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Aus: Ausgabe vom 08.07.2024, Seite 4 / Inland
Haushaltsdebatte

Rüstungslobby tobt

Haushaltsdebatte: Armeenahe Verbände und Abgeordnete beklagen »zu geringes« Plus bei Wehretat
Von Kristian Stemmler
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Ein wenig plaudern: Olaf Scholz und André Wüstner bei einem Treffen in Berlin (2.7.2020)

Von Jahr zu Jahr steigen die Ausgaben für die Aufrüstung der Bundeswehr kontinuierlich – allein in der vergangenen Dekade von rund 33 auf 52 Milliarden Euro. Im kommenden Jahr sollen noch einmal 1,2 Milliarden Euro obendrauf gepackt werden. Hinzu kommen die Milliarden aus dem sogenannten Sondervermögen. Doch den Lobbyisten der Truppe reicht das alles noch lange nicht.

Nach der Einigung der Spitzen der Ampelkoalition auf einen Haushaltsentwurf für 2025 am Freitag beklagten Union, Teile der SPD und armeenahe Verbände am Wochenende, dass das geplante Plus weit unter den von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) geforderten 6,7 Milliarden Euro liegt. CDU-Chef Friedrich Merz erklärte Pistorius prompt zum großen Verlierer der Etatberatungen. Er sei »zum zweiten Mal von der eigenen Regierung düpiert worden«, auch 2023 habe es keinen Zuwachs des Wehretats gegeben »in dem Umfang, den er für notwendig befunden hat«. Das werfe Fragen nach »der Glaubwürdigkeit und seinem Standing im Kabinett auf«, so Merz.

Der Vorsitzende des Bundeswehr-Verbands, André Wüstner, bekundete gegenüber dpa, ein Zuwachs von 1,2 Milliarden Euro werde »keinesfalls der aktuellen Bedrohungslage und erst recht nicht Deutschlands Verantwortung in der Welt gerecht«. Bei der Truppe sei man »verwundert, größtenteils schockiert«, behauptete Wüstner. Das »Sondervermögen« der Bundeswehr sei bereits in diesem Jahr vollständig in Verträgen gebunden. Ein größerer Zuwachs des Rüstungshaushalts werde auch benötigt, »um die dramatisch steigenden Betriebsausgaben zu decken – vom Stromerzeugeraggregat über Betriebsstoff und Sonderwerkzeugsätze bis hin zum Personal«. Das Parlament müsse »massiv nachsteuern«.

Ins selbe Horn stieß Patrick Sensburg, Präsident des Reservistenverbandes. »Damit werden wir nicht kriegstüchtig«, kommentierte er das Plus für den Wehretat gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Der SPD-Haushaltsexperte Andreas Schwarz sprach mit Blick auf die 1,2 Milliarden Euro von einer »ernüchternden Zahl«. Das Ergebnis der Haushaltsgespräche entspreche nicht dem, »was wir im Verteidigungsbereich brauchen«, sagte er dem Tagesspiegel. Nun hätten die Bundestagsabgeordneten »im parlamentarischen Verfahren die Aufgabe, deutliche Nachbesserungen vorzunehmen«.

Auch CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter hält Nachbesserungen für nötig. Gebraucht würden »rasch echte Umpriorisierungen im Haushalt, die einen verstetigten und erhöhten Verteidigungsetat ermöglichen«, sagte er der Augsburger Allgemeinen. Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) kritisierte, die Einigung der Ampelspitzen zum Haushalt erfolge »auf Kosten der Bundeswehr und der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands«. Der Anstieg um knapp 1,2 Milliarden Euro pro Jahr für die Jahre bis 2027 reiche für die Bundeswehr schlicht und ergreifend nicht aus. Da helfe auch das »Sondervermögen« nicht. Der Verteidigungshaushalt werde durch Betriebs- und Personalausgaben »schier aufgefressen«, so Wadephul.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigte dagegen den Haushaltskompromiss, der »mühevoll errungen« worden sei. Die Koalition tue etwas für Kinder und Familien, indem das Kindergeld und der Kinderzuschlag erhöht würden. Sie investiere in die Infrastruktur des Landes wie Straßen und Schienen. Scholz betonte, »dass wir für die Sicherheit unseres Landes das notwendige Geld bereitstellen und dass wir deshalb auch die Bundeswehr besser ausstatten werden, als es in der Vergangenheit der Fall war«. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) widersprach der Kritik, die auch auf ihn zielte. Es sei ein »ganz normaler Haushaltsprozess«, dass Pistorius weniger Geld bekomme, als er gefordert habe. Ein Minister arbeite immer mit Leidenschaft für sein Ressort und fordere das Maximum. Aufgabe des Finanzministers sei es, zu prüfen, was »wirklich notwendig ist«.

DGB-Chefin Yasmin Fahimi wertete es in einer Mitteilung des Gewerkschaftsbunds als »gute Nachricht«, dass größere Einschnitte und Sozialkürzungen im Haushalt offenbar ausbleiben. Die arbeitspolitischen Vorschläge hielten die Gewerkschaften in der Summe aber für das falsche Signal. Die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, hob in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe hervor, es scheine gelungen zu sein, »in entscheidenden Bereichen einen weiteren sozialen Abstieg zu verhindern«. Gegenüber dem RND monierte sie hingegen, »dass die großen Verteilungsfragen mit dieser Koalition nicht mehr gelöst werden, weil man sich nicht auf die dafür notwendige mutige Steuerreform einigen kann«.

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