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Aus: Ausgabe vom 21.03.2024, Seite 11 / Feuilleton
Krieg und Schule

Russisch Roulette üben

Von Hagen Bonn
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»Die jungen Menschen müssen die Bedrohung der Freiheit kennen und mit den Gefahren umgehen können«

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) findet es »immens wichtig«, dass unsere Kinder in der Schule auf das Leben vorbereitet werden. Dazu gehören »von einer Pandemie über Naturkatastrophen bis zum Krieg« all die ­Dinge, die unsere »Widerstandsfähigkeit« stärkten. Und da ich mir immer besser vorstellen kann, dass ich demnächst in einem Feldlazarett Dienst tue, um die abgetrennten Arme und Beine der verletzten Soldaten und Soldatinnen in den Biomüll zu bringen, fällt es mir leicht, mir einen Brief vorzustellen, den mein Sohnemann an mich verfasst hat.

»Lieber Papa, die Heimatfront steht wie eine Eins. Auch als Schüler kann ich unseren Helden und Heldinnen in den Schützengräben und Schützengräbinnen nacheifern und mithelfen, Deutschland nach vorne zu verteidigen. Vergangene Woche habe ich eine Zwei in ›Gasmasketragen‹ bekommen. Stell dir vor, eine Eins gab es nicht! Der dicke Bernd aus Klasse neun hat eine Sechs bekommen, weil er einen seiner Strümpfe in Paulines Anschlussschlauch gesteckt hat. Die fand das zum Kotzen. Aber jetzt kommt’s, halt dich bitte an einem Infusionsständer fest! Beim ›Atombunker-Wettbewerb‹ hat unsere Klasse den ersten Platz geholt, und der Direx hob mich im Schulfunk namentlich hervor, weil keiner das Verschlussrad der Schleusentür so schnell zudrehen konnte wie ich. Krass, oder? Als Preis erhielten wir Dosenbrot (zehn Jahre haltbar) und eine Handgranatenattrappe (mit Originalsound). Bis zum späten Abend gab es immer wieder heftige Explosionen in den KEUs (Kriegserziehungsunterkünften) der Schule. Wir haben so was von gefeiert! So, ich muss jetzt noch Hausaufgaben machen, wir sollen ›Russisch Roulette‹ üben. Wünsch mir Glück!«

Stark-Watzinger dagegen wünscht sich »ein unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr«, denn die »jungen Menschen müssen die Bedrohung der Freiheit kennen und mit den Gefahren umgehen können.« Wir sollten dabei beachten, dass Stark-­Watzinger, so ein Pressebericht, »im Verteidigungsfall selbst zur Waffe« greifen ­würde. Das ­militärische Know-how dafür hat sie sogar! Die Ministerin war tatsächlich eine Woche bei der Bundeswehr. Sie wurde als »Reservistin« entlassen. Über den Dienstgrad kann man nur ­munkeln. Ich tippe auf »bewaffnete Schülerlotsin«.

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