25.04.2024 / Inland / Seite 4

Radikaler Erlass

Brandenburg: Landtag debattiert über »Verfassungstreuecheck«

Marc Bebenroth

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) beteuert, dass man dieses Mal keinen »Radikalenerlass« auf den Weg bringe. Am Mittwoch hat der Landtag in Potsdam mit der Mehrheit der Koalition von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen den Regierungsentwurf für die Einführung eines »Verfassungstreuechecks« in die nächste parlamentarische Runde geschickt. Unter dem Deckmantel der Bekämpfung von »Rechtsextremismus« im öffentlichen Dienst in Brandenburg wird damit unter anderem das Landesamt für Verfassungsschutz aufgewertet.

Im Rahmen der 2. Lesung des Entwurfs für ein »Gesetz zur Verbesserung des Schutzes des Berufsbeamtentums in Brandenburg vor Verfassungsgegnern« nannte der Innenminister mehrere Szenarien, in denen »Reichsbürger« oder Neonazis als Richter oder Lehrer tätig sind und dieses Gesetz Abhilfe schaffe. Auf die Palme brachte Stübgen schließlich eine Kritik der Linke-Abgeordneten Marlen Block. Sie sprach sich mehrfach in der Debatte dagegen aus, dass die Regierung den Richtervorbehalt bei Dis­ziplinarverfahren streichen will. Block warnte davor, dass so jeder Dienstherr – also auch Landräte und Bürgermeister beispielsweise der AfD – ermächtigt würden, wegen jeder Art von Dienstvergehen und nicht bloß bei »Extremismusverdacht« Menschen direkt aus dem Dienst zu entlassen.

Der Vorwurf der Linke-Politikerin, dass Stübgen hier das Rechtsstaatsprinzip der Vereinfachung von behördlichen Entscheidungen zu opfern scheine, konterte der CDU-Politiker mit dem Gegenvorwurf, dass die Linkspartei Verhältnisse wie im »Unrechtsstaat« DDR herbeiführen wolle. In der DDR habe es keinen Rechtsstaat gegeben, behauptete Stübgen, dessen Bruder seinen Angaben zufolge wegen Verdachts auf Vorbereitung von Republikflucht in der DDR zu mehreren Jahren Zuchthaus verurteilt worden sei.

Trete das Gesetz in der vorliegenden Form in Kraft, würden nicht »Extremisten« ferngehalten, kritisierte Block in ihrer Rede, sondern es wirke eher als »Abschreckung für jede oder jeden, der darüber nachdenkt, ins Berufsbeamtentum zu gehen«. Das Mittel der Regelanfrage sei »im besten Falle ein nutzloses Instrument«.

Stübgens »Verfassungstreuecheck« sieht eine Pflicht für öffentliche Einrichtungen vor, die neues Personal einstellen wollen, »alle ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen«, um die politische Zuverlässigkeit von Bewerberinnen und Bewerber zu überprüfen – inklusive der Pflicht, dafür sogenannte Regelanfragen beim Inlandsgeheimdienst zu stellen. Laut Gesetz sollen nur jene »Erkenntnisse« übermittelt werden, »die ohne Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel erhoben wurden«. Das im nachhinein zu überprüfen, dürfte allerdings schwierig werden. Der Entwurf sieht vor, dass das Übermittelte nach Abschluss des Bewerbungs- oder Einstellungsverfahrens in jedem Fall »zu vernichten« ist.

Die Landesregierung ist demonstrativ darum bemüht, ihren Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. So beteuert sie in der seitenlangen Gesetzesbegründung: »Die Regelanfrage soll jedoch nur erfolgen, wenn die Gewährleistung der Verfassungstreue das letzte noch offene Kriterium für die Einstellungsbehörde ist.« Beamte sollen »auch Kritik am Staat üben« dürfen. Es gehe nicht darum, »jegliche politische Äußerung oder Betätigung zu hinterfragen und zu bewerten«. Politisches Engagement sowie öffentliche »Kritik am Handeln der Legislative, Exekutive oder Judikative« werde begrüßt. »Sofern dies jeweils unter Beachtung der Kernelemente der freiheitlich demokratischen Grundordnung« erfolge, habe »dies keinerlei Konsequenzen, auch nicht für die Beamtenschaft«.

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