21.03.2024 / Titel / Seite 1

Für den nächsten Krieg

Innere Militarisierung schreitet voran: Bundeswehr-General fordert Aufstockung des »Heimatschutzes«

Arnold Schölzel

Den gerade laufenden Krieg scheinen die für »uns« kämpfenden Ukrainer zu vergeigen. Da lautet die Konsequenz: dieses Land auf viele weitere Feldzüge vorzubereiten. Das begann vor mindestens zehn Jahren. 2014 beschloss die NATO, zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt fürs Militär auszugeben. 2019 wurde die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND) eröffnet – am neuen BND-Hauptsitz: der Chausseestraße 96–99 in Berlin-Mitte. Der Gebäudekomplex ist sogar größer als das CIA-Hauptquartier. Eine Sehenswürdigkeit.

Da aber die Bevölkerung bei Krieg verdächtig mault, folgte am 1. Oktober 2022 als nächster Schritt die Aufstellung des »Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr« mit der Zuständigkeit für »Heimatschutz«. Es residiert ein paar Kilometer nördlich vom BND in der Julius-Leber-Kaserne im Wedding. Das Einsatzführungskommando der Truppe für auswärtige Kriege besitzen »wir« bereits seit dem 1. Juli 2001 in Geltow bei Potsdam.

Erster »Heimatschutz«-Chef war Generalleutnant Carsten Breuer. Er bewährte sich unter Angela ­Merkel (CDU) beim (Miss-)Management der Covid-19-Pandemie und ist heute Generalinspekteur der Bundeswehr. Am 11. ­Februar sprach er in der Welt am Sonntag seinem obersten Dienstherrn Boris Pistorius (SPD) nach: »In fünf Jahren müssen wir kriegstüchtig sein.« Und plauderte gleich aus, wo der Schuh besonders drückt: Es brauche eine »›Gedankenwende‹, sowohl in der Gesellschaft als auch – und vor allem – in der Bundeswehr«.

Darum kümmern sich inzwischen viele Kriegsertüchtiger. In der vergangenen Woche verlangte etwa die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP): Schulen sollten Schutzübungen abhalten, ein »unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr« entwickeln und Jugendoffiziere berichten lassen. Im übrigen seien die Zivilklauseln gegen militärische Forschung an Hochschulen überholt; sie würden »unseren nationalen Sicherheitsinteressen und dem Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten nicht mehr gerecht«. In Bild am Sonntag äußerte sich Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, einvernehmlich: »Der Ukraine-Krieg schafft ein neues Bewusstsein für militärische Bedrohung, das auch an Schulen vermittelt werden muss.«

Am Mittwoch meldete sich nun der Nachfolger Breuers an der Spitze des Territorialkommandos, Generalleutnant André Johannes Bodemann, über dpa zu Wort. Bis Ende März hat er den »Operationsplan Deutschland« (Oplan Deu) auszuarbeiten – das Gerüst der Kriegsertüchtigung. So etwas gab es bisher nur im Kalten Krieg. Bodemann: »Sechs Heimatschutz-­Regimenter reichen nicht aus, um die verteidigungswichtigen Infrastrukturen zu schützen, wenn ich sie ausschließlich mit Heimatschutz schützen möchte.« Der Hintergrund: Die Bundeswehr stellt bis 2027 sechs »Heimatschutz«-Regimenter auf, denen dann schätzungsweise 6.000 Menschen angehören werden. Im Oplan Deu steht, wie die Zusammenarbeit von Bundeswehr, Polizei, Katastrophenschutz, Rettungsstellen und Geheimdiensten funktionieren soll. Wirtschaftszweige wie die Logistik- und Energiebranche sind eingebunden. Apropos Ertüchtigung: Ein großes Thema sei dabei auch die Verkehrsinfrastruktur. Der General: »Wir alle wissen: Ertüchtigung von Brücken, Neubau von Brücken und Tunnels … kostet viel Geld.«

Die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Kräfte betreffe alle »Sensoren, die wir in Deutschland haben«. Dies gelte »schon jetzt, also unterhalb von einem Kriegszustand, von einem Spannungsfall oder dem Verteidigungsfall, von Artikel 5 (des Nordatlantikvertrags), weil wir jetzt schon Bedrohungen sehen.«

Im Herbst wird Oplan Deu erstmals geübt. Deutschland wird kriegs­tüchtiger.

https://www.jungewelt.de/artikel/471803.militarismus-in-der-brd-für-den-nächsten-krieg.html