Zum Tode verurteilter US-Bürgerrechtler live bei der XV. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin. Fotos von Christian Mang und Christian Ditsch
Linke sind winterfest. Dem Sturmtief »Daisy« zum Trotz sind am 9. Januar mehr als 1400 Interessierte zur XV. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in der Berliner Urania gekommen. Die von der Tageszeitung junge Welt organisierte Großveranstaltung am Vorabend der traditionellen Luxemburg-Liebknecht-Ehrung hat sich mit der Zeit zum politischen Jahresauftakt entwickelt, Wildbad Kreuth auf links minus Personalquerelen. Man sieht und freut sich bei einem Glas Mojito, schaut sich an den unzähligen Büchertischen nach geistiger Nahrung um, diskutiert mit den Referenten …
Aus allen Regionen Deutschlands sind Besucher wie Unterstützer angereist, selbst aus den Nachbarländern und dem ferneren Baskenland, um Silvia Ayala (Honduras), Erika Baum (Berlin), Enrique Ubieta (Kuba), Pierre Levy (Frankreich) und Michel Chossudovsky (Kanada) zu hören (siehe jW vom 11. Januar 2010). Und dazwischen Musik, Musik, Musik. Die Tages-, wenn nicht Jahreslosung: »Wer nicht alles ändert, ändert gar nichts.« Klare Ansage, klare Aufgabe. Ran an die Arbeit.
Emotionaler Höhepunkt der diesjährigen Konferenz war ohne Zweifel das fünfzehnminütige Gespräch zwischen Mumia Abu-Jamal und dessen Verteidiger Robert R. Bryan. Der seit 1982 inhaftierte afro-amerikanische Publizist und Bürgerrechtler hatte aus dem Todestrakt von Waynesburg, Pennsylvania, während der Rede seines Rechtsanwalts angerufen. Bryan hielt auf der Bühne stehend sein Handy kurzerhand ans Mikro und schaltete damit seinen Mandanten live zur Rosa-Luxemburg-Konferenz. Tosender Applaus setzte ein, und immer wieder »Hoch die internationale Solidarität!«, als Mumias Stimme im überfüllten Kleist-Saal zu hören war. »That is ›sehr gut‹«, antwortete der (siehe jW vom 15. Januar 2010). Nicht wenige hatten Tränen in den Augen. Todesstille, als er sein Leben in der Todeszelle schilderte. Vierundzwanzig Stunden eingesperrt im badezimmerkleinen Käfig, seit fast dreißig Jahren, kämpfend gegen die drohende Hinrichtung, auch mit seiner wöchentlichen Kolumne in junge Welt.
Deutlich nach Konferenzende traf eine Gruppe Münsteraner in der Urania ein. 15 Stunden lang hatten sie sich im Bus gegen die Schneemassen nach Berlin durchgekämpft. Ihnen blieben Konzert und Demonstration am Sonntag. Für sie und alle anderen Interessierten gibt’s am 27. Januar in einer jW-Extrabeilage die Referate auszugsweise zum Nachlesen. Im März die ganze Konferenz wie gehabt als kompakte Broschüre. Und am zweiten Samstag im Januar 2011 sehen wir uns alle wieder auf der dann XVI. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz. Nicht alles nämlich muß geändert werden.
12.10.2021 16:36 Uhr
»Da war sehr viel Genossenschaftliches«
Bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz präsentierte sich die außerparlamentarische Linke. Ein Gespräch mit Erika Baum
Gerd Feldkamp
Erika Baum, geboren 1924 in Wien, war bereits als Jugendliche nach dem Anschluß Österreichs an das faschistische Deutschland in die illegale Arbeit der Kommunisten einbezogen. Seit 1945 engagiert sie sich im Kampf gegen neue faschistische Gefahren, heute ist sie in der DKP aktiv.
Sie waren Referentin bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz der jungen Welt. Welche Eindrücke haben Sie von dieser Tagung mitgenommen?
Ich hatte den Eindruck, daß es bei den Teilnehmern in wesentlichen Bezügen ihres Denkens und Lebens eine Übereinstimmung und Verbindung gab. Da war sehr viel Freundschaftliches untereinander, Genossenschaftliches also.
Andererseits traten sehr viele unterschiedliche Gruppen auf – ist das nicht eher verwirrend und spaltend?
Es war eben die Widerspiegelung eines Teils der Linken, die sich dort präsentierte. Da gibt es neben allen Gemeinsamkeiten natürlich auch viele Einzelprobleme und sehr unterschiedliche Lebenserfahrungen. Das führt zur Zersplitterung, zur Vereinzelung.
Ich hatte in meinem Referat auf Probleme in der Aktionseinheit gegen das Kapital hingewiesen, auf die Notwendigkeit, Meinungsverschiedenheiten zu überwinden. Wir müssen den Weg suchen, wie wir Forderungen durchsetzen können, die den Klassengegner schwächen. Das muß möglich sein, ohne gleich die Programmatik des anderen anerkennen zu müssen.
Warum lesen Sie die junge Welt, und was würden Sie an dieser Zeitung verbessern?
(lacht) ... also erstens: Ich bin richtig froh, daß ich kein Journalist bin und eine Zeitung machen muß, ich stelle mir das sehr schwierig vor. Ich lese die junge Welt, weil sie im Unterschied zu anderen Zeitungen, die sich als sozialistisch oder links benennen, eine Reihe von Informationen bringt, die ich woanders nicht bekomme. Und daß das so ist, zeigt, daß in der jungen Welt ein Standpunkt herrscht, den ich schon als den der Arbeiterklasse bezeichnen würde.
Was würden Sie verbessern?
Eine Zeitung kann natürlich keine Organisationsstrukturen ersetzen Verbessern würde ich allerdings das Zusammenspiel von Beschreibung, Hintergrundberichten und politischer Aktion. Aber vielleicht ist es das, was die gesamte Linke noch lernen muß.
12.10.2021 16:36 Uhr
Noch fehlen acht neue LPG-Mitglieder
Die XV. Rosa-Luxemburg-Konferenz hatte mehr Besucher, als bisher in der jungen Welt beschrieben: Insgesamt wurden 52 Karten weniger verkauft als im Vorjahr, mehr als 1500 Personen nahmen teil. Bei besserem Wetter wären also noch mehr da gewesen, dafür spricht auch der erfolgreichere Vorverkauf. Die Resonanz ist sehr positiv, auch in diesem Jahr gab es einige Höhepunkte, wie das Live-Telefonat mit Mumia Abu-Jamal. Oder der Auftritt des irischen Liedermachers Pol Mac Adaim und der honduranischen Parlamentsabgeordneten Silvia Ayala. Beide feierten übrigens am Sonntag nachmittag nach der LLL-Demo in Berlin mit der baskischen Delegation und anderen Konferenzteilnehmern in der Pizzeria von italienischen Genossen, wo sie noch lange gemeinsam Arbeiterlieder sangen. Für Referenten und Gäste, aber auch für uns als Veranstalter ist trotz der ganzen Anstrengung dieser Jahresauftakt sehr wichtig. Daß die Konferenz in den bürgerlichen Zeitungen bis hin zur taz ignoriert und in anderen wie dem Neuen Deutschland lediglich am Rande erwähnt wurde, belegt nur zusätzlich, wie dringend notwendig die junge Welt ist. Und es ist auch einer der Gründe, warum wir am Montag nach Konferenz und Demo am Kiosk so viele Zeitungen verkauften wie an allen anderen Tagen des Jahres nicht. Die Konferenz kostet die junge Welt in diesem Jahr etwa 7000 Euro – trotz vieler verkaufter Eintrittskarten, trotz auch materieller Unterstützung durch die Mitveranstalter, trotz der Standgebühr, die wir verlangen müssen, um wenigstens einen Teil der Kosten einzuspielen. Denn bekanntlich wirft die junge Welt keinen Gewinn oder Überschuß ab, mit dem ohne weiteres eine solche Konferenz zu finanzieren wäre. Erfreulich ist, daß die Besucher die Preisstruktur akzeptieren. Wenn es mal Diskussionen gab, reichte der Hinweis, daß jede Eintrittskarte mit gut fünf Euro von der jungen Welt subventioniert wird.
Ein Ziel haben wir am Konferenztag nicht erreicht. Wir wollten am Samstag unseren 1000. Genossen für die Genossenschaft LPG junge Welt eG, der Haupteigentümerin der jungen Welt, aufnehmen. Zwar haben 18 Besucher den Aufnahmeantrag unterschrieben, so viele wie noch nie bei einer Konferenz, es hat aber nicht gereicht: Bis heute fehlen sage und schreibe noch acht ausgefüllte Aufnahmeanträge. Möglichst viele Genossenschaftsanteile und möglichst viele Abonnements ermöglichen uns, die Tageszeitung junge Welt herauszugeben und weiterzuentwickeln. Oder alljährlich die Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz durchzuführen. Diese Konferenz ist eine kollektive Leistung von Veranstaltern und Besuchern – deshalb allen Genossinnen und Genossen, allen Helferinnen und Helfern, allen Unterstützern und Gästen ein herzliches Dankeschön. Für die Konferenz 2011 freuen wir uns auf Ihre Hinweise. Und natürlich auch weiterhin über jedes Abo, über jeden Genossenschaftsanteil, womit wir unsere Basis weiter stärken.
Anruf aus dem Gefängnis von Waynesburg, Pennsylvania: Während der internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin am 9. Januar telefonierte Mumia Abu-Jamal mit seinem Rechtsanwalt Robert R. Bryan. Öffentliches Verteidigergespräch
Rechtsanwalt Robert R. Bryan aus San Francisco nahm am 9. Januar 2010 als Gastredner an der XV. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz teil. Als Hauptverteidiger von Mumia Abu-Jamal erläuterte er die aktuelle Lage seines Mandanten, der im Dezember 1981 unter dem Vorwurf des Polizistenmordes verhaftet und nach einem unfairen Prozeß im Juli 1982 zum Tode verurteilt worden war. Mitten in diesen Ausführungen rief Mumia Abu-Jamal überraschend seinen Verteidiger an.junge Weltdokumentiert das Telefongespräch, das live im Konferenzsaal übertragen wurde, im Wortlaut. Übersetzung: Jürgen Heiser.
[Robert R. Bryans Handy klingelt am Rednerpult]
Robert R. Bryan: Möglicherweise meldet sich hier ein weiterer Gast der Konferenz …
Computerstimme: Sie erhalten ein R-Gespräch von Mumia Abu-Jamal [Name wie bei der Handy-Mailbox mit seiner Stimme gesprochen], einem Insassen der staatlichen Strafanstalt Greene. Wenn Sie die Funktionen Konferenzschaltung oder Anklopfen aktivieren, wird das Gespräch sofort abgebrochen.
Bryan: Es ist Mumia! Hallo, Mumia!
Mumia Abu-Jamal: Hallo, Robert!
[Applaus im Publikum brandet auf. Jubelrufe, anerkennende Pfiffe und Sprechchöre: »Hoch die internationale Solidarität!«]
Bryan: Mumia, bist du noch da? Konntest du hören, daß ich nicht allein bin? Hast du das mitbekommen?
Abu-Jamal: Allerdings habe ich das mitbekommen! [lacht]
Bryan: Hier sind gut über tausend Leute versammelt, viele stehen in den Gängen. Der Applaus galt dir. Das ist jetzt natürlich ein Verteidigergespräch, und nur wir beide werden miteinander reden, aber es steht in keinem Gesetz, daß andere nicht dabei zuhören dürfen. Deswegen hören uns jetzt ein- bis zweitausend Leute zu. Ist das okay?
Abu-Jamal: Ja, das ist »sehr gut« [er benutzt die beiden deutschen Wörter].
Bryan: Mumia, wo befindest du dich gerade?
Abu-Jamal: Ich stehe vor der Tür meiner Zelle im G-Block des Todestrakts von Waynesburg, Pennsylvania.
Bryan: Kannst du uns bitte kurz beschreiben, wie das Leben im Todestrakt ist?
Abu-Jamal: Ich habe schon vor Jahren darüber geschrieben, daß es so ist, als würde man sein Leben in einem Schlafraum oder Badezimmer verbringen, sehr klein, vielleicht sechs Quadratmeter groß. Da hältst du dich 22 Stunden am Tag auf, denn zwei Stunden am Tag haben wir Hofgang, aber ich nenne das den »Käfig«, weil das mehr ein Käfig ist als ein Hof. Stellt euch also einfach vor, ihr seid 24 Stunden am Tag in einem Raum eingesperrt – und das über viele Jahre. Das ist die Situation, das ist die Realität. Du machst alles dort, essen, schlafen, lesen, singen, machst deine Gymnastik, eben alles, was ein Mensch so macht.
Bryan: Wir kennen uns nun schon viele Jahre, länger als die letzten sieben Jahre, in denen ich dich offensiv als dein Anwalt vertrete. Hin und wieder hast du mir von anderen Gefangenen erzählt, die sich das Leben genommen haben. Kannst du uns etwas mehr über das Leben im Todestrakt erzählen?
Abu-Jamal: Innerhalb des letzten Jahres haben sich zwei meiner Freunde umgebracht. Männer, die ich seit einigen Jahren gut kannte, Bill Tilley und José Pagán. Der eine so gegen vier oder fünf Uhr morgens, der andere gegen acht Uhr. Beide haben sich jeweils eine Schlinge um den Hals gelegt und sich erhängt. Das hat uns alle hier im Todestrakt schockiert. Wir kannten sie beide gut, wir mochten sie, sie hatten einen feinen Charakter, waren gute Leute, haben gekämpft – und plötzlich waren sie nicht mehr da. Daran zeigt sich der Einfluß, den der Todestrakt auf Menschen ausübt, sein psychologischer Einfluß, der Menschen buchstäblich in den Tod treiben kann. Genau das war der Fall bei Bill Tilley und José Pagán.
Bryan: Und wie geht es Mumia Abu-Jamal unter diesen furchtbaren Bedingungen? Was hält dich aufrecht?
Abu-Jamal: Zum Beispiel solche Veranstaltungen wie eure dort – das weiß ich von ganzem Herzen zu schätzen. Wir haben eine gute Unterstützerbasis in Deutschland wie auch in anderen Ländern. Ich höre von Leuten, kommuniziere mit ihnen und bin in der Lage teilzunehmen an dem, was sich an einem anderen Ort wie bei euch mit vielen, vielen anderen Menschen ereignet. Das gibt mir große Kraft und befähigt mich, gegen die Bedingungen hier im Todestrakt zu kämpfen.
Bryan: Bevor du angerufen hast, sprach ich gerade darüber, wie du durch deine Arbeit als Journalist, durch dein Schreiben aus dem Todestrakt, zwangsläufig zu einem Sprecher der über 20000 Männer, Frauen und Kinder in den Todeszellen dieser Welt geworden bist. Ich habe auch darüber gesprochen, warum dein Fall nicht nur für dich, sondern auch für andere so an Bedeutung gewonnen hat. Kannst du etwas dazu sagen, warum das so wichtig ist?
Abu-Jamal: Ich habe gerade gestern abend einen Brief von Frances Goldin gelesen …
Bryan: … die deine literarische Agentin in den USA ist …
Abu-Jamal: … ja, Frances zitiert aus einem Artikel der New York Times, einer Kolumne von Adam Liptak, der über juristische Themen schreibt [siehe: www.nytimes.com/2010/01/05/us/05bar.html]. Darin berichtet er über eine sehr angesehene Juristenorganisation der USA, das American Law Institute, in der über 4000 Rechtsprofessoren, Richter und Anwälte zusammengeschlossen sind. Diese Leute sind die verantwortlichen Architekten des heutigen US-Todesstrafensystems und vieler anderer Rechtsbereiche. Sie haben die Strafvorschriften für zahlreiche US-Bundesstaaten und die Bundesregierung entworfen …
Computerstimme: Dieser Anruf kommt aus der staatlichen Strafanstalt Greene
Abu-Jamal: … Sie haben 1962 das neue Todesstrafenprogramm der USA konstruiert, auf das sich der Oberste Gerichtshof 1976 bei der Wiedereinführung der Todesstrafe, nachdem sie vier Jahre ausgesetzt war, berief. Anfang Januar 2010 hat das American Law Institute (ALI) nun erklärt, daß es sich daran nicht länger beteiligen will, weil die Praxis der Todesstrafe weder verfassungskonform noch fair ist. Das ist eine entscheidende Entwicklung einer Institution, die großes Ansehen genießt und eine einzigartige Stellung einnimmt auf dem Gebiet der US-Rechtsprechung hat. Das ALI erklärt also, die Todesstrafe könne weder verfassungsgemäß noch fair sein, weil sie von Armut, Rassismus und der Inkompetenz von Anwälten beeinflußt wird und politische Faktoren wegen einer durch Wahlen eingesetzten Justiz in vielen Bundesstaaten hineinspielen. Das ALI hat deshalb den Schluß gezogen, zu dem 1994 schon der damalige Richter des Obersten Gerichtshofs der USA, Harry A. Blackmun, gekommen war, als er erklärte, nicht mehr an der »Todesmaschinerie der USA herumpfuschen« zu wollen.
Bryan: In wenigen Tagen werden wir im Internet eine Petition unter dem Titel »Mumia Abu-Jamal und die weltweite Abschaffung der Todesstrafe« veröffentlichen. Sie richtet sich an US-Präsident Barack Obama und kann online unterzeichnet werden. In der Eingabe geht es um dich und die Zehntausenden, die weltweit in den Todestrakten sitzen. Die Petition wurde in zehn verschiedene Sprachen übersetzt, und viele warten schon darauf, weil sie seit Monaten angekündigt war. Warum findest du diese Petition wichtig?
Abu-Jamal: Es geht hierbei sicher um etwas, das nur ein kleiner Teil einer größeren Sache ist und über meine Situation und die jedes Individuums in den Todestrakten vieler Länder hinausweist. Es geht um eine Bewegung, etwas, das mit dem zusammenhängt, was ich gerade über das American Law Institute gesagt habe. Diese Juristen sagen, sie wollen nicht länger an der Todesstrafenpraxis mitarbeiten, was eine deutliche Verurteilung ist. Die Petition ist Teil einer Bewegung zur Abschaffung der Todesstrafe, die sogar bis in diese hochrangigen Kreise reicht. Wir wissen, daß Leute, die zusammenarbeiten und sich organisieren, Veränderungen erreichen können. Die USA stehen mit ihrer Praxis der Todesstrafe praktisch allein in der industrialisierten Welt, ja sogar in weiten Teilen der Welt. Die Petition ist Ausdruck einer wachsenden Bewegung zur Abschaffung der Todesstrafe.
Bryan: Das Berliner Free-Mumia-Bündnis verteilt hier auf der Konferenz Postkarten, die an dich im Todestrakt von Waynesburg, Pennsylvania, adressiert sind. Was empfindest du, wenn du Postkarten und Briefe von Leuten draußen erhältst?
Abu-Jamal: Wie ich schon sagte, ist der Todestrakt ein sehr einsamer Ort, du bist praktisch 24 Stunden am Tag auf dich allein gestellt. Ich bekomme jeden Tag zwischen sechs und zwölf Postkarten, meist von unseren Freunden, Brüdern und Schwestern aus Deutschland, was mir ein sehr gutes, ein wunderbares Gefühl gibt. Und wenn ich auch nur »schlecht« [er benutzt das deutsche Wort] Deutsch spreche, verstehe ich doch, was mir meine Freunde sagen wollen.
Bryan: Angesichts von Tausenden und Abertausenden Karten und Briefen, die du in den letzten Jahren erhalten hast, kannst du sicher bei bestem Willen nicht allen antworten. Aber ich nehme an, daß du dankbar bist für die große Anteilnahme, die dir gegenüber zum Ausdruck gebracht wird?
Abu-Jamal: Ja, ich bin außerordentlich dankbar dafür, und ich würde gern jedem einzelnen antworten, aber der Tag hat nur 24 Stunden, und da sind mir einfach zeitliche Grenzen gesetzt. Aber so gut ich kann, sage ich allen Leuten: Danke, ich danke euch für eure Aufmerksamkeit und daß ihr euch die Zeit nehmt, mir zu schreiben!
Bryan: Mumia, bevor unser auf 15 Minuten limitiertes Gespräch gleich vorbei ist und wir uns verabschieden müssen – was ist dir noch wichtig zu sagen.
Abu-Jamal: Ich möchte einfach jedem einzelnen für das danken, was er oder sie für mich tut. Ich möchte Jürgen für seine Übersetzungsarbeit danken, und all unseren Brüdern und Schwestern, unseren Freunden und Genossen in Deutschland, in Frankreich, England, den USA und überall auf der Welt danken. Wir gehören alle einer täglich wachsenden Bewegung an.
Bryan: Ich sehe gerade, wie George Pumphrey, dein früherer Black-Panther-Genosse, mit andern zusammen Postkarten im Saal verteilt und Spenden für die Verteidigung sammelt.
Abu-Jamal: Danke, George, und viele Grüße!
Computerstimme: Es bleiben Ihnen noch 60 Sekunden.
Bryan: Mumia, wir sagen jetzt auf Wiedersehen, du hattest das letzte Wort …
[Erneut brandet Applaus im Publikum auf, er wird ohrenbetäubend und geht über in Sprechchöre: »Hoch die internationale Solidarität!«]
Bryan: Mumia, bist du noch da? [Keine Antwort] Nein, das Gespräch ist beendet, nach 15 Minuten werden unsere Telefonate immer automatisch vom Computer abgebrochen. Auch der Todestrakt ist mittlerweile automatisiert. Lassen Sie mich noch einmal zusammenfassen, was Sie tun können: Postkarten schicken, aber nicht vergessen, daß alles kopiert und an die Staatsanwaltschaft geschickt wird. Machen Sie aus Ihrer revolutionären Haltung keinen Hehl, aber beleidigen Sie niemanden, sonst erreicht Ihre Post Mumia nicht. Die zweite Sache: Informieren Sie sich auf unserer neuen Website www.mumialegal.org, mit der wir in Kürze online gehen. Und sorgen Sie für viele Unterschriften unter die Petition an Präsident Obama, die wir parallel ins Internet stellen!
Den Audio-Mitschnitt des Gesprächs finden Sie unterwww.rosa-luxemburg-konferenz.de(Mumia live). Zum Aufruf ist ein Online-Abo erforderlich.
12.10.2021 16:35 Uhr
Mit Pflasterstein
Kommunizierende T-Shirts und aufgekrempelte Hosenbeine: Pól Mac Adaim und The Pokes auf dem Konzert der Rosa-Luxemburg-Konferenz
Christof Meueler
Die Bereitschaft zu singen, war auch vor dem Konzert der Rosa-Luxemburg-Konferenz sehr ausgeprägt. Schon auf der Herrentoilette sangen zwei junge Anzugträger »Die Gedanken sind frei« beseelt ins Pissoir – im Kanon! Und vor dem Einlaß zum Loft in der Berliner Urania bildete sich ein Kreis von vielleicht 20 Leuten, die 20 Minuten lang baskische Lieder schmetterten. Das hallte unter der hohen Decke ganz schön und klang ein bißchen wie Weihnachtschoräle. Auch auf den Parallel- und Zusatzveranstaltungen der Konferenz, bei DKP und SDAJ, wurde gesungen, allerdings nicht selbstorganisiert, sondern als fester Programmpunkt eingetaktet. Genauso wie auf der Konferenz selbst, als zwischendurch der Berliner Hans-Beimler-Chor und der Belfaster Singer/Songwriter Pól Mac Adaim auftraten. Nur beim Agit-Brass-Orchester IG Blech wurde nicht gesungen, die spielten »Comandante Che Guevara« als imposantes Pfeif-Zwitscher-Tirilier-Opus für verschiedene Blasinstrumente.
Um abends zum eigentlichen Konzert zu gelangen, mußte man in der verwinkelten Urania gefühlte zehn Stockwerke hochsteigen, auf einer engen Treppe zum Gipfel der jungen Welt empor und warten, wenn einem mehr als zwei entgegenkamen – so wie auf dem berühmten Juliusturm auf der Spandauer Zitadelle. Dort oben war die Aussicht dann kristallinklar im besonders hellen Jugendzentrumslicht. Anfangs standen da ältere Gestalten in kleineren Gruppen, abwartend Mojito schlürfend, grauhaarig das rote Che- Guevara-Shirt hinter den Gürtel gestopft. Und während ich sie reflexartig belustigt betrachtete, verstand ich, daß ich mittlerweile nicht viel anders aussehe. Nur ein junges Brillenträger-Pärchen knutschte entrückt an einer Säule, während sich Menschen um die vierzig und drüber die wenigen Sitzgelegenheiten sicherten: Fensterbänke und Heizungen. Später kamen dann die Halbsoalten und füllten den Saal, in dem sie sich zwanglos auf den Boden setzten, um den Auftritt von Pól Mac Adaim zu verfolgen.
Diese Jüngeren trugen immer noch überwiegend schwarze T-Shirts, deren Beschriftung auf geheimnisvolle Weise miteinander zu kommunizieren schien. So wurde bespielsweise der Aufdruck »NPD? Oh nö« (IG Metall) mit »Drink, Fight, Fuck« beantwortet. Pól Mac Adaim trug wie einige im Publikum ein Shirt der »Brigade Hilarius Gilges«, gewidmet dem schwarzen Kommunisten und Schauspieler, der 1933 in Düsseldorf von der SS ermordet wurde. Auf der Rückseite war zu lesen: »Wir bluten rot. Wir siegen rot. Für uns. Für euch. Für alle«.
Diese Parole des Rotfrontkämpferbundes faßt auch ganz gut das Programm von Mac Adaim zusammen, der solcherlei Entschiedenheit entschieden künstlerisch bearbeitet, so daß das Pathos, der Ernst und die Militanz zu swingen beginnen. Dazu spielt er ausgezeichnet Gitarre. Im Loft ließ er die Saiten knallen und hämmerte die Töne, als wenn er den Woody-Guthrie-Slogan umsetzen wollte, daß dieses Instrument eine Maschine sei, mit der man Faschisten töten könne. Hauptsächlich sang er von den irischen Kämpfen gegen die Briten und hängte sich dazu auch mal eine Harp um. Am bemerkenswertesten war das Lied über seine Großmutter, die, wenn die Briten kamen, nicht nur wie die anderen mit dem Mülltonnendeckel klapperte, sondern damit auch einem britischen Soldaten direkt »in his fucking face« schlug. Dazu klöppelte Mac Adaim mit einem Holzstück auf einer Trommel, die tatsächlich auch ein Mülltonnendeckel hätte sein können, und erzeugte feinste Bo-Diddley-Beats, die man so nicht erwartet hätte. Und draußen in der Raucherecke stand ein Punk, der erzählte, er würde immer einen Pflasterstein mit sich führen.
Nach Mac Adaim kamen The Pokes aus Berlin, sozusagen als Porträt der Pogues als junge Männer und Frauen. Die Lieblingsphrase vieler Linker, man müßte »Druck machen«, wurde von den Pokes in Glück und Ruckizucki erlöst. Folkpunk als Uptempo-Attacke von Musikern mit aufgekrempelten Hosenbeinen, die auch vor Schlagzeugsolo und Rolling-Stones-haftem Konzertfinale nicht zurückschrecken. Stampfstampf in gut. Viele T-Shirt-Träger tanzten dazu schnellstmöglichen Foxtrott, wie auf einer Sponti-Party in den goldenen Siebzigern.
12.10.2021 16:35 Uhr
Wir müssen was machen!
Gegen »Häuserkämpfe« und Zersplitterung müssen sich Gewerkschaften und linke Bewegungen stärker vernetzen. Auszüge aus der Podiumsdiskussion der Rosa-Luxemburg-Konferenz
»Um uns selber müssen wir uns selber kümmern« – dieser Vers aus einem Lied von Bertolt Brecht war das Motto der Podiumsdiskussion zum Abschluß der Rosa-Luxemburg-Konferenz am Samstag in Berlin. Auf dem Podium saßen Sabine Leidig (ehemalige ATTAC-Geschäftsführerin, jetzt Bundestagsabgeordnete der Linkspartei), Achim Bigus (Betriebsrat bei Karmann in Osnabrück), Pierre Levý (linker Publizist aus Frankreich) und Christina Kaindl (Aktionsbündnis »Wir zahlen nicht für Eure Krise«). Moderiert wurde das Gespräch von Arnold Schölzel (Chefredakteur junge Welt).
Arnold Schölzel:
Deutschland soll gestärkt aus der Krise hervorgehen – das ist heute schon ein paarmal zitiert worden. Dieses Hauptmotto hat die Kanzlerin auch in der Neujahrsansprache wiederholt. Sie hat einiges dafür getan, daß die offensichtlich oberste Priorität erfüllt wird: Die Banken sind umfassend gestärkt, sie haben mal eben eine halbe Billion bekommen. Die Industrie kriegte nicht ganz so viel, aber immerhin auch noch Gelder in Milliardenhöhe.
Heißt das aber für die Linke, daß sie geschwächt aus dieser Krise herausgeht? Täuscht der Eindruck, daß die linke Bewegung – auch die außerparlamentarische! – stagniert? Warum profitieren auch die Globalisierungskritiker nicht deutlicher vom Desaster der neoliberal gesteuerten Politik?
Sabine Leidig:
Ich will es mal ganz platt sagen: Es ist noch längst nicht aller Tage Abend. Die Tatsache, daß dieses Konzept zur Wachstumsbeschleunigung, das als Kernstück dieser neuen Regierung präsentiert worden ist, derartig verrissen wurde – auch in der veröffentlichten Meinung, auch von bürgerlichen Medien! – zeigt uns, daß bis tief ins konservative Lager hinein totale Perspektivlosigkeit herrscht.
Man macht es sich zu einfach, wenn man sagt, daß die Politik das einfach durchzieht und die Interessen der Profiteure und der Kapitalisten exekutiert. Also, auf dieses Problem ist noch keine Antwort gefunden. Und es ist eine widersprüchliche Situation, die sich nicht so schnell ändert – in dem Sinn, daß dann die Antwort gegeben ist und der Deckel ist wieder zu. Ich glaube, daß der Deckel noch sehr offen ist für verschiedene Formen von grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen.
Wie sieht es jetzt mit der Linken aus? Was die globalisierungskritische Bewegung angeht, da muß man, glaube ich, einen Schritt hinter den Kollaps einiger Banken und die Finanzkrise zurückgehen. Sie hat seit Seattle eine Menge Veränderungen erlebt und bewirkt.
Die Situation ist nicht mehr dieselbe. Tatsächlich ist es doch so, daß die globalen Akteure, wie die WTO, der IWF oder die Weltbank praktisch keine Rolle mehr spielen. Sie sind keine handelnden Akteure. Und auch die EU handelt relativ wenig – da gibt es weniger Instrumente, als man hätte glauben können. Diejenigen, die in dieser Krise agieren, sind aber die Nationalstaaten. Das ist meiner Meinung nach mit ein Grund dafür, daß sich der Focus der globalisierungskritischen Bewegung verschiebt. Ich will es mal zugespitzt formulieren: Was soll ich noch gegen die G-8-Treffen protestieren, wenn die ohnehin keine Rolle mehr spielen?
Das zweite ist, daß Bewegungen keine Dauereinrichtungen sind, sie kommen und gehen. Aber glücklicherweise bleiben die Menschen und wenden sich mit ihrem Engagement anderen Fragen und anderen Aktivitäten zu. Möglicherweise ist auch eine neue globale Bewegung für Klimagerechtigkeit im Entstehen.
Zur Linkspartei: Ihr Erfolg bei den Bundes- und Landtagswahlen war nicht ein Ergebnis dieser Krise. Er beruht eher darauf, daß sich ein großer Teil der Menschen veranlaßt sieht, sich stärker für die unter die Räder gekommene soziale Gerechtigkeit zu engagieren. Das ist nicht dasselbe wie Protest-Wählen, sondern es ist Ausdruck der Gewißheit, daß Die Linke für soziale Gerechtigkeit steht.
Zur aktuellen Situation würde ich sagen, daß Die Linke sich auch in den Gewerkschaften stark mit Forderungen und Themen profiliert hat, die ich – im besten Sinne, ich möchte das jetzt nicht abwertend verstanden wissen! – als sozialdemokratisch bezeichnen würde. Natürlich dürfen wir nicht die Illusion haben, daß sie schon systemüberwindenden Charakter haben.
Angesichts der Klima- und Umweltkrise stehen wir vor dem Problem, daß alles, was an traditionell linken Modellen in unserer Republik erdacht wurde, von einer Weiterentwicklung der Produktion ausgeht, vom Wirtschaftswachstum also. Bei den Franzosen sieht es auch nicht anders aus, glaube ich.
Ökologischer und sozialer Umbau
Leider gibt es keine oder nur wenige Vorstellungen davon, wie eine Gesellschaft, deren Wirtschaft schrumpft, schrittweise umgebaut werden kann. Wir müssen in den nächsten 30 Jahren, in einer Generation also, unseren Naturverbrauch um 90 Prozent reduzieren, das ist gigantisch! Wir müssen also alles in Frage stellen, was uns gewohnt erscheint – und das unter Berücksichtigung dessen, daß daran immer Arbeitsplätze und Menschen hängen.
Ich glaube, daß das ein Kernproblem ist, mit dem wir uns intensiv beschäftigen müssen. Erstens brauchen wir Schritte, mit denen der ökologische und der soziale Umbau konkret und praktisch anschaulich gemacht werden können. Zum zweiten brauchen wir eine Transformationsperspektive, die von der Industriearbeit ein Stück weit abläßt. Dieses Faß wollte ich hier mal aufmachen.
Achim Bigus:
Ich bin jetzt 30 Jahre bei Karmann in Osnabrück. Zwei Fragen halte ich für zentral, mit ihnen sind vor allem die Gewerkschaften konfrontiert. Mit der ersten will ich daran anknüpfen, was der Hans-Beimler-Chor soeben zum Schluß gesungen hat. Das Solidaritätslied nämlich, in dem es heißt: » ... wer im Stich läßt seinesgleichen, läßt sich ja nur sich selbst im Stich«.
Ich glaube, daß dieser Gedanke heute in der Klasse der Lohnabhängigen alles andere als Allgemeingut ist. Wie also kommen wir vom zersplitternden Häuserkampf einzelner Betriebe, einzelner Belegschaften, einzelner Branchen hin zu umfassenderen Bewegungen? Zu Bewegungen, mit denen es die Klasse der Lohnabhängigen schafft, gegenüber dem Staat Forderungen durchzusetzen wie etwa den gesetzlichen Mindestlohn, Höchstarbeitszeiten oder die Abschaffung von Hartz IV. Wir alle wissen, daß das ohne politische Streiks nicht möglich ist.
Krise verengt den Blick
In den vergangenen fünf Jahren habe ich bei Karmann die Erfahrung gemacht, daß die Verschärfung der Krise den gesellschaftlichen Blick der meisten Kolleginnen und Kollegen nicht geweitet, sondern eher verengt hat – die eigenen Probleme sind drängender geworden. Ich kann mich gut dran erinnern, wie 1974/75 viele junge Linke erwarteten, daß die Gesellschaft mit einem Linksruck auf die damalige Krise reagierte. Da gab es den Satz: »Wo Unterdrückung wächst, da wächst auch Widerstand.« Ich habe leider lernen müssen, daß das nicht so ist – Elend schafft kein Bewußtsein.
Im Vertrauensleutekörper von Karmann hatten wir mehrfach vorgeschlagen, daß wir den Kollegen von Nokia in Bochum einen Besuch abstatten, daß wir an ihrer Kundgebung teilnehmen. Der Bus wurde leider nicht sehr voll. Es gibt aber auch ermutigende Beispiele: Wenn etwa parallel Tarifrunden von ver.di und IG Metall laufen und es gibt eine gemeinsame Kundgebung, dann erleben alle Beteiligten, daß sie Kraft entwickeln können, wenn sie zusammenstehen.
Wir müssen die Grenzen der einzelnen Betriebe, der Branchen überwinden. Wir müssen auch einen Schritt machen, mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen umzugehen: Der ökologische Umbau der Verkehrssysteme liegt z. B. nicht im unmittelbaren Interesse der Beschäftigten in der Autoindustrie.
Zur zweiten Frage möchte ich aus dem »Lob der Dialektik« von Brecht zitieren: »An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt? An uns. An wem liegt es, wenn sie zerbrochen wird? An uns.« Leider ist diese Erkenntnis nicht Gemeingut der Beschäftigten heute in diesem Land. Man fühlt sich eher als »Kunde«, als Beobachter, auch in den Gewerkschaften und Interessensvertretungen, als Beobachter der großen Politik. Diese Haltung hat sich in der alten Bundesrepublik über Jahrzehnte hinweg herausgebildet, in einer Zeit, in der wir aufgrund des internationalen Kräfteverhältnisses mit relativ geringem Kampfeinsatz bedeutende soziale Errungenschaften durchsetzen konnten.
Die arbeitende Klasse hierzulande begreift die Gewerkschaften eher als Versicherungsverein denn als Kampforganisation. Hinzu kommt – anders als in Spanien oder Frankreich! – die alte preußische Tradition: Erst mal gucken, was die Führung sagt, bevor man selbst initiativ wird. Die Kolleginnen und Kollegen gucken, was der Betriebsrat oder die Gewerkschaft hinkriegt – wenn sie nicht damit zufrieden sind, heißt es: Okay, dann trete ich eben wieder aus. Selbst werden sie aber nicht aktiv.
Darum geht es also: Wie können wir die Funktionsweise der bürokratisierten Gewerkschaften so verändern, daß wir in den Bewegungen die Menschen mitnehmen? In meinem Betrieb habe ich die Erfahrung gemacht, daß sich jedenfalls die kleine Minderheit der Aktiven in diesen Kämpfen sehr verändert hat. Diese Kolleginnen und Kollegen haben eine andere Haltung zur Gesellschaft gefunden, sie sind aus Beobachtern und »Kunden« zu aktiv Handelnden geworden.
Pierre Lévy:
Ich will hier keine pessimistische Botschaft hineintragen, will euch aber trotzdem sagen, daß das Image der französischen Arbeitskämpfe in Deutschland schöner als die Wirklichkeit ist. Andererseits war ich immer wieder überrascht, wie sehr die deutschen Kolleginnen und Kollegen ihre eigenen Kräfte unterschätzen.
Ich stimme der Aussage zu, daß die Krise kein Faktor für die Entstehung von Klassenbewußtsein ist. Ich habe aber keine sichere Antwort darauf, wer eigentlich gestärkt aus der Krise hervorgeht – vielleicht ist es noch zu früh dafür.
Seit Jahren heißt es in allen Politikerreden, daß ganz Europa dank der EU Fortschritte macht, daß blühende Landschaften kommen, daß die gemeinsame Währung die Arbeitslosigkeit abschafft. Jetzt stehen die Politiker vor einem Legitimationsproblem – sie haben nämlich zunehmend Schwierigkeit damit, diese Versprechungen zu wiederholen. Beispiel Irland: Vor einem Jahr gab es die erste Volksabstimmung mit dem »Nein« zur EU-Verfassung. Dann wurde noch einmal abgestimmt. In dieser zweiten Wahlkampagne kamen alle Europa-Chefs nach Dublin, um mitzuteilen, daß Irland einer riesigen Katastrophe entgegengeht, wenn es wieder »Nein« sagt. Wenn es aber »Ja« sage, gebe es mehr Arbeitsplätze usw. Man kann gespannt darauf sein, was die irische Bevölkerung jetzt, wenige Monate später, von diesen Versprechen hält.
Christina Kaindl:
Wenn ich mir die Diskussionen der vergangenen zwei Jahre anschaue, glaube ich, daß die Situation der Linken eigentlich ganz gut ist. In den letzten drei Jahrzehnten ist es eigentlich nicht vorgekommen, daß das bürgerliche Feuilleton irgendwann so massiv den Kapitalismus in Frage gestellt hat wie 2009. Quer durch die Gesellschaft wurde die Frage aufgeworfen, ob der Kapitalismus die Probleme der Menschheit lösen kann oder nicht – oder gar sie erst verursacht. Ich glaube, daß sich in der Diskussionslandschaft die Möglichkeit verbessert hat, Politik zu machen. Da gab es die erfolgreichen Demonstrationen im März oder die Aktionen der Gewerkschaften im Mai, bei denen die Basis nach meinem Eindruck deutlich linker war als die Führung.
In Deutschland ist die Regierung recht geschickt darin, sich in dieser Krise zu bewegen. Sie greift dabei allerdings zu Methoden vergangener Zeiten – sie stärkt die Autodindustrie, lädt die Gewerkschaften an den Tisch, zahlt für Kurzarbeit und beschenkt die Bevölkerung mit Schnäppchen. Sie erzeugt das Gefühl, als sei es wie früher, als Staat, Gewerkschaften und Kapital jeweils guckten, was denn für sie abfällt. Diese Politik läßt sich aber nicht durchhalten, möglicherweise verschieben sich dann die Möglichkeiten, aktiv zu werden.
Dringend neue Formen entwickeln
Es muß uns gelingen, den Zusammenhang etwa zwischen der kommunalen Verarmung und den Milliarden-Überweisungen an die Banken politisch deutlich zu machen. Wichtig ist vor allem, eine Vermittlung zwischen konkreten Abwehrforderungen und Perspektiven für eine Transformation der Gesellschaft zu finden. Die Zwischenschritte sind fast noch wichtiger, es muß uns gelingen, soziale Phantasie zu entwickeln, wie die Gesellschaft anders funktionieren könnte. Was es bedeuten könnte, weitere Teile der Gesellschaft dem Markt zu entreißen, die Zentralität des Geldes zurückzudrängen – es ist ja viel mehr öffentliches Eigentum, als man sich heute vorstellen kann.
Solche Formen, glaube ich, müssen dringend entwickelt werden. Es muß uns gelingen, über unsere üblichen kleinen Nischen hinaus gemeinsame Perspektiven zu entwickeln. Das gelingt uns aber im Moment nur in sehr geringem Umfang. Es gelingt auch kaum, die Interessen arbeitsloser Hartz-IV-Empfänger und die der sogenannten Kernbeschäftigten zusammenzubringen. Wir schaffen es nicht, sie in einer Plattform gemeinsam zu artikulieren. Das ist, glaube ich, ein Problem, an dem wir arbeiten müssen.
Vielleicht gibt es im Südwesten Deutschlands im Moment mehr Dynamik als im Nordosten – im Südwesten ist noch mehr zu verlieren. Wir müssen Kristallisationspunkte im nächsten Jahr suchen, wenn die neue Entscheidung zur Rente mit 67 ansteht, das Kurzarbeitergeld, die Frage danach, was die sozialen Voraussetzungen für wirkliche Demokratie sind. Wir müssen Konzepte und Utopien entwickeln, für die es sich dann auch zu kämpfen lohnt. Die Leute müssen ernsthaft davon überzeugt sein, daß es um einen Kampf für diese Ziele geht und nicht um eine Spinnerei.
Wortmeldung aus dem Publikum:
Mein Name ist Niels Claaßen, ich bin aktiver Betriebsrat, IG-Metall-Mitglied, bin in der Roto-Frank-AG als Werkzeugmacher tätig.
Ich bin der Meinung, es muß wieder die Debatte um die Arbeitszeit eröffnet werden, um die 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich. Sabine Leidig hat etwas sehr Wichtiges in einem Nebensatz angesprochen: Wir fertigen ja schließlich unsere täglichen Bedarfsgegenstände – wir verdienen nicht nur Geld. Und das ist eine wichtige gesellschaftliche Tätigkeit, und es hat jeder das Menschenrecht, daran teilzunehmen.
Ich möchte im Zusammenhang mit der häufig diskutierten Forderung nach der 30-Stunden-Woche noch einen weiteren Hinweis geben: Meiner Ansicht nach ist es eine Forderung, die auch in die Ökologiebewegung gehört, denn Sabine Leidig sagte richtig: Kapitalismus heißt immer nur mehr, mehr, mehr – aber durch immer weniger Menschen. Kostensenkung heißt nichts anderes, als Menschen aus der Produktion zu drängen. Und das führt auch noch zur Umweltzerstörung. Mäßigung in der gesellschaftlichen Produktion ist daher auch wichtig für die Ökologiebewegung. Und deswegen ist die 30-Stunden-Woche auch eine ökologische Forderung – das ist meine Behauptung.
Achim Bigus:
Ich finde richtig, was du gesagt hast. Sabine hat vorhin zu recht die Frage gestellt, wie wir das Soziale in einer Situation sichern können, in der vieles in der Wirtschaft schrumpft – z. B. die Autoindustrie. Das geht nicht ohne Verkürzung der Arbeitszeit.
Wortmeldung aus dem Publikum:
Ich arbeite in einem der größten Automobilkonzerne, bei Mercedes-Benz in Rastatt. Ihr habt ja wohl mitbekommen, daß im Dezember im Werk Sindelfingen die Belegschaft die Arbeit niedergelegt hat, um die Forderung durchzusetzen, daß die Produktion der C-Klasse dort bleibt. Rastatt liegt nur 100 Kilometer von Sindelfingen entfernt. Die Standort-Logik ist leider ein Riesenthema – da geht es nämlich um Solidarität oder Nichtsolidarität.
Ich bin Betriebsrätin und mußte erleben, daß vom Gesamt-Betriebsrat aus Solidarität gar nicht gewünscht wird – es sollte ein Häuserkampf bleiben. Ich stimme nicht allem zu, was Achim gesagt hat, aber eines will ich ansprechen: Wir können gar nicht mehr anders, als uns zu vereinen. Aber bitte nicht auf dem Podium oder irgendwo in einem Saal – wir müssen uns in Kämpfen vereinen, das ist mir wichtig.
Und wenn wir über Demokratie reden, dann müssen wir auch darüber reden, daß Demokratie innerhalb der Gewerkschaften nötig ist. Ich will es mal freundlich und diplomatisch ausdrücken: Da besteht noch Handlungsbedarf.
Wir müssen uns besser vernetzen, wir müssen zusammenkommen; allerdings säßen hier 6000 Leute rum, wenn ich meine Kollegen mitgebracht hätte. Unter dem Strich sind wir in den Betrieben, auch auch in den regionalen Gewerkschaften ganz schön vereinzelt. Auch in den Gewerkschaften selbst haben wir noch einiges zu kämpfen, um das zu erreichen, was wir wollen, Kampagnen für die Arbeitszeitverkürzung z. B. Wir müssen was machen, wir können nicht nur reden!
Redaktionelle Bearbeitung: Peter Wolter
12.10.2021 16:34 Uhr
Kein sowohl als auch
Die XV. Rosa-Luxemburg-Konferenz: Eine Analyse der Welt, wie sie ist
Arnold Schölzel
Es gibt in der Bundesrepublik eine erstaunlich große Anzahl von Menschen, die das von den offiziösen Medien gezeichnete Bild der heutigen Welt nicht teilen und offenbar auch im übertragenen Sinn ein anderes Weltbild, wenn nicht sogar eine andere Weltanschauung als die generell verordnete haben. Ein Teil von ihnen organisiert seit 15 Jahren jeweils am Vortag des Gedenkens an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Berlin die »Rosa-Luxemburg-Konferenz«, weit über tausend reisen aus der ganzen Bundesrepublik an, um Kontakte zu knüpfen, sich durch das Angebot von Bücherständen zu wühlen, zu diskutieren, den Referenten aus aller Welt zuzuhören oder Konzerte am Abend zu besuchen.
In diesem Jahr kamen etwa 1400 Besucher. Nicht wenige wurden durch Schneewehen auf Gleisen und Autobahnen allerdings zur Umkehr gezwungen, gelangten erst nach 15 Stunden Fahrt an den Veanstaltungsort, die Urania in Berlin, oder traten die Reise wegen des hohen Risikos steckenzubleiben nicht an. Wer es pünktlich zum Beginn geschafft hatte, erlebte den Zug der IG Blech, einer mehr als 35 Jahre alten Kreuzberger Brass-Band-Institution, durchs Konferenzgebäude. Er endete auf dem Podium mit einem vielumjubelten »Comandante Che Guevara«, dargeboten ausschließlich mit Blasinstrumenten. Der Moderator der Konferenz, Dr. Seltsam, zitierte die Abschlußsätze aus Rosa Luxemburgs letztem Artikel: »Eure ›Ordnung‹ ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich morgen schon ›rasselnd‹ wieder in die Höh’ richten und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden: Ich war, ich bin, ich werde sein!« Trockener Nachsatz: »Die Posaunen sind jedenfalls da.«
Revolutionen vollziehen sich, so Rosa Luxemburg, über eine Kette von Niederlagen. Über die Tragik des Staatsstreichs in Honduras und die Schwächung der Gegenkräfte sprach als erste am Sonnabend Silvia Ayala, Rechtsanwältin und Parlamentarierin aus dem lateinamerikanischen Land. Wissen aus erster Hand über Mord, Folter, mehr als 3000 illegale Verhaftungen in den letzten sechs Monaten. Sie prangerte die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung als Unterstützer dieses Demokratiexports an. Unabhängig von der regierenden Oligarchie bleibt die Mitgliedschaft des Landes in ALBA, der »Bolivarischen Allianz für die Völker unseres Amerikas«, hoben die Abgeordnete und der zweite Redner, der Kubaner Enrique Ubieta, hervor. Der Publizist aus Havanna erläuterte, wie aus der »Schnapsidee« Fidel Castros – so habe Hugo Chávez dessen Vorschlag empfunden, die von George W. Bush geplante panamerikanische Freihandelszone ALCA zu verlassen – ein lateinamerikanisches Bündnis entstand, das sich nicht in Regierungsverträgen und Warenlieferungen erschöpft. Das Wichtigere sei das gegenseitige Kennenlernen der Völker, das wechselseitige Lernen durch Fachleute. Ubieta schilderte, wie das aus der Tradition der kubanischen Revolution, anderen Ländern mit Ärzten, Lehrern, Ingenieuren zur Seite zu stehen, ins ALBAKonzept Eingang fand. Ausstrahlung einer Revolution konkret.
In Deutschland und seinem Europa geht es um Dinge, die weit davor liegen. Erika Baum, Antifaschistin und Kommunistin aus Berlin, zitierte Helmut Kohl nach dem DDR-Anschluß: »Deutschland hat mit seiner Geschichte abgeschlossen. Es kann sich künftig zu seiner Weltmachtrolle bekennen.« Warum, so ihre Frage, ist es so schwer, zu gemeinsamen Aktivitäten zu kommen, Widerstand zu organisieren. Warum werden in einer Zeit, in der »jeder weiß, was uns blüht«, in der ein umfassender Angriff auf die Lebenslage der Bevölkerung geführt wird, theoretische Positionen nicht an der Praxis überprüft? Ihre Antwort: »Wer keine antiimperialistische Analyse der Verhältnisse hat, kann nichts verändern.« Ein »sowohl als auch« gebe es da nicht.
Ein Resultat des Verzichts auf solchen Blick auf die Welt untersuchte Pierre Lévy, Publizist und Herausgeber der Monatszeitung Bastille– République – Nations, in seinem Referat: Der Wandel der einst kommunistischen Gewerkschaft CGT zu einem Instrument, das im vergangenen Jahr Massenproteste unter dem Beifall neoliberaler Chefdenker ins Leere laufen ließ. Der entscheidende Punkt bei diesem Ankommen im Bestehenden: Der Anschluß an den Europäischen Gewerkschaftsbund, einer von der EU ausgedachten und von ihr gesponserten Organisation.
Abschließend faßte der Ökonom Michel Chossudovsky, per Videoübertragung aus Toronto zugeschaltet, zusammen: Die Welt steht am Vorabend eines »unbegrenzten Krieges«, dem alles untergordnet ist. Rüstungsaufwendungen, damit einhergehende Staatsverschuldung, Telekommunikationskonzerne, Medien. Atomwaffen sind laut Beschluß des US-Senats nicht mehr »Waffen des letzten Zugriffs«. Krieg wird Frieden genannt, Widerstand Terrorismus, Töten von Menschen humanitäre Aktion.
Was tun? Parallel zum Plenum diskutierten 120 Vertreter von Jugendorganisationen zum Thema »Wie holen wir die Bundeswehr aus Afghanistan?« Monty Schädel faßte das Resultat zusammen: Durch eine landesweite Kette von Aktionen die Bundeswehr »öffentlich unmöglich machen, in der Öffentlichkeit nicht zulassen«.
Zuvor füllte sich der Urania-Saal fast bis auf den letzten Platz: Der Anwalt von Mumia Abu-Jamal, der seit 28 Jahren in einer US-Todeszelle sitzt, Robert R. Bryan, erläuterte die Prozeßsituation. Während seiner Rede klingelte sein Handy. Der Anrufer war Mumia Abu-Jamal. Bryan erklärte seinem Klienten, wo er sich gerade befand. Dann erläuterte er dem Publikum, wer am anderen Ende der Leitung war – minutenlanger tosender Beifall war die Antwort.
Die Überleitung zur Podiumsdiskussion kam musikalisch vom Hans-Beimler-Chor aus Berlin mit Brechts Solidaritätslied: »Wer im Stich läßt seinesgleichen, läßt ja nur sich selbst im Stich.«
12.10.2021 16:33 Uhr
Gäste der XV. Rosa-Luxemburg-Konferenz
Redaktion
Mumia Abu-Jamal
Mumia Abu-Jamal, Geburtsname Wesley Cook, wurde im April 1954 in Philadelphia, USA, geboren. In seiner Heimatstadt kam es bereits 1964 zu gravierenden Rassenunruhen, die maßgeblich zu seiner Politisierung beitrugen. Schon im Alter von 14 Jahren begann Mumia als Hilfspressesprecher in der Black Panther Party von Philadelphia, die im Rahmen des damals geheimen COINTELPRO-Programms der US-Bundespolizei unter Bewachung stand, zu arbeiten.
Später wurde unter anderem von Amnesty International die Vermutung laut, daß Mumias politisches Engagement sowie rassistische Vorbehalte offizieller Stellen Einfluß auf das spätere Mordverfahren hatten. Seit dem 9. Dezember 1981 sitz er in Haft. 1982 verurteilte ihn ein Gericht in Philadelphia zum Tode für einen bis heute nicht bewiesenen Mord an dem Polizisten Daniel Faulkner. Während der Haftzeit hat Mumia seine politische Arbeit intensiviert. Er veröffentlichte die Bücher „Live from Death Row“ über das Leben im Gefängnis und „Ich schreibe, um zu leben“, liefert darüber hinaus Kommentare für linke Radiosendungen und jeden Samstag eine Kolumne in der linken Tageszeitung „junge Welt“. Seit ihrer ersten Ausgabe vor 15 Jahren ist Mumia auch mit einer Grußbotschaft auf der Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin vertreten. Revisionen des Schuldspruchs und der Verurteilung wurden bereits in den 1990er Jahren mehrfach abgelehnt. Nachdem das Todesurteil am 27. März 2008 aufgehoben wurde, bestätigte der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten am 6. April 2009 den ursprünglichen Schuldspruch jedoch. Die Entscheidung des Gerichts, ob das Todesurteil in lebenslange Haft umgewandelt wird, ist noch nicht ergangen. Diese ist vor dem 11. Januar 2010 nicht zu erwarten, da erst dann der U.S. Supreme Court wieder seine Arbeit aufnimmt. Aufgrund der sich zuspitzenden Lage braucht Mumia jetzt die Hilfe aller Aktivisten.
Silvia Ayala
Silvia Ayala Figueroa, 40 Jahre alt, arbeitet als Rechtsanwältin. Im Jahr 2005 wurde sie zur Abgeordneten des honduranischen Parlaments für den Demokratischen Zusammenschluß, der Unificación Democrática (UD), gewählt. Der Demokratische Zusammenschluß ist die jüngste Partei in Honduras, die am 29. September 1992 gegründet wurde. Im Parlament kümmert sich Silvia Ayala Figueroa um Geschlechterpolitik, Justizfragen und Sport. Sie ist im Widerstand gegen die Putschisten in Honduras aktiv.
Erika Baum
Erika Baum, geboren 1924 in Wien, war bereits als Jugendliche nach dem Anschluß Österreichs an das faschistische Deutschland in die illegale Arbeit der Kommunisten einbezogen. Seit 1945 engagiert sie sich im Kampf gegen neue faschistische Gefahren. Heute ist sie in der Deutschen Kommunistischen Partei aktiv.
Achim Bigus
Achim Bigus, geboren 1958, ist im Betriebsrat von IG-Metall (Karmann) aktiv. Er kandidierte zur Bundestagswahl 2005 für die Partei Die Linke in Niedersachsen im Wahlkreis Osnabrück. Er ist Vorsitzender der IG Metall Vertrauensleute.
Carmen Bitsch
Carmen Bitsch wurde 1969 in Frankfurt/Main geboren und studierte von 1987 bis 1992 Germanistik an der Goethe-Universität in ihrem Heimatort. Nach ihrem Studium war sie als Lehrerin für Deutsch und Englisch in Santa Cruz/Bolivien tätig und arbeitete ab 1996 u.a. in administrativen und organisatorischen Bereichen in verschiedenen Unternehmen. Seit 2009 ist sie Geschäftsführerin und Gesellschafterin der Laika-Verlag GmbH & Co. KG in Hamburg.
Robert R. Bryan
Robert R. Bryan ist ein Rechtsanwalt aus San Francisco/USA. Er ist bekannt für seine kritischen Artikel über die Todesstrafe und Menschenrechte. 15 Jahre lang vertrat er Anna Hauptmann in ihrem spektakulären Fall, die im Alter von 95 Jahren im Jahr 1994 verstarb. Sie war die Witwe von Richard Hauptmann, der 1936 in New Jersey für die vermeintliche Entführung und Ermordung von Charles A. Lindbergh, Jr. hingerichtet wurde. Bryan bewies damals, daß die Behörden wissentlich einen unschuldigen Menschen verurteilten und das Gerichtsverfahren den größten Betrug in der US-Rechtsgeschichte darstellte. Seit 2003 ist Robert R. Bryan der Hauptverteidiger von Mumia Abu-Jamal.
Michel Chossudovsky
Michel Evgenij Chossudovsky, als Sohn des jüdisch-russischen Wirtschaftswissenschaftlers und UN-Diplomaten Evgenij Chossudovsky 1943 geboren, ist Professor der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Ottawa/Kanada. Internationale Bekanntheit erlangte er durch seine globalisierungskritischen Publikationen, die in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt worden sind. Im deutschsprachigen Raum ist er vor allem als Experte für die Militärpolitik der USA in Asien und auf dem Balkan bekannt geworden. Dies geht u.a. auf seine Herausgeberschaft für das Centre for Research on Globalization zurück, einer unabhängigen Forschungsorganisation und Gruppe von Wissenschaftlern, Journalisten und Aktivisten. Hier erschien zuletzt sein in Deutsch gefaßter Artikel „Obama und der Nobelpreis: Wenn der Krieg zum Frieden und die Lüge zur Wahrheit wird“ vom 29.10.2009. Chossudovsky schreibt zudem häufig Beiträge für Zeitschriften, wie die Le MondeDiplomatique, und ist Mitglied von vielen Forschungsorganisationen (z.B. dem International People's Health Council).
Enrique Ubieta Gómez
Enrique Ubieta Gómez, 1958 in Havanna/Kuba geboren, ist Essayist und Wissenschaftler. Er studierte von 1978 bis 1983 Philosophie an der Universität Kiew/Ukraine (UdSSR) und fügte bis 1987 weitere ergänzende Studien zur Geschichte der kubanischen Literatur und literarischer Kritik an. Von 1985 bis 1994 war er Forschungsmitglied und redaktioneller Beteiligter zur Literaturgeschichte in Kuba.
2002 wurde er zum Direktor des Kubanischen Filmarchivs ernannt, in dem er bis 2007 tätig war. Währenddessen leitete er die Videothek Contracorriente (Gegenstrom) des ICAIC (Filmbegegnungen mit den wichtigsten Denkern der Linken der Welt).
Im Jahre 2008 gründete er die monatlich erscheinende Kulturreihe „La Calle del Medio“. Enrique Ubieta Gómez ist außerdem Funktionär im ideologischen Bereich des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas, mitwirkender Wissenschaftler der CITMA und Mitglied von zahlreichen Beratungsgruppen des Ministeriums für Kultur und der Partei.
Christina Kaindl
Christina Kaindl, geboren 1971 in Dortmund, ist in der Redaktion der neuen Zeitschrift der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) tätig und seit Januar 2009 eine Freie Mitarbeiterin am Institut für Gesellschaftsanalyse der RLS. Bekannt wurde sie vor allem durch ihre Publikationen zum Neoliberalismus und Rechtsextremismus.
Sabine Leidig
Sabine Leidig, geboren 1961 in Heidelberg, ist Politikerin, Gewerkschafterin, gelernte Biologielaborantin und war von 2003 bis 2009 Geschäftsführerin von Attac Deutschland. Seit September 2009 ist sie Bundestagsabgeordnete für die Partei Die Linke. Sie war maßgeblich an der Entwicklung und Durchführung bundesweiter Projekte, wie zum Beispiel der Attac-Ratschläge und -Sommerakademien, der verschiedenen Kampagnen von Attac (teilweise in Bündnissen wie Bahn für alle) und der in Bündnissen veranstalteten Kongresse sowie der Proteste zum G8-Gipfel in Heiligendamm 2007, der Europäischen Attac-Sommeruniversität 2008 und des Kapitalismuskongresses 2009, beteiligt.
Pierre Lévy
Pierre Lévy, geboren 1958 in Paris, studierte Wirtschaftswissenschaften und Systeminformatik in Paris. Er war von 1976 - 2001 Mitglied der PCF (Französischen Kommunistschen Partei).
Seine journalistische Laufbahn begann er 1996 bei der „L’Humanité“ und war für das Ressort Deutschland zuständig. Seit 2000 ist Pierre Lévy Chefredakteur der Monatszeitschrift „La lettre de Bastille-République-Nations, die einen kritischen Diskurs über europäische Politik führt.
Weiterhin ist er im IRICIN (Forschungsinstitut für Internationale Zusammenarbeit und Unabhängigkeit der Nationen) tätig und arbeitet als Dozent für Geopolitik an der Pôle Universitaire Léonard de Vinci in Paris.
Renate Licht
Renate Licht wurde 1963 in Hildburghausen geboren. Seit 2005 DGB-Vorsitzende der
Renate Licht, geboren im November 1963 in Hildburghausen, studierte nach ihrer sechsjährigen Tätigkeit als Facharbeiterin für Textiltechnik von 1988 bis 1990 Gesellschaftswissenschaften in Berlin-Bernau. Danach war sie als Gewerksschaftssekretärin bei der IG Metall tätig und seit 1996 in verschiedenen Positionen beim DGB. Seit November 2009 ist sie Regions- und Landesvorsitzende des DGB Thüringen.
Hans-Beimler-Chor
Der Hans-Beimler-Chor ist 1972 aus der politischen Singerbewegung Westberlins hervorgegangen.
Die 50 Mitglieder kommen heute aus vielen Bezirken der Stadt und aus verschiedenen Berufs- und Altersgruppen. Das Repertoire reicht von Eisler, Weill, Busch, Theodorakis, Kreisler, Grönemeyer, aber sie haben auch jiddische Stücke und hin und wieder etwas von Beethoven oder dem Renaissance-Komponisten Attaingnant im Programm.
IG Blech, Brass Band Berlin
Blasmusikalisch immer auf Ballhöhe, aber mit eigen(artig)en Vorstellungen von Kunst, Kultur und Klassenkampf. Vier Posaunen, vier Trompeten, zwei Altsaxophone, zwei Tenorsaxophone, Klarinette, Piccoloflöte, Baritonsaxophon und Tuba. Und mit dem Taktgefühl der Dampframme: Unsere percussion section. HeavyMessingWorldMusic vom Allerfeinsten. Und das Beste ist: Sie singen nicht!
The Pokes
The Pokes sind eine Folk-Rock Band mit britisch-deutscher Besetzung. Mit über 40 Konzerten pro Jahr haben sich die Berliner seit 2005 bundesweit und auch international eine treue Fanbase erspielen können.
The Pokes rocken und sind tanzbar, ohne auf musikalische und lyrische Finessen zu verzichten. Die Mitglieder weisen einen musikalischen Backround auf, wie er unterschiedlicher nicht sein könnte, von Hardcore-Metal bis Weltmusik. In den fünf Jahren ihres Bestehens haben The Pokes bereits zwei Longplay-Alben veröffentlicht. Für das dritte Album hat man sich nun entschlossen, mit zwei gestandenen Produzenten zusammenzuarbeiten. Jim Voxx und Dirk Faehling (Motorhead, Tangerine Dream) bringen das Soundprofil der Pokes auf den Punkt.
Pól Mac Adaim
Pol Mac Adaim, geboren in Belfast, ist 38 Jahre alt. Bereits mit 9 Jahren begann er mit dem Musikmachen. Im Laufe der Jahre konnte er sich ein breites Spektrum an Musikstilen erarbeiten: Folk, Appalachian, Cajun, Rock, Soul. Zudem beherrscht Pol Mac Adaim verschiedene Instrumente, unter anderen Akustik- und Bassgitarre, Mandoline, traditionelle irische Flöte, Banjo sowie Mundharmonika.
Er hat mit bekannten Bands und Musikern zusammen auf der Bühne gestanden und Musik gemacht, wie Shakespears Sister, Seal, The Pogues, Delores Keane, und tourte weltweit mit irischen Künstlern (unter anderen Davy Spillane & Kevin Burke, Christy O'Leary & Bert Deivert, Gerry O'Connor).
Sein Album „Forsaken Land“ wurde vom irischen Publikum als „Bestes Irisches Folk Album 2007“ in der Radioshow „Sin E“ des Senders „Dublin City FM“ gewählt. Pol spielt vor allem traditionelle irische Musik, schreibt und singt Lieder von sozialer, historischer und kultureller Bedeutung. Sein Debüt-Soloalbum „If we don't help them now“ sowie auch sein zweites Album „Internationale“ waren sehr erfolgreich und wurden in mehr als 22 Ländern gespielt.