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Aus: Ausgabe vom 23.09.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Klimawandel

»Perfekte Bedingungen für Hochwasser«

Über den Zusammenhang von Hitzewellen und Niederschlagsmengen. Ein Gespräch mit Monica Ionita-Scholz
Von Interview: Wolfgang Pomrehn
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Hochwasser in den Außenbezirken der polnischen Stadt Wrocław

Wie ungewöhnlich war die Zugbahn von Tief »Boris«, das für die Hochwasser in Mitteleuropa verantwortlich war?

Die Bahn an sich war nicht besonders ungewöhnlich, aber die Niederschlagsmenge, die »Boris« brachte, war es um so mehr. In einigen Regionen Polens und Österreichs gab es zum Beispiel in zwei Tagen so viel Regen wie sonst in zwei bis vier Monaten. Es gibt bereits eine Untersuchung, die zeigt, dass der Klimawandel eine Rolle spielte.

Die Oberflächentemperaturen des Mittelmeers und des Nordatlantiks liegen nun schon seit vielen Monaten weit über dem Durchschnitt. Welche Rolle haben diese Anomalien bei der Entstehung von »Boris« gespielt?

Im Mittelmeer waren die Wassertemperaturen in diesem Sommer sehr hoch, was für mehr Niederschlag gesorgt hat. Das Tief kam aus dem Norden, wo auch die Ostsee deutlich wärmer war als normal. Schon dort wurde also ungewöhnlich viel Feuchtigkeit aufgenommen. Dann ist das Tief über das um vier bis fünf Grad Celsius zu warme Mittelmeer gezogen und schließlich noch über das ebenfalls zu warme Schwarze Meer. Von dort hat es sich dann zurück nach Mitteleuropa bewegt, was tatsächlich eine etwas ungewöhnliche Zugbahn war. Im Osten Rumäniens gab es ebenfalls extreme Hochwasser.

In einer kürzlich erschienenen Publikation haben Sie gemeinsam mit Kollegen über Trends bei Dürren und Hitzewellen geschrieben. Was haben Sie herausgefunden?

Im wesentlichen müssen wir in den Sommern mit einer Zunahme von Hitzewellen und Dürren rechnen. Besonders in Mittel- und Südeuropa. Diese können zugleich die perfekten Bedingungen für Hochwasser schaffen, wie wir in diesem Jahr gesehen haben: Wir hatten in Europa einen der wärmsten Sommer, und in weiten Teilen des Kontinents war es extrem trocken. Der Boden war ausgetrocknet und hart, und es war mit »Boris«, als würde es auf Beton regnen. Der Boden konnte keine Feuchtigkeit aufnehmen, und der Niederschlag floss sofort oberirdisch ab, was erheblich zu den Überschwemmungen beitrug.

Gibt es diesen Trend zu mehr Dürren auch im Amazonasbecken, wo der Regenwald derzeit unter einer nie zuvor dagewesenen Trockenheit leidet?

Das Problem ist unter anderem, dass die höheren Temperaturen bedeuten, dass mehr Wasser verdunstet. Deshalb müssten die Niederschläge zunehmen, um den Feuchtigkeitsverlust auszugleichen. Dort, wo dies nicht geschieht, werden die Dürren länger und extremer als bisher ausfallen. Das ist in vielen Teilen der Welt ein Problem.

Und das liegt an den Treibhausgasen?

Ja. Alle Klimamodelle sagen voraus, dass wir mit einer Zunahme der Treibhausgase in der Atmosphäre mehr Extremereignisse haben werden. Das können Dürren, Hitzewellen, aber auch besonders starke Niederschläge sein, die zu Überschwemmungen führen. Aber wir können natürlich nicht mit 100prozentiger Sicherheit sagen, wann und wo das jeweils geschehen wird, und die Regionen werden nicht immer die gleichen sein. 2021 hatten wir die extremen Überschwemmungen im Ahrtal, letztes Jahr in Libyen, Libanon, Griechenland und Bulgarien und in diesem Jahr in Mitteleuropa. Das heißt, mal ist die eine Region betroffen, mal die andere. Eine globale Erwärmung um ein Grad Celsius bedeutet, dass sieben Prozent mehr Wasserdampf in der Atmosphäre sind, und dieser muss irgendwo abregnen. Deshalb werden wir in der Zukunft deutlich mehr extreme Niederschläge und Hochwasser sehen.

Monica Ionita-Scholz arbeitet am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung und beschäftigt sich unter anderem mit der Erforschung des Klimas vergangener Jahrhunderte

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