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Aus: Ausgabe vom 01.08.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Uranproduktion

Niger macht Ernst

Französischer Energiekonzern Orano meldet drastischen Gewinneinbruch, nachdem ihm Niamey die Lizenz zur Uranförderung entzogen hat
Von Georges Hallermayer
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Orano ist raus: Das weltweit zweitgrößte Uranvorkommen ist für den französischen Konzern nun verschlossen

Nigers wachsende Unabhängigkeit wird teuer für Europa. Der Verlust in der Halbjahres­bilanz des französischen Energiekonzerns Orano spiegelt das deutlich wider. So erklärte Orano-Geschäftsführer Nicolas Maes bei Veröffentlichung der Zahlen am Freitag, der Gewinneinbruch gehe »auf die verschlechterte Situation der Bergbauaktivitäten in Niger im Zusammenhang mit der Entwicklung des lokalen geopolitischen Kontextes« zurück.

Die nigrische Übergangsregierung hatte Orano am 20. Juni die Betriebslizenz für das Imouraren-Uranbergwerk entzogen; mit geschätzten 180.000 bis 200.000 Tonnen Uran eines der größten Vorkommen der Welt. Frankreich hatte sich das Feld in der nördlichen Region Agadez 2009 als strategische Reserve gesichert. Koeigentümer sind das nigrische Staatsunternehmen Sopamin und Kepco aus Südkorea. Oranos in Mehrheitsbesitz befindliches und letztes aktives Minenkonsortium »Somair« hatte seine Arbeit den auf den Putsch in Niger folgenden Sanktionen entsprechend eingestellt, im Juni aber wiederaufgenommen.

Laut Halbjahresergebnissen ging Oranos Gewinn im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023 um 248 Millionen Euro auf 12 Millionen Euro zurück. Alleine im Bergbausektor hatte es ein Minus von 36 Millionen Euro gegeben, nach 146 Millionen Euro Gewinn im vergangenen Jahr, meldete das Unternehmen. Das nigrische Bergbauministerium hatte Orano Anfang Juni an eine Mahnung aus dem Jahr 2022 erinnert, wonach das Unternehmen die bereits ruhenden Arbeiten am Imouraren-Bergwerk wieder aufzunehmen habe. Im Jahr zuvor hatte Orano die Ausbeutung der Lagerstätte erneut verschoben und statt dessen eine Forschungsgenehmigung beantragt.

Auch das kanadische Bergbauunternehmen GoviEx Uranium verlor für die Mine Madaouela kurz darauf seine Abbaulizenz. Das Ministerium hatte von GoviEx verlangt, spätestens am 3. Juli mit der Produktion zu beginnen. Obwohl das Unternehmen bis März rund 200 Millionen der benötigten 343 Millionen US-Dollar bei Investoren einsammeln konnte und im Juni Pläne für das Strahlungsmanagement zur Sicherheit des Personals und der Umwelt zertifiziert bekam, verstrich die Frist. Man suche dennoch nach einer »gütlichen Einigung für eine Entschädigung im Zusammenhang mit der Rücknahme der Schürfrechte«, teilte das Unternehmen am 17. Juli mit. Zwei große westliche Player stehen damit in Niger vor dem Aus.

Seit 1966 hatte Frankreich die Uranproduktion Nigers mit Orano-Vorgänger Areva im neokolonialen Griff. Mehrere Skandale wie etwa das »Uranium-Gate« 2017 brachten die Korruption der nigrischen Kompradorenbourgeoisie und die Abhängigkeit der Regierung ans Tageslicht. Der Schriftsteller Raphaël Granvaud hatte in seinem Buch »Areva en Afrique« umfangreiche Korruption in Zusammenhang mit den Geschäften des Unternehmens aufgedeckt. Demnach wurden die Einnahmen aus dem Uranabbau jahrzehntelang vor allem für den Bau von Hochhäusern in Niamey und die persönliche Bereicherung von Regierungsmitgliedern verwendet. Nur 12 Prozent des Exportwerts seien an den nigrischen Staat geflossen. Nach eineinhalbjährigen Verhandlungen musste Areva 2014 das nationale Recht Nigers akzeptieren und Konzessionsabgaben und Beteiligungsrechte in der Folge erhöhen.

Schon die Entscheidung der nigrischen Übergangsregierung im Januar, den Betrieb der Trinkwasserproduktion zu verstaatlichen – zuvor in Händen des französischen Multis Véolia – steht exemplarisch für ihre Versuche, neue Möglichkeiten politisch-ökonomischer Beziehungen auszuloten, ohne Korruption und mit höheren staatlichen Einnahmen für die soziale Entwicklung. Um Interessenten an dem begehrten Rohstoff muss sich das Land nicht sorgen: Der Iran stehe unter den misstrauischen Augen der USA seit April in Verhandlungen mit Niger über die Lieferung von 300 Tonnen Uran, berichtete das Portal Africa Intelligence. Auch eine im Juli aus der Türkei angereiste hochrangige Delegation mit Außen-, Verteidigungs- und Energieminister zeigte Interesse an Uranlieferungen für sein im Bau befindliches Atomkraftwerk Akkuyu in der Provinz Mersin, aber auch für zwei weitere in Planung befindliche. Ein erster Reaktor des AKW soll bereits im Oktober in Betrieb gehen. Das staatliche nigrische Fernsehen hatte Mitte Mai bekanntgegeben, die mehrheitlich in chinesischem Besitz befindliche Société des Mines d’Azelik (Somina), die 2014 aufgrund der niedrigen Erzpreise ihre Aktivitäten eingestellt hatte, werde den Uranabbau wieder aufnehmen.

Auch die Uranmine Dasa solle ab dem Frühjahr 2026 vor allem die USA, Kanada und einen europäischen Stromversorger bedienen, teilte die Agentur Ecofin im März mit. Die Mine befindet sich mehrheitlich in Besitz der kanadischen Global Atomic, der nigrische Staat hält 20 Prozent der Anteile. Bislang hält das Oberste Gericht die Förderung zurück, bis eine Studie über die Umweltauswirkungen des Betriebs veröffentlicht ist. Die Entscheidung über eine 295 Millionen US-Dollar schwere Beteiligung der US-Entwicklungsbank am Dasa-Projekt steht wohl nicht zuletzt deswegen noch aus. Mitte Juli teilte Global Atomic mit, die Beschlussfassung des Kreditausschusses sei auf August verschoben worden. Niamey und Washington hatten sich im Mai auf einen Abzug aller US-Truppen aus dem Land bis Mitte September geeinigt.

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