Faschisten im Boot
Von Jörg KronauerÖffnet die EU ihre Machtstrukturen für die äußerste Rechte? Über die Frage wird zur Zeit in Brüssel so heftig gestritten wie noch nie zuvor. Die Auseinandersetzung fokussiert sich in diesen Tagen vor allem auf die künftige EU-Kommission, auf ihre Zusammensetzung – und darauf, von welchen politischen Kräften im Parlament sie getragen werden soll.
Im Mittelpunkt steht dabei Giorgia Meloni, die mit ihrer Partei, Fratelli d’Italia, direkt dem Milieu des italienischen Faschismus entstammt. Offiziell sind Meloni wie auch die Führungsstrukturen ihrer Partei längst auf Distanz zu ihren Ursprüngen gegangen. Wie tief die Distanzierung reicht, fragen sich viele. Dass die Parteijugend kürzlich mit Römischen Grüßen und Mussolini-Hymnen auffiel, ohne dass Köpfe rollten, nährt die ohnehin starken Zweifel. Das ist die eine Seite.
Die andere: In der EU stehen künftig womöglich Entscheidungen an, die mit der bisherigen politischen Basis – Konservative, Liberale und Sozialdemokraten – nur schwer zu fällen sind. Entscheidungen über eine weitere Brutalisierung der Flüchtlingsabwehr, über Rückschritte beim »Green Deal« etwa. Ob man sich bei ihnen auf den linken Flügel der Sozialdemokraten verlassen kann oder auf die Grünen, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der vergangenen Legislaturperiode zuweilen mit ihren Stimmen im EU-Parlament aushalfen, ist zumindest ungewiss. Von der Leyen hat deshalb längst ihre Fühler nach rechts außen ausgestreckt, hat ihre Deals zur Flüchtlingsabwehr gemeinsam mit Meloni ausgehandelt, hat sich bei Abstimmungen im EU-Parlament über die eine oder andere Klimasünde auf Stimmen aus der ultrarechten Fraktion der EKR gestützt. Das waren Testläufe.
Von der Leyen hat vor der Wahl angekündigt, zumindest mit Teilen der EKR kooperieren zu wollen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat das klar abgelehnt. Im Parlament ist von der Leyen – noch – alternativlos auf die Sozialdemokraten angewiesen. Die EU-Spitzenposten wurden nun also von Konservativen, Liberalen sowie Sozialdemokraten allein ausgekungelt. Meloni musste draußen bleiben, sie hat denn auch getobt. Scholz musste von der Leyen allerdings zugestehen, dass sie mit Meloni als Ministerpräsidentin Italiens auch künftig eng kooperiert. Dabei steht als nächstes die Frage an, wen Rom in die EU-Kommission entsendet. Meloni besteht auf einen mächtigen Posten; Italiens künftiger EU-Kommissar soll zudem zu einem der Vizepräsidenten der Kommission ernannt werden. Als Kandidat genannt wird Raffaele Fitto, ein führender Politiker der Fratelli d’Italia. Mit ihm könnte sich die Rechtsaußenpartei fest in den Brüsseler Machtstrukturen verankern.
Dabei wäre das nur ein erster Schritt. Sollte demnächst auch noch Frankreich einen ultrarechten Ministerpräsidenten haben, gerieten die Dinge auch auf EU-Ebene wohl noch weiter ins Rutschen – immer weiter nach rechts.
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