23.03.2024 / Inland / Seite 4

Länder geben Hanf frei

Bundesrat verzichtet auf Blockade von Cannabisgesetz. Regierung reagierte auf Kampagne der Union mit Zugeständnissen

Kristian Stemmler

Die Störmanöver der Union auf den letzten Metern blieben augenscheinlich ohne Erfolg. Am Freitag hat der Bundesrat das vom Bundestag im Februar beschlossene Gesetz zur Entkriminalisierung von Cannabis verabschiedet. Damit kann es am 1. April in Kraft treten. Zwar war das Gesetz nicht zustimmungspflichtig, der Bundesrat hätte es aber in den Vermittlungsausschuss beider Parlamente schicken und damit verzögern können. Vor allem die unionsgeführten Landesregierungen hatten teils offen mit Blockade gedroht – weshalb Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Donnerstag abend eine Protokollerklärung der Bundesregierung angekündigt hatte, in der viele Bedenken der Länder aufgriffen würden.

Die für die Anrufung des Ausschusses notwendige Mehrheit – 35 von 69 Stimmen – kam am Freitag nicht zustande. Das dürfte daran gelegen haben, dass sich Koalitionsregierungen üblicherweise enthalten, wenn sie sich nicht einig sind. So hatte das CDU-regierte Sachsen-Anhalt eine Enthaltung in der Länderkammer angekündigt. Ebenso Manuela Schwesig, die einer SPD-Linke-Regierung in Mecklenburg-Vorpommern vorsteht. In Schwerin sehe man es kritisch, dass große legale Cannabisplantagen entstehen könnten. Der Bund habe zugesagt, das Gesetz an dieser Stelle zu ändern. Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) hatte Bedenken, dass die Vorbereitungszeit für Vollzugsbehörden zu kurz sei. Für die Anrufung des Vermittlungsausschusses hat offenbar das »grün-schwarz« regierte Baden-Württemberg gestimmt. Der Bevollmächtigte beim Bund, Rudi Hoogvliet, hatte das gegenüber dpa angekündigt. Der Bundesrat selbst dokumentiert das Abstimmungsverhalten nicht.

Unionspolitiker traten vor der Entscheidung öffentlich auf, als würde der Untergang des Abendlandes bevorstehen. So nannte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) das Cannabisgesetz eine »Katastrophe für Deutschland« und raunte: »Welche Welle da auf uns zurollt, ist vollständig unverantwortbar.« Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) erklärte in der Sitzung, es werde »mehr Todesfälle als bisher geben, die mittelbar mit dem riskanten Cannabiskonsum zusammenhängen«, etwa Verkehrstote. CDU-Chef Friedrich Merz hatte vor der Sitzung gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gewarnt: Grünes Licht für die Teillegalisierung sei eine »fatale Fehlentscheidung«. Er sehe ernste negative Auswirkungen auf die Gesundheit insbesondere junger Menschen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte sich auch vehement gegen das Gesetz ausgesprochen.

Ates Gürpinar, drogenpolitischer Sprecher der Linke-Gruppe im Bundestag, begrüßte dagegen die Entscheidung des Bundesrates. Es sei »ein Erfolg für Millionen von Cannabiskonsument:innen, deren Konsum endlich aus der Kriminalität herausgeholt wird«, erklärte er schriftlich auf Anfrage von junge Welt. Allerdings sei die Entkriminalisierung von Cannabis »nur ein erster Schritt – mit vielen Mängeln«. Die versprochene Legalisierung sei ausgeblieben, fundierte Präventionskonzepte fehlten, Grenzwerte seien willkürlich gewählt und in der Realität schwer zu kontrollieren.

Das Gesetz erlaubt den Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis (in den eigenen vier Wänden von bis zu 50 Gramm). Auch der Anbau von drei Cannabispflanzen für den Eigenverbrauch in der eigenen Wohnung wird legal. Für Minderjährige bleiben Besitz und Konsum verboten. Ein Konsumverbot besteht zudem in Sichtweite von Schulen und Kindertagesstätten sowie in Fußgängerzonen vor 20 Uhr. Erlaubt werden sollen auch nichtkommerzielle »Anbauvereinigungen« für Volljährige.

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