20.04.2024 / Schwerpunkt / Seite 3

Mehr Repression zur Wahl

Regierung Ecuadors lässt neoliberales Law-and-Order-Referendum abhalten

Volker Hermsdorf

Mit dem Überfall von Spezialeinheiten auf die mexikanische Botschaft in Quito und der Entführung des ehemaligen Vizepräsidenten Jorge Glas am 5. April versucht Staatschef Daniel Noboa offenbar das rechte Lager zu einen, um sein politisches Überleben zu sichern. Zwei Tage nach dem weltweit verurteilten Angriff auf die diplomatische Mission begann die am Donnerstag beendete Kampagne für ein Referendum, mit dem der Bananenunternehmer restriktive neue Gesetze rechtfertigen und die Verfassung ändern will. Die erneute Inhaftierung von Glas ist auch ein Versuch, von Kritik an dem Projekt abzulenken.

Bei dem Referendum am kommenden Sonntag, dessen Ausgang für Noboas Zukunft entscheidend sein kann, stehen elf Fragen zur Abstimmung. Unter anderem geht es darum, die Verfassung so zu verändern, dass die Streitkräfte künftig auch ohne Ausnahmezustand ermächtigt werden können, neben der Nationalpolizei gegen die organisierte Kriminalität vorzugehen. Kritiker lehnen das mit dem Hinweis ab, dass der Einsatz von Soldaten im Inneren unter bestimmten Bedingungen bereits heute möglich sei und zudem Teile des Militärs von Kriminellen unterwandert seien. Am Montag unterzeichneten mehr als 150 Professoren von 21 Universitäten ein Manifest gegen Militarisierung, Repression und Rassismus, in dem sie davor warnen, dass »der Militarisierungsprozess, der kriminelle Gewalt eindämmen soll, mehr Gewalt erzeugt, als er zu bekämpfen vorgibt«. Auch eine weitere geplante Verfassungsänderung, mit der die Auslieferung von ecuadorianischen Staatsbürgern ins Ausland erleichtert werden soll, trifft auf wenig Gefallen.

In anderen Fragen will der Staatschef neoliberale Weichenstellungen legitimieren lassen. So sucht Noboa etwa Unterstützung für sein Vorhaben, internationale Schiedsgerichte als künftige Methode zur Beilegung von Streitigkeiten mit multinationalen Konzernen anerkennen zu lassen. Laut Kritikern würden den Multis damit unvertretbare Vorteile beispielsweise zur Durchsetzung von Entschädigungsforderungen verschafft, die Souveränität des eigenen Landes würde eingeschränkt. Weitere Punkte zielen auf eine Flexibilisierung der Arbeitsgesetze zugunsten von Unternehmen ab, um die Ausweitung von Zeit- und Stundenverträgen zu ermöglichen.

Während die »Revolución Ciudadana« und andere linke Parteien, der indigene Dachverband »Conaie«, die Gewerkschaften und soziale Bewegungen das Referendum ablehnen, wird es von Unternehmerverbänden sowie den Rechtsparteien »Construye« und dem »Partido Social Cristiano« unterstützt. Mit einem Erfolg bei der Volksabstimmung hofft Noboa, dessen Zustimmungswerte angesichts der desolaten Wirtschafts- und Sicherheitslage im Land zuletzt dramatisch gesunken waren, seine Wiederwahl zu sichern. Da er im vergangenen Jahr nur für die restliche Amtszeit seines zurückgetretenen Vorgängers Guillermo Lasso gewählt worden war, sind für Februar 2025 erneute Präsidentschaftswahlen angesetzt.

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