25.03.2024 / Ausland / Seite 7

Im Schatten der Hungersnot

Gazakrieg: UN-Generalsekretär besucht Rafah und fordert Waffenstillstand. Israel setzt Angriffe auf Krankenhäuser fort

Karin Leukefeld

UN-Generalsekretär António Guterres hat Israel am Sonnabend bei einem Besuch des Grenzübergangs Rafah aufgefordert, mehr Hilfsgütertransporte in den vom Krieg verwüsteten Gazastreifen passieren zu lassen. Guterres nannte es eine »moralische Schande«, dass auf der ägyptischen Seite Hunderte Lastwagen Schlange stünden, während auf den Menschen jenseits der Grenze »der Schatten einer Hungersnot« liege. Am Grenzübergang Rafah sehe man »Leid und Herzlosigkeit«, sagte Guterres und forderte erneut einen Waffenstillstand. Der UN-Generalsekretär hatte zuvor in Kairo den ägyptischen Präsidenten Abd Al-Fattah Al-Sisi getroffen und in der Hafenstadt Al-Arisch in einem Krankenhaus palästinensische Verwundete besucht.

Guterres’ Besuch sei Teil seiner jährlichen Solidaritätsreise zum Ramadan durch die Region, hatte UN-Sprecher Farhan Haq am Freitag in New York mitgeteilt. Der UN-Generalsekretär werde nach seinem Aufenthalt in Ägypten auch nach Jordanien reisen, wo er unter anderem Einrichtungen des UN-Hilfswerks für Palästina (UNRWA) besuchen wolle.

Der israelische Außenminister Israel Katz reagierte per Kurznachrichtendienst X auf den Guterres-Besuch am Grenzübergang Rafah. Guterres habe auf der ägyptischen Seite gestanden »und Israel die Schuld für die Situation in Gaza gegeben, ohne in irgendeiner Weise die Hamas-IS-Terroristen zu verurteilen, die die humanitäre Hilfe plündern«. Auch habe der UN-Generalsekretär nicht die UNRWA verurteilt, »die mit den Terroristen zusammenarbeitet«. Unter der Leitung von Guterres sei die UNO eine »antisemitische und antiisraelische Einrichtung geworden, die dem Terror Schutz bietet und ihn ermutigt«, so Katz.

Der Grenzübergang Rafah führt zur gleichnamigen palästinensischen Stadt, die im Süden des Gazastreifens liegt. Israels Kriegskabinett unter Premierminister Benjamin Netanjahu und die Streitkräfte des Landes haben wiederholt eine großangelegte militärische Offensive auf Rafah angekündigt, um die Hamas zu vernichten. In Rafah befinden sich aktuell rund 1,4 Millionen Inlandsvertriebene, die vor israelischen Angriffen im Norden des Küstenstreifens, in Gaza-Stadt, Khan Junis und zahlreichen Flüchtlingslagern, geflohen sind. Rafah wird fast täglich bombardiert.

Der Angriff der israelischen Armee auf das Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt dauert nun seit einer Woche an. Die Armee gibt an, dass palästinensische Kämpfer dort ein Operationszentrum unterhielten. 170 von ihnen seien eliminiert worden, teilte die israelische Armee am Sonntag mit, Hunderte seien festgenommen worden und würden verhört. Mindestens 160 Personen sollen nach Israel abtransportiert worden sein.

Am Sonntag griff die israelische Armee auch die Umgebung der Amal-Klinik in Khan Junis an. Das Krankenhaus wird vom Palästinensischen Roten Halbmond geleitet. Eine Sprecherin berichtete im Interview mit dem Sender Al-Dschasira, die israelische Armee schieße Rauchbomben in die Klinik und habe die Zugänge blockiert. Personal, Patienten und Inlandsvertrieben würden über Lautsprecher aufgefordert, die Klinik unbekleidet zu verlassen, also nackt.

Die Hamas hatte bereits am Donnerstag das »beschämende Schweigen« angesichts der Angriffe auf das Al-Schifa-Krankenhaus und der an den in dem Gebäude gefangenen Menschen begangenen Verbrechen verurteilt. Die »internationale Gemeinschaft« und die UNO hätten »auf beschämende Weise moralisch versagt«, weil sie die »israelische Tötungsmaschinerie« nicht stoppten und weiter Waffen an Israel geliefert würden.

Es geht dabei nicht allein um Waffenlieferungen. Die Informationsstelle Militarisierung in Tübingen und die in London ansässige Organisation Statewatch haben am Wochenende einen Bericht veröffentlicht, nach dem die EU an der Entwicklung israelischer Drohnen beteiligt ist, wie sie im Gazakrieg zum Einsatz kommen. So werde Xtend, ein Drohnenhersteller der israelischen Streitkräfte, aus Forschungs- und Entwicklungsmitteln des EU-Fonds »Horizon Europe« finanziert. Auch andere israelische Rüstungsfirmen und Institutionen erhielten seit Jahren Millionen Euro für die Entwicklung von Drohnen.

https://www.jungewelt.de/artikel/472034.nahostkonflikt-im-schatten-der-hungersnot.html