75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Dienstag, 17. September 2024, Nr. 217
Die junge Welt wird von 2939 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 05.09.2024, Seite 8 / Ausland
Guatemala

»Kaum waren wir gewählt, begannen die Attacken«

Guatemala: Stadträte kämpfen gegen Korruption und werden vom Bürgermeister ausgeschlossen. Ein Gespräch mit Sergio Monzón
Interview: Thorben Austen, Quetzaltenango
PROTEST.JPG
Demonstration gegen Korruption zur Unterstützung von Bernardo Arévalo (Guatemala-Stadt, 2.9.2023)

Sie meinen, die Angriffe gegen Sie als Stadträte vom Bürgerkomitee »Sacándole Brillo a Xela« (SBX, Xela zum Strahlen bringen) in Quetzaltenango haben Ähnlichkeiten mit den Angriffen gegen Präsident Bernardo Arévalo. Können Sie das näher erörtern?

Wir haben als SBX im vergangenen Jahr beschlossen, uns direkt in die Politik einzumischen und haben für die Bürgermeister- und Stadtratswahl kandidiert. Unser Komitee existiert schon 14 Jahre. Kaum waren unsere vier Stadträte gewählt, begannen die Attacken gegen uns, Diffamierungen bis hin zu Straftaten, die uns zur Last gelegt wurden. Diese Anzeigen hatten aber kein Fundament und so konnten wir an der ersten Sitzung im Stadtrat teilnehmen. Wir wollten die Sitzung filmen und in sozialen Netzwerken übertragen, daraufhin schloss uns Bürgermeister Juan Fernando López von der Partei Humanista aus. Am vergangenen Wochenende gab es einen Gerichtsentscheid, der uns recht gab. Bisher haben wir unsere Sitze aber nicht zurückbekommen; die juristische Auseinandersetzung geht weiter.

Warum will der Bürgermeister Sie von den Sitzungen fernhalten?

Der Haushalt von Quetzaltenango ist der zweitgrößte im Land nach dem von Guatemala-Stadt. Zwar haben die Landkreise Mixco, Villa Nueva und Villa Canales mehr Einwohner, aber weniger Budget. Das Geld, dass nach Quetzaltenango fließt, wird durch Korruption zum Teil zum Kauf von Richtern und politisch Verantwortlichen verwendet; dabei geht es auch um die aktuelle Wahl der neuen obersten Richter im ganzen Land. Die Benennung dieser Richter vor einigen Jahren war ein zentraler Schritt, mit dem korrupte Eliten ihre Macht gefestigt haben. Der Bürgermeister ist darin involviert und möchte daher keine Kontrolle.

Warum wollten Sie die Sitzungen aufnehmen?

Wir wollten für Transparenz sorgen, das war unsere zentrale Forderung, mit der wir kandidiert hatten. Wir wollten Debatten anregen, auch über stärkere Bürgerbeteiligung. Der Bürgermeister ist es gewohnt, sich politische Zustimmung zu kaufen. Er hat aber nicht die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich und erhielt nur 24 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 60 Prozent; eine Stichwahl gibt es beim Bürgermeisteramt nicht. Wir erhielten bei der Bürgermeisterwahl über 10.000 Stimmen und landeten auf dem zweiten Platz.

Der ehemalige Bürgermeisterkandidat für das SBX, Aldo Herrera, ist jetzt Gouverneur von Quetzaltenango. Wie kam es dazu?

Eigentlich werden die Gouverneure von regionalen Verwaltungsräten vorgeschlagen, da aber viele in Korruption verwickelte Kandidaten vorgeschlagen wurden, hat Guatemalas Präsident Bernardo Arévalo einige Kandidaten abgelehnt und im April sieben der 22 Gouverneure selbst ernannt, unter ihnen auch Aldo Herrera. Dazu ist er laut Gesetz befugt. Aldo hat viel Unterstützung vor Ort, er wird ein guter Gouverneur für Arévalo sein.

Ist das SBX parteipolitisch unabhängig?

Das ist richtig, unser Fokus liegt auf dem Lokalen, wir haben aber den Wahlsieg von Präsident Arévalo mit Freude gesehen. In Quetzaltenango stimmten schon in der ersten Runde 32 Prozent für ihn, da waren es landesweit gerade mal gut 13 Prozent; bei der Stichwahl dann über 70 Prozent. Wir haben Arévalo in der Sichwahl unterstützt und auch die Proteste ab Oktober und haben enge Kontakte zu den Abgeordneten seiner Partei Semilla. Inzwischen gibt es eine Anzeige der ultrarechten »Stiftung gegen den Terrorismus«. Diese Struktur verteidigt die kriminellen Machenschaften der korrupten Eliten und hat in den vergangenen zwei Legislaturperioden keine Anzeige gegen die Regierung erstattet. Jetzt versuchen sie Arévalos Regierung mit Anzeigen zu überziehen.

Wie geht es jetzt für Sie weiter?

Ich gehe davon aus, dass wir unsere Sitze im Stadtrat zurückbekommen. Aber unabhängig davor werden wir versuchen, für Transparenz zu sorgen, damit die Menschen wissen, wo ihre Steuergelder bleiben. Daneben werden wir uns dafür einsetzen, dass der Haushalt für die so notwendige Infrastruktur verwendet wird.

Sergio Monzón ist Stadtrat für das Bürgerkomitee SBX in Quetzaltenango

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

  • »Freiheit für Virginia Laparra«: Pressekonferenz zur Verleihung ...
    30.05.2023

    Gegen das Klima der Angst

    Guatemala: Menschenrechtspreis für inhaftierte Antikorruptionsermittlerin Virginia Laparra. Staat will Opposition zum Schweigen bringen

Regio:

Mehr aus: Ausland