen wurde an Kaufkraftparitäten. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. (jW)

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