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Aus: Ausgabe vom 22.03.2024, Seite 8 / Ansichten

Verweichlichter des Tages: Friedrich Merz

Von Michael Merz
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Faustdick hinter den Ohren will er es gehabt haben – oder auch nicht: Friedrich Merz

Vor nicht einmal 25 Jahren galt es unter Bundespolitikern als schick, auch mal über die Stränge geschlagen zu haben. Street Credibility war wichtig. Kanzler Schröder kippte Bierchen mit Laubenpiepern, und der im Jahr 2000 frischgebackene CDU-Fraktionschef Friedrich Merz verkaufte seine Jugendzeit im Tagesspiegel stolz wie Bolle als wilde Rockerekstase: »Ich habe relativ früh Probleme mit meinen Eltern bekommen, ich hatte schulterlange Haare, bin mit dem Motorrad durch die Stadt gerast, mein Stammplatz mit zwei Freunden war die Pommesbude auf dem Marktplatz bei uns um die Ecke.« Wenig später nach dem Interview tat dann der Spiegel einen Jugendfreund auf, der die Dicke-Hose-Attitüde als Mumpitz entlarvte: »Schulterlange Haare? Merz? Nie im Leben!« Die Stoppeln von heute hatte er wohl schon immer auf dem Haupt, der »alte Merz« hätte schon dafür gesorgt. Die Frittenbude habe auch ganz woanders gestanden, und ein Mopped habe sein damaliger Kumpel auch nie besessen.

Wie die Zeiten sich doch ändern. Zur Debatte um die Cannabisfreigabe im Bundesrat klingt Friedrich Merz heute anders, ganz politisch korrekt, so als wenn er heimlich gendert und seinen Privatjet mit Strom betankt. Ein Joint in der Jugendzeit? »Ich habe einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan. Es war furchtbar«, sagte Merz brav am Donnerstag morgen bei NTV. Aha. Jetzt gilt es natürlich in Erfahrung zu bringen, was das Hanferlebnis für den Jungspund so furchtbar gemacht hat. Die alten Kumpels sind gefragt, bitte noch mal nachlegen! Hat er etwa ausnahmsweise herzhaft gelacht? Oder sich auf dem Marktplatz nackt ausgezogen und Pommes in die Nasenlöcher gesteckt? Sich gar eine Perücke aufgesetzt und dem Alten den Stinkefinger gezeigt? Los Fritze, nimm doch mal noch n’ Zug! Is’ auch legal bald.

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