Turbulente Geburt
Von Kristian StemmlerAn der Tür des Bürgersaals Wandsbek waren am Sonnabend zwei Security-Mitarbeiter postiert, Kollegen wachten im Saal. Diese Maßnahme konnte jedoch nicht verhindern, dass es bei der letzten Gründung eines Landesverbands des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) im Hamburger Nordosten zu turbulenten Szenen kam, zu hitzigen Debatten, einem Hausverbot und sogar einem Polizeieinsatz.
Schlussendlich vermeldete der Bundesvorstand, der mit der Kovorsitzenden Amira Mohamed Ali, dem Vizevorsitzen Amid Rabieh sowie den Beisitzern Fabio de Masi und Zaklin Nastic prominent vertreten war, dennoch einen Erfolg: Der Landesverband Hamburg sei gegründet und die Landesliste für die Bürgerschaftswahl aufgestellt worden. Zu Vorsitzenden wurden der Fotograf Konstantin Eulenburg und der Psychiater Jochen Brack gewählt. Brack wurde auch zum Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl am 2. März 2025 gekürt, die eine Woche nach der Bundestagswahl stattfinden wird.
Für Turbulenzen sorgten am Samstag zwei der knapp 30 erschienenen BSW-Mitglieder, Norbert Weber und Dejan Lazić. Sie hatten eine Woche zuvor mit weiteren fünf Mitgliedern bereits einen Hamburger Landesverband gegründet, allerdings ohne Zustimmung des Bundesvorstandes, der diesen Vorgang als nichtig betrachtet. Weber und Lazić stellten diverse Anträge zur Tagesordnung und zur Satzung, die aber abgewiesen wurden. Zum Polizeieinsatz kam es, als Bijan Tassavoli am Mittag zur Aufstellung der Landesliste im Foyer des Bürgersaals erschien.
Ausgerechnet die Person, die in der Partei Die Linke immer wieder mit schrägen Provokationen für Unruhe gesorgt hatte, war beim versuchten Parteiputsch von Weber und Lazić in der Vorwoche zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gekürt worden.
Christian Kruse, frisch gewählter Schatzmeister des Landesverbandes, erteilte Tavassoli Hausverbot und rief die Polizei, als der nicht gehen wollte. Zwei Polizisten nahmen Tavassolis Personalien auf, konnten aber wieder abrücken, weil das Hausverbot zurückgenommen wurde. Lazić hatte erklärt, er wolle vorschlagen, dass Tavassoli für die Landesliste kandidiert. Die Verantwortlichen befürchteten, dass die Liste ungültig werden könnte, wenn auch Nichtmitglieder dafür kandidieren dürfen.
Schmutzige Wäsche: Tavassoli attackierte den Landesvorsitzenden Brack persönlich, behauptete, er habe in dessen Praxis für Suchtmedizin Methadon angeboten bekommen. Brack wurde für seine Rede bejubelt, in der er sich als überzeugten Kriegsdienstverweigerer bezeichnete und die Militarisierung der BRD kritisierte. Die »klaren friedenspolitischen Positionen« des BSW hätten ihn motiviert, für die Partei anzutreten.
Weber kündigte gegenüber jW an, noch am Montag beim Landeswahlleiter Einspruch gegen die Liste des neuen Landesverbandes einzulegen. »Es wurden so viele formale Fehler gemacht«, sagte er. So habe Amid Rabieh die Versammlungen geleitet, der nicht wie von der Satzung vorgegeben aus Hamburg, sondern aus NRW komme. Was ihn fassungslos mache, sei aber vor allem, »dass die Anwärter auf eine Mitgliedschaft nicht in den Saal durften«, sondern nur Mitglieder und die Presse. Weber verteidigte Tavassolis Auftritt: »Ich kenne Bijan seit Jahren und schätze ihn als begnadeten Gesellschaftskritiker.«
Für den Bundesvorstand sieht es dennoch gut aus. Wie das Hamburger Abendblatt am Freitag berichtete, gibt es gegen die von Weber und Lazić eingereichte Landesliste im Landeswahlamt Bedenken. Sie hatten den Landesverband unter einem anderen Namen angemeldet, was unzulässig sei. Laut Parteiengesetz müssen zudem die Bundesparteien ihre Landesverbände bei der Bundeswahlleiterin anmelden, was hier nicht der Fall ist. BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht hat unterdessen bekräftigt, dass die Partei sich nach der Bundestagswahl umbenennen soll. In einem innerparteilichen Prozess solle ein neuer Name gefunden werden, das Kürzel BSW solle aber bleiben.
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