Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Montag, 23. Dezember 2024, Nr. 299
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26.07.2024, 12:57:20 / jW stärken!

Zur Zukunft der jungen Welt

Von Verlag, Redaktion und Genossenschaft

Liebe Leserinnen und Leser der Tageszeitung junge Welt,

Paragraph fünf, Absatz eins des Grundgesetzes legt fest: »Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.« Dieser hohe Anspruch stimmt mit der Wirklichkeit nicht überein, wie der Gründungsherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Paul Sethe, schon 1965 feststellte: »Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten«.

Anspruch und Realität

Immerhin waren einige darunter, die im Herstellen von Presseprodukten nicht nur eine Option sahen, Kapital rentabel zu verwerten: Verleger, die sich auch der Aufklärung, der Bildung und dem Fortschritt verpflichtet sahen. Mittlerweile ist die Zahl der gedruckten Presseerzeugnisse, vor allem aber die Zahl ihrer Eigentümer weiter stark gesunken. Und der einst hehre Anspruch, wichtiger Bestandteil einer bürgerlichen Demokratie zu sein, wird immer mehr durch reine Profitlogik verdrängt. Aufgrund von Auflagen- und Anzeigenrückgängen, gestiegener Preise für das Herstellen und Vertreiben des Produktes und sinkenden Einnahmen scheint das Herausgeben einer gedruckten Tageszeitung auf Dauer nicht mehr rentabel. Das tägliche Anbieten eines solchen Printproduktes stellt einen wichtigen Bestandteil der bürgerlichen Demokratie dar. Weil es zum einen Voraussetzung dafür ist, »sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten«, zum anderen über das systematische Aufnehmen und Verarbeiten von Inhalten das Denken schult. All das spielt in der aktuellen Diskussion zur Zukunft der Tageszeitungen so gut wie keine Rolle.

Freier Zugang?

Zwar können Texte auch über das Internet verbreitet werden – aber ihre Zugänglichkeit und ihre freie, ungehinderte Nutzung kann schon heute erheblich eingeschränkt werden, ohne dass es den Betroffenen überhaupt auffällt. Um sich umfassend informieren zu können, braucht es weiterhin gedruckte Zeitungen – und eine adäquate Infrastruktur, wie es mit dem deutschen Grossosystem entwickelt wurde: So haben auch kleinere Verlage zumindest eine Chance, an Zeitungsverkaufsstellen präsentiert und damit allgemein zugänglich zu sein. Gedruckter Tageszeitung und Grossosystem werden in der öffentlichen Diskussion wegen der schlechten Rahmenbedingungen jedoch keine Zukunft eingeräumt. Aber anstatt diese zu verändern, demontiert sich eine ganze Branche lieber Schritt für Schritt selbst. Obwohl aufklärerische Zeitungen in Zeiten des rechten Vormarsches wichtiger denn je wären.

Rückzug nutzt Rechten

Denn von diesem Rückzug profitieren rechte und faschistische Kräfte. Mit ihren Lügen, ihrer Demagogie fördern sie Hass, Angst und Dummheit – ohne dass sie von einer wachsamen demokratischen Medienöffentlichkeit wirksam demaskiert werden. Offensichtlich ist das von den Herrschenden so gewollt, denn nur so können sie auch künftig weitgehend ungestört den Abbau demokratischer und sozialer Rechte, den Aufbau eines gigantischen Militärapparates, der nach innen wie außen wirksam sein soll, vorantreiben. Nur so kann eine Stimmung im Lande geschaffen werden, in der auch ganz offiziell Kriege wieder vorbereitet und durchgeführt werden können.

Statt dieser Entwicklung etwas entgegenzuhalten, setzen die großen Medienkonzerne ihre Ausstiegsszenarien um. Redaktionen werden zusammengelegt, geschlossen oder verkauft, coole Online-Fastfoodprodukte entwickelt, Geschäftsfelder verlegt. Selbst als links geltende Medienhäuser sind damit beschäftigt, ihre Tageszeitungen abzuschaffen. Die Tageszeitung (Taz), einst Inbegriff des alternativen Journalismus, kommt nicht auf die Idee, dass der Verfall ihrer verkauften Druckauflage weniger dem »allgemeinen Trend« zuzuschreiben ist als vor allem dem Umstand, dass sie sich selbst überflüssig macht: Zuerst über die Inhalte (Zeitungen, die mit dem deutschen Militär kooperieren, gibt es bereits genug), dann über das Format.

Dick und gemütlich?

Der Ausstieg der Taz begann vor etwas mehr als drei Jahren, als sie ihre Wochenendausgabe aufblies und darin die Zukunft der Zeitung sah (»Taz wird dick und gemütlich« hieß der dazugehörige Werbespruch). Die nächste Stufe der Demontage folgte in diesem Sommer, als Taz-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch froh verkündete, dass in vier Jahren die Taz nur noch am Wochenende als Printausgabe erscheinen wird – und dies als progressive Entwicklung verkaufte. Auch das Neue Deutschland (ND) hat sich mittlerweile von der gedruckten Tageszeitung verabschiedet und bastelt an diversen digitalen Formaten herum. Ihr nächster Schritt in die Zukunft ist das Aufblasen der Wochenendpublikation bei gleichzeitigem Ausdünnen der anderen Tagesausgaben. Mit diesem Schritt hinkt das ND der Taz zwar mehr als drei Jahre hinterher – dafür wird das ND keine weiteren vier Jahre brauchen, um sich selbst als Tageszeitung abzuschaffen. Als ob es linksliberale Wochenzeitungen nicht schon zur Genüge gäbe. Aber weder politischen Kräften wie Gewerkschaften noch Medienhäusern ist es wichtig, sich für den Erhalt von gedruckten Tageszeitungen, Pressevielfalt und Pressefreiheit in Deutschland einzusetzen.

Kampf geht weiter

Ausgerechnet die Tageszeitung junge Welt – von den Verfassungsschutzbehörden als linksextrem gebrandmarkt – ruft nun ihre Leserinnen und Leser dazu auf, gemeinsam mit ihr einen Gegenpunkt zu setzen. Eine Tageszeitung wie die junge Welt wird dringend benötigt. Und zwar täglich, digital wie gedruckt und verteilbar. Wir wollen beweisen: Wenn der Gebrauchswert einer gedruckten Zeitung groß genug ist, kann man – entgegen allen Trends – die Auflage auch steigern. »Das gedruckte Wort … hat eine Kraft, der keine Mauern gewachsen sind, irgendwo ist immer ein Riss, den sie zu durchdringen vermag«, schreibt Peter Weiss in seinem Roman »Die Ästhetik des Widerstands«. Bis Ende Februar sollen 1.300 Printabonnements und 600 Onlineabos die junge Welt stärken – im Kampf gegen Dummheit, Lüge und Hass, aber auch im Kampf für den Erhalt einer gedruckten, linken Tageszeitung.

Dietmar Koschmieder (Geschäftsführer Verlag 8. Mai)
Stefan Huth (Chefredakteur junge Welt)
Simon Zeise (Vorstandsvorsitzender LPG junge Welt eG)

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!