Nicht vom Himmel gefallen
Die abschließende Podiumsdiskussion der diesjährigen Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz verhandelt die Frage »Wer stoppt die Rechten?« Mit jW-Chefredakteur Stefan Huth diskutieren die Journalistin Alev Bahadir (DIDF), Żaklin Nastić (MdB, BSW), Shabnam Shariatpanahi (DKP), Luca Stüven (Perspektive Kommunismus) und Gerd Wiegel (Leiter des Referats »Demokratie, Migrations- und Antirassismuspolitik« beim DGB-Bundesvorstand).
Alev Bahadir sagt, der Aufstieg der AfD sei nicht vom Himmel gefallen. Eine jahrzehntelange neoliberale Politik habe den Boden dafür vorbereitet. 2024 werde einmal mehr ein Jahr drastischer Kürzungen werden. Der arbeitenden Bevölkerung werde der Boden unter den Füßen weggezogen. In Zeiten von wirtschaftlicher Not gebe es zwei Möglichkeiten: Entweder gelinge es den linken Kräften, die Ursachen aufzuzeigen und Auswege anzubieten. Oder rechte Kräfte nutzen diese Lage für ihre Politik. Linke Kräfte müssten stärker eigene Akzente setzen.
Auch Gerd Wiegel geht davon aus, dass die aktuellen Entwicklungen eine Vorgeschichte haben, die 20 bis 25 Jahre zurückreicht. Gewerkschaftliche Kräfte seien zum Teil den Weg des Neoliberalismus mitgegangen. Nun stehe man vor einer fundamentalen Krise der liberalen parlamentarischen Demokratie. Wiegel fordert eine schärfere inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD. Inhaltlich habe diese Partei einem Großteil ihrer Wähler nichts zu bieten. Sie würden statt dessen die Zeche zahlen, wenn die AfD einmal regiere. Aber nun sei die Lage sei so, dass sich mancher Gewerkschaftssekretär in Ostdeutschland überlege, ob er bei Betriebsversammlungen das Thema AfD kritisch anschneide: Da würden viele sagen, das sei »meine Partei«.
Żaklin Nastić geht auf die Vorgeschichte ihres Austritts aus der Linkspartei ein. Die herrschende Politik sei die Ursache dafür, dass die AfD erstarkt sei. Es brauche Gegenmodelle; die Linkspartei, legt sie nahe, biete dieses Gegenmodell nicht mehr; Nastić nennt als Beispiel den Umgang mit der Friedensbewegung. Deshalb sei der Austritt ein notwendiger Schritt gewesen.
Shabnam Shariatpanahi wirbt für antikapitalistische und antifaschistische Bündnisse und führt Beispiele aus der politischen Arbeit in Duisburg an. Man müsse mit den Menschen ins Gespräch kommen; das gehe nicht über Theorie, sondern über Arbeit auf der Straße.
Luca Stüven berichtet über die Arbeit der Antifaschistischen Aktion Süd. Diese sei ein positives Beispiel in einer Zeit, in der die antifaschistische Bewegung in einer Situation relativer Schwäche dastehe. Es gehe nicht nur darum, den Rechten das Wasser abzugraben. Die Positionen der Rechten müssten als feindliche Klassenpositionen entlarvt werden. Außerdem müsse der Handlungsspielraum der Rechten eingeschränkt werden.
Alev Bahadir geht auf Versuche der AfD ein, türkeistämmige Menschen für sich zu gewinnen. Man dürfe nicht übersehen, dass die Spaltungsversuche auch innerhalb migrantischer Gruppen stattfinden. Die herrschende Klasse betreibe Migrationspolitik als Druckmittel gegen die Arbeiterklasse. Das biete Möglichkeiten, Menschen mit Migrationshintergrund, die hier geboren sind, gegen Menschen auszuspielen, die gerade ankommen. Ohnehin seien rückschrittliche Kräfte etwa unter türkeistämmigen Menschen aktiv. Der deutsche Staat habe ein Interesse, die Arbeiterklasse zu spalten, der türkische Staat auch. Deutscher Rassismus und türkischer Nationalismus müssten gleichermaßen bekämpft werden.
Gerd Wiegel sagt, die Gewerkschaften seien vermutlich die größte migrantische Organisation in Deutschland. Die Politik der Gewerkschaften habe sich in den vergangenen Jahren verändert und sei nicht mehr so stark auf »deutsche Stammbelegschaften« ausgerichtet. Ein Teil der Arbeiterklasse sei Arbeitsbedingungen ausgesetzt, die zu Spaltungstendenzen führen. Die Gewerkschaften müssten deutlich machen, dass sich die gemeinsamen Interessen im Betrieb gegen die Kapitalseite und nicht gegen die Kollegen aus der Türkei oder Polen.
Żaklin Nastić erklärt, dass sich der Kampf gegen alle Rechten richten müsse. Die Regierung kenne ja auch »gute Faschisten«, zum Beispiel in der Ukraine. Die AfD sei für enorme Aufrüstung, für NATO-Beitritte. Um die AfD zu entlarven, müsse man die Herrschenden entlarven.
Shabnam Shariatpanahi betont, kein Mensch, der fliehe oder migriere, tue das freiwillig. Auch diese Menschen müssten Linke vertreten.
Zuletzt äußern sich die Diskutanten zur Frage eines AfD-Verbots. Gerd Wiegel findet die Debatte richtig, der konkrete Versuch könne aber zum Bumerang werden. Żaklin Nastić sieht das ähnlich. Ein Parteiverbot sei sehr schwierig und löse das zugrundeliegende politische Problem nicht. Alev Bahadir sagt, dass sich eine solche Verbotspraxis auch gegen Linke richten könnte. Die Debatte sei insofern auch scheinheilig, weil sie von SPD oder Grünen ausgehe, die der AfD mit ihrer Politik den Boden bereitet hätten. Luca Stüven nennt diese Auseinandersetzung eine Auseinandersetzung im bürgerlichen Lager. Der Faschismus sei ohnehin immer die letzte Option der Herrschaftssicherung im bürgerlichen Lager. Die Verbotsdiskussion führe auch zu einer gewissen Passivität bei den Gegnern der AfD. (np)
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