
Das gedruckte Wort ist eine Voraussetzung für Aufklärung. Massen konnten informiert und gebildet werden. Ohne Druckerzeugnisse hätte es kaum Aufstände und Revolutionen gegeben. Entscheidend bleibt aber bis heute, wer über die Produktionsmittel verfügt und damit die Inhalte bestimmt. In der bürgerlichen Gesellschaft haben die Kapitalfraktionen ihre Redaktionen, die Arbeiterbewegung hat eigene Zeitungen. Kein Zufall, dass W. I. Lenin der gedruckten Parteizeitung einen besonderen Stellenwert einräumte. Nun ist die junge Welt keine Parteizeitung, orientiert sich aber an den Interessen der Arbeiterklasse.
Bis heute hat eine gedruckte Tageszeitung Vorzüge im Kampf um Aufklärung und Wahrheit. Sie präsentiert auf klar begrenztem Raum eine von der Redaktion besorgte Auswahl an Informationen, Analysen und Hintergrundberichten. Bei klarer Blattdramaturgie werden Texte hierarchisiert angeboten; es gibt einen Wechsel der Formen. Beim gedruckten Wort ist es leichter zu überprüfen, welche Interessen vertreten werden. Fehler müssen offen benannt (und nicht klammheimlich korrigiert) werden. Gedrucktes wird zudem besser im Gehirn gespeichert; ist weniger flüchtig als etwas, das im Internet gelesen wird. Feste Plätze erleichtern das Entwickeln einer ganz persönlichen Lesestrategie. Geübte Zeitungsleser können ihre täglichen 15 bis 30 Leseminuten so optimal nutzen. Natürlich hat auch die Internetausgabe etwa dieser Zeitung ihre Vorteile, die machen aber das gedruckte Produkt nicht überflüssig. Für die junge Welt ist es zudem von großem Vorteil, dass sie im gesamten deutschsprachigen Raum auch über den gutsortierten Einzelhandel entdeckt werden kann, wo sie gleichberechtigt neben anderen überregionalen Zeitungen zu finden ist.
Deshalb kämpfen Verlag und Redaktion der jungen Welt für den Erhalt des Kulturgutes gedruckte Tageszeitung, stehen aber bei diesen Bemühungen ziemlich alleine da: Die Taz (ehemals Die Tageszeitung) hat angekündigt, ab Mitte Oktober 2025 nur noch die Wochenendausgabe zu drucken. Das stößt zwar bei vielen Stammlesern auf Ablehnung, aber selbst wenn die sich eine andere Zeitung suchten, lohnte sich die Druckeinstellung ökonomisch. Auch das ND (ehemals Neues Deutschland) ist auf diesem Weg, allerdings setzt es seinen Plan scheibchenweise um: Ab sofort erscheinen noch vier gedruckte Ausgaben pro Woche, es ist eine Frage der Zeit, bis auch hier nur noch die Wochenendausgabe gedruckt wird. Die Frühzustellung außerhalb von Berlin und Brandenburg wird schon jetzt eingestellt. Wie bei der Taz werden vor allem »Umweltauswirkungen wie Papier- und Ressourcenverbrauch in der Zeitungsbranche« als Argument für den Abschied vom Zeitungsdruck genannt, in Wirklichkeit geht es darum, sinkenden Einnahmen durch Kostensenkung zu begegnen. Auch bei einer Reihe von regionalen Tageszeitungen wird aus solchen Gründen die Belieferung der gedruckten Ausgabe deutlich eingeschränkt. In allen Fällen wird versucht, das Produkt künftig digital zur Verfügung zu stellen. Ob es allerdings gelingt, auf diesem Weg ausreichend Erträge zu generieren und neue Reichweiten zu gewinnen, darf stark bezweifelt werden.
Im Pressehandel spielen ND und Taz schon heute kaum mehr eine Rolle. Vor einigen Jahren haben beide Zeitungen zusammen das Zehnfache der junge Welt-Verkäufe realisiert, heute verkauft die jW dort mehr als Taz und ND zusammengenommen. Das liegt nicht nur am unverwechselbaren inhaltlichen Profil der jW, sondern auch daran, dass die beiden anderen Zeitungen den Kampf um eine gute Präsenz im Einzelhandel aufgegeben haben. Und das, obwohl das Presse-Grosso in Deutschland gerade kleineren Titeln einen Platz in den Regalen des Einzelhandels garantiert. Das heißt nicht, dass überall im Land in jeder Auslage mindestens eine Tageszeitung junge Welt verfügbar ist. Aktuell ist die jW aber immerhin an ca. 5.000 Verkaufsstellen zu erwerben. Presse- und Meinungsfreiheit werden auch am Kiosk verteidigt. Deshalb wirbt die Tageszeitung junge Welt in den nächsten Wochen auf vielen digitalen und analogen Wegen für den Kauf am Kiosk.