18.04.2024 / Ausland / Seite 7

»Globale Front« gegen Iran

Baerbock und Cameron zu Gesprächen in Israel. Neues Massengrab im Schifa-Hospital in Gaza gefunden

Jakob Reimann

Bereits zum siebten Mal seit Kriegsbeginn am 7. Oktober ist Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) zu Gesprächen nach Israel gereist. International macht sich die Sorge um einen Flächenbrand in der Region breit. Denn erstmals in der Geschichte hatte Iran in der Nacht zum Sonntag von seinem Staatsgebiet aus Israel direkt angegriffen. Teheran bezeichnete die Militäroperation »True Promise« als Reaktion auf den mutmaßlich israelischen Angriff auf das iranische Konsulat in Damaskus am 1. April. Bei diesem sollen 16 Personen getötet worden sein. Nach Angaben des israelischen Militärs wurden »99 Prozent« der über 500 von Iran und seinen Verbündeten abgefeuerten Drohnen und Raketen abgefangen. Am Montag abend hatte der israelische Generalstabschef Herzl Halevi schließlich »eine Reaktion« auf die iranischen Angriffe angekündigt, nachdem sich am Nachmittag das israelische Kriegskabinett zum vierten Mal innerhalb zweier Tage versammelt hatte, berichtete der britische Guardian am Mittwoch.

Der »kleinste« Angriff Israels auf Iran werde »heftig geahndet«, warnte der iranische Präsident Ebrahim Raisi am selben Tag während einer jährlichen Militärparade in Teheran. Der Angriff auf Israel am Wochenende sei lediglich »begrenzt und bestrafend« gewesen. Wenn Iran »eine stärkere Operation durchgeführt hätte, dann wäre nichts von Israel ausgelassen worden«, behauptete Raisi laut CNN. Zusammen mit ihrem britischen Amtskollegen David Cameron begann Baerbock am Mittwoch in Jerusalem Krisengespräche mit dem israelischen Staatspräsidenten Isaac Herzog, meldete dpa. Nach Angaben aus Herzogs Büro war die Unterredung »warm«. »Die ganze Welt muss entschieden und standhaft gegen die Bedrohung vorgehen, die das iranische Regime darstellt«, so Herzog laut dpa. Und auch Baerbock wollte bereits im Vorfeld der Reise den Alleinschuldigen der Krise in Nahost identifiziert haben: »Iran spielt mit dem Schicksal aller Menschen im Nahen und Mittleren Osten«, hieß es am Dienstag auf X. Teheran habe »eine ganze Region an den Abgrund geführt«, so die Grünen-Politikerin mit ihrer sonderbaren Darstellung der Ereignisse. Ebenfalls vor Reiseantritt hatte Baerbock am Telefon mit Benjamin Gantz, Mitglied des israelischen Kriegskabinetts, über die Bildung einer »globalen Front« gegen Iran gesprochen, schrieb die Frankfurter Rundschau am Dienstag. Indes forderte SPD-Außenpolitiker Michael Roth für eine weitere Isolierung Irans »ein engeres Verhältnis« zu »den moderaten arabischen Staaten«, zu denen der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages »die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Ägypten, Marokko, Saudi-Arabien« zählte. Rüstungsexporte in solche Länder schloss Roth dabei ausdrücklich mit ein. Diese Länder bilden im wesentlichen die Kriegskoalition, die seit März 2015 auch mit deutschen Waffen einen brutalen Krieg gegen die Zivilbevölkerung im Jemen führt.

Unterdessen wurde in Gaza auf dem Areal des Schifa-Hospitals ein weiteres Massengrab gefunden, wie am Montag Al-Dschasira mitteilte. Nach einer ersten Belagerung und Angriffen seitens des israelischen Militärs im November wurde das größte Krankenhaus im Gazastreifen im März erneut für zwei Wochen belagert und im Grunde vollständig zerstört. Die israelischen Streitkräfte hätten dabei »Hunderte Palästinenser getötet und ihre Leichen der Verwesung überlassen«, berichtete CNN unter Berufung auf Augenzeugen. Während Israel behauptet, es habe im Schifa-Klinikum gegen Militante gekämpft und während der zweiwöchigen Belagerung »Hunderte Terroristen getötet oder gefangengenommen«, wofür jedoch nie Beweise vorgelegt wurden, waren Pflegekräften zufolge die meisten der Toten eindeutig Patienten. Schon zuvor waren Massengräber entdeckt und dabei mindestens 381 Leichen im Krankenhauskomplex geborgen worden. »Schifa wurde buchstäblich in einen Friedhof verwandelt«, sagte ein leitender UN-Mitarbeiter in einer Videobotschaft auf X. Am Dienstag habe das israelische Militär bei einem Angriff auf einen Spielplatz im Maghasi-Geflüchtetenlager elf Kinder getötet, berichteten verschiedene arabische Medien. Das Lager war bereits seit längerem überbelegt. Infolge des aktuellen Krieges sind Tausende weitere Familien dort zusammengepfercht.

https://www.jungewelt.de/artikel/473602.nahostkonflikt-globale-front-gegen-iran.html