10.04.2024 / Antifaschismus / Seite 15

Rädelsführer sollen vor Gericht

Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen vier mutmaßliche Mitglieder von »Combat 18«

Steve Hollasky, Dresden

Vier Männer sollen trotz Verbots die Strukturen der militanten Neonaziorganisation »Combat 18 Deutschland« aufrecht erhalten haben. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hat deshalb Anklage gegen die mutmaßlichen Anführer erhoben, wie die Behörde am Donnerstag mitgeteilt hatte. Derartige Aktivität gegen »Combat 18« in der Bundesrepublik habe deutlich zu lange auf sich warten lassen, erklärte der Politikwissenschaftler Hajo Funke, Spezialist für die extreme Rechte in Deutschland, am Sonntag im Gespräch mit junge Welt. Seiner Auffassung nach wurde die Gruppe »lange verharmlost«. Konkret werden den vier Männern die Organisierung von 14 konspirativen Treffen, von Konzerten und Aufnahmeritualen vorgeworfen.

Erst im Januar 2020 war der Kampfgruppe, deren Zahlencode im Namen für die Initialen Adolf Hitlers steht, durch den damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die Betätigung untersagt worden. Der Schritt zum Verbot hatte mehrere Monate gedauert, was den Mitgliedern der Gruppe im Zweifelsfall Zeit gelassen haben dürfte, um beispielsweise Beweise verschwinden zu lassen. Folglich wurde die lange Spanne zwischen Ankündigung und Vollzug des Verbots heftig kritisiert. Dabei hatte längst belastendes Material vorgelegen. Schon 2019 recherchierte das Onlinemagazin »Strg F« Details aus dem Innenleben von »Combat 18 Deutschland«. Mitglieder wurden »Brüder« genannt, mussten monatlich 15 Euro Mitgliedsbeitrag zahlen und sich regelmäßig treffen. Als Kassierer schien damals Stanley R. zu fungieren, der nun einer der vier Angeklagten im Prozess ist.

Gegenüber jW verdeutlichte Funke die enorme Bedeutung R.s für die Vereinigung. Demnach soll dieser nicht nur mit »Stephan Ernst persönlich bekannt« gewesen sein, sondern war auch eine zentrale Figur der Neonaziszene in Kassel. Ernst seinerseits ist ein mehrfach vorbestrafter Neonazi, der 2019 den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) ermordete, nachdem dieser auf einer Veranstaltung die Eröffnung einer Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete verteidigt hatte.

Ein weiterer Angeklagter, Robin Sch., trat wiederholt als rechter Gewalttäter in Erscheinung und war »Brieffreund der Rechtsterroristin Beate Zschäpe«, wie Funke gegenüber dieser Zeitung darstellte. Sie zählte zum Kerntrio des rechtsterroristischen »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) und wurde 2018 für die Beteiligung an zehn Morden des NSU zu lebenslanger Haft verurteilt. Sch. soll mit anderen zusammen die »Oidoxie Streetfighting Crew« gebildet haben, die den Saalschutz für die faschistische Band »Oidoxie« organisierte. Laut Antifarecherchen, die auf dem Portal antifabochum.noblogs.org veröffentlicht wurden, soll Sch. beim Überfall auf einen Supermarkt einen Migranten niedergeschossen haben.

Ein weiterer Angeklagter ist Gregor M., der den »One Eight Versand« für Nazimusik betreibt. Vierter im Bunde ist der Züricher Neonazi Kevin G. Der fällt nicht nur mit zahlreichen szenetypischen Tattoos wie »RaHoWa«, was für »Racial Holy War« steht, auf, sondern auch mit mehreren Bandprojekten. Er soll der Band »Erschießungskommando« zuzurechnen sein, die in einem Lied zum Mord an der Linke-Politikerin Katharina König-Preuss aufruft. Zudem ist er Gründungsmitglied der Rechtsrockband »Amok«, die dem verbotenen Netzwerk »Blood and Honour« zuzurechnen ist.

»Combat 18« gilt als bewaffneter Arm von »Blood and Honour«. Doch obwohl letztere Organisation schon seit 2000 verboten ist, durfte »Combat 18« bis 2020 weiter legal agieren. Das von dem Zusammenschluss erstellte Konzept des »führerlosen Widerstands«, wonach Rechtsterroristen in Zellen von drei Leuten organisiert sein und Anschläge ohne Bekennerschreiben unternehmen sollen, entspricht genau der Vorgehensweise des NSU. Das Oberlandesgericht Düsseldorf muss nun über die Zulassung der Anklage entscheiden. Derweil sind die vier Angeklagten auf freiem Fuß.

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