Keine Entlastung für Sudan
Von Karim NatourNicht nur im Gazastreifen wird Hunger gezielt als Waffe gegen Zivilisten eingesetzt. Mehr als 18 Millionen Menschen im Sudan sind aktuell als Folge des Kriegs von Hunger bedroht. Berichten zufolge behindern die Kriegsparteien gezielt die Lieferung von Hilfsgütern. Laut »Ärzte ohne Grenzen« handelt es sich um eine der »schwersten Krisen, die die Welt seit Jahrzehnten gesehen hat«, so ihr Präsident am Donnerstag beim Kurznachrichtendienst X.
In dem Konflikt zwischen den sogenannten Rapid Support Forces (RSF) und der Armee der De-facto-Regierung unter Abdel Fattah Burhan sind seit April 2023 Zehntausende Menschen getötet worden. Ende Mai und Anfang Juni verübten die RSF mehrere Massaker und ermordeten insgesamt 140 Menschen in der nördlich von der Hauptstadt Khartum gelegenen Stadt Omdurman sowie in Wad Al-Nura im Bundesstaat Al-Dschasira.
Mehr als 7,1 Millionen Menschen sind seit Beginn des Konflikts innerhalb des Landes vertrieben worden. Bei einem Besuch im Südsan warnte UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, am Mittwoch vor einer neuen Massenflucht und forderte einflussreiche Staaten, die beteiligten Parteien »nicht auf das Schlachtfeld, sondern an den Verhandlungstisch« zu drängen.
Rund eine halbe Million Menschen sind zudem über die Grenze nach Ägypten geflohen. Dort droht ihnen jedoch eine Zwangsabschiebung. Laut einer Schätzung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR hat Ägypten allein im September vergangenen Jahres 3.000 Menschen in den Sudan abgeschoben. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht von den Behörden in Kairo, diese »ungesetzlichen« Maßnahmen zu beenden.
Die RSF sind eine noch unter dem 2019 gestürzten Diktator Omar Al-Baschir bewaffnete Organisation, die sich vor allem aus arabischen Stämmen Darfurs rekrutiert. Mitglieder der Gruppe hatten bereits vor dem aktuellen Krieg eine blutige Vergangenheit. Als Teil der von der Regierung bewaffneten »Dschandschawid«-Miliz begingen sie ab 2003 zahlreiche Menschenrechtsverletzungen. Die Kämpfe forderten zwischen 2003 und 2008 rund 300.000 Menschenleben.
Die verschiedenen Konfliktparteien erhalten in dem aktuellen Krieg Unterstützung aus dem Ausland. Während Ägypten die Burhan-Fraktion unterstützt, haben die Vereinigten Arabischen Emirate gute Beziehungen zu den RSF. Am Dienstag abend beschuldigte der sudanesische UN-Botschafter im Sicherheitsrat den Golfstaat, die RSF mit Waffen versorgt zu haben und kündigte an, seine Regierung wolle sich deshalb an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wenden.
Ferner hat die Situation im Nachbarland, der Zentralafrikanischen Republik (ZAR), in der seit 2012 ein Bürgerkrieg tobt, negative Auswirkungen auf die Lage in Sudan. Ein UN-Expertengremium bestätigte am Freitag vergangener Woche Berichte über Rekrutierungsversuche der RSF im Nachbarland, in dem mehrere Milizen aktiv sind. Zudem nutzen die RSF demnach die Grenzregion Am Dafok in der ZAR als Nachschublinie.
In der Region Darfur hat die Nachrichtenagentur Reuters nun 14 Friedhöfe identifiziert, die sich in den vergangenen Monaten rasant vergrößert haben. Das deutet auf den hohen Blutzoll hin, den Krieg, Krankheiten und Hunger der Bevölkerung mittlerweile abverlangen. Die Fläche neuer Gräber in den untersuchten Regionen ist laut der am Donnerstag veröffentlichten Recherche in diesem Jahr bis zu dreimal schneller gewachsen als in der zweiten Hälfte des Jahres 2023. Dieser Anstieg erfolgte bereits auf einem hohen Niveau, da es in der Region schon in der ersten Jahreshälfte zu Gefechten gekommen war. Der Krieg hat auch das Gesundheitssystem zerstört, das bereits vor Beginn der Kämpfe unter Druck war. Etwa zwei Drittel der Sudanesen haben aktuell keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung.
Die Versorgungslage der Bevölkerung droht sich indes weiter zu verschlechtern. Einerseits hat die magere Jahreszeit zwischen den Ernteperioden begonnen. Andererseits werden die Straßen, die ländliche Gemeinden mit Städten verbinden, durch die beginnende Regenzeit vermutlich unpassierbar werden, was die Versorgung mit Hilfsgütern weiter verkompliziert.
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