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Aus: Ausgabe vom 25.03.2024, Seite 8 / Ansichten

Bubatzhasser des Tages: CDU/CSU

Von Kristian Stemmler
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Bringen Konservative auf die Palme: Cannabisblüten

Seit Tagen führen sich manche Unionspolitiker auf, als wären sie auf einem ganz miesen LSD-Trip hängengeblieben. Sie halluzinieren den Untergang des Landes herbei: Die Jugend verlottert, hängt nur noch kiffend in der Ecke, die Moral ist am Ende, die Volksgesundheit ruiniert. Auslöser der Paranoia: Der Bubatz geht um! Am 1. April tritt nun das Gesetz in Kraft, das den Anbau und Konsum von Cannabis unter strengen Auflagen legalisiert. Der Sturmlauf von CDU und CSU gegen die längst fällige Entkriminalisierung nimmt immer groteskere Züge an.

Nachdem das Cannabisgesetz am Freitag den Bundestag passiert hatte, griff die Unionsfraktion nach dem letzten Hanf-, äh, Strohhalm: Tino Sorge, ihr gesundheitspolitischer Sprecher, rief allen Ernstes Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dazu auf, das Cannabisgesetz nicht zu unterzeichnen. Nach der »chaotischen Debatte der letzten Wochen« müsse es gestoppt werden, erklärte er und führte die angeblich »einstimmige Kritik« der Justiz- und Innenminister der Länder ins Feld.

Wie verlogen doch die Drogenpolitik der Konservativen immer schon war. Davon kommt man nicht so leicht runter. Typische Kiffer sind für sie der Inbegriff des linken Chaoten – undiszipliniert, zügellos, widerständig. Saufen und rauchen ist dagegen kein Problem, gehört schließlich zur deutschen Leitkultur. Kein Schützenfest ohne Schnapsleichen! Dass im Jahr mehr als 70.000 Menschen in der BRD infolge ihres Alkoholkonsums starben und über 170.000 an Nikotinsucht – das kratzt CDU und CSU wenig, solange Tabak- und Spirituosenindustrie nicht mit Zuwendungen sparen und die Steuern stimmen.

Bundespräsidenten haben übrigens in der Geschichte der BRD erst achtmal ein Gesetz gestoppt. Was Steinmeier tun wird, ist natürlich sein Ding. Weißer Rauch über Schloss Bellevue wird wohl zu erwarten sein.

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  • Leserbrief von Emmo Frey aus Dachau (26. März 2024 um 12:28 Uhr)
    Sehr geehrter Herr Stemmler, schön, Ihre Kolumne zur Cannabis(fast)freigabe und zur gespielten Aufregung der Parteichristen! Der Kampf um Cannabis tobt ja schon seit Jahrzehnten, selbstverständlich auch bei uns oder gerade auch bei uns in Bayern. Im März 2015 erreichte die Diskussion auch die Lokalpolitik in Dachau, die Parteivertreter durften ihren wenig fundierten Quark zur Freigabe oder dagegen absondern, es war richtig lustig. Nach den Statements der Parteienvertreter schrieb ich einen Leserbrief an die SZ-Redaktion in Dachau, der aber nie gedruckt wurde, war wohl zu frech? Mein Brief gefällt mir immer noch, hier zu Ihrer Kenntnis, vielleicht haben Sie Spaß daran:

    »CSU ist eine gefährliche Droge.
    Der Grünen-MdL Bernhard Seidenmatt ist strikt gegen die Freigabe von CSU (CSU = Cannabis Sativa Ubiquitär; in anderen Nachschlagewerken auch als Criminal Society Unlimited bekannt, eingedenk der Wahlfälschung 2002 in Dachau), denn »CSU ist eine gefährliche Droge«. Hier ist Seidenmatt entschieden für Nulltoleranz, denn schließlich könne man auch ohne CSU ein zufriedenes und suchtfreies Leben führen.
    Die Stadträtin der Linken, Sylvia Drobs, kann sich dagegen eine Legalisierung von CSU durchaus vorstellen, aber nur, wenn CSU nicht an Jugendliche unter 71 Jahren verabreicht wird. Schließlich mache CSU heutzutage 30 bis 40mal dümmer als noch in den Siebzigerjahren. Als Leiterin der Beratungsstelle gegen politischen Irrsinn weiß sie, dass regelmäßiger CSU-Konsum irreversible Hirnschäden verursacht, die sich in extremer Wahlfälschung oder Psychosen wie Schizophrenie (keine Windräder, keine Stromtrassen in Bayern!) auswirken können. Von ihren 144.000 Klienten aus dem Landkreis Dachau konsumieren mehr als 50 Prozent regelmäßig CSU in den Wahlkabinen. Meist würden die Jugendlichen ab 18 Jahren mit CSU beginnen. Ab 65 Jahren werden sie dann bei ihr vorstellig, weil die Rente nicht reicht und sie die Mieten nicht mehr zahlen können. Die weit verbreitete Meinung, CSU sei eine Einstiegsdroge, lässt Expertin Sylvia D. nicht gelten. Das sind schon seit Jahren Olivgrün und Rosarot. Die sind legal, also sollte man auch CSU-Konsum bei Erwachsenen über 71 Jahren nicht kriminalisieren.
    Die Haltung der Neoliberalen ist nicht eindeutig. Ihr Bundesvorsitzender Cem Ökopax ließ sich kürzlich mit einer Prise CSU auf seinem Balkon ablichten, im Bundestag brachte seine FDP einen Gesetzentwurf ein, wonach CSU bis zu einer Menge von 30 Nanobytes legal sein soll. Die Landkreis-Neos freilich sind gegen den offenen CSU-Verkauf, schließlich sei CSU eine gläubisch machende Sucht, und die Folgen von CSU seien im Gegensatz zu Rosarot, das seit über 150 Jahren hohe Opferzahlen verursacht, wissenschaftlich noch nicht so gut bekannt. Die FDP-Sprecherin im Kreistag, Marese Hahnemann, kann sich die Legalisierung von CSU mit homöopathischer Dosierung gut vorstellen. Für eine allgemeine Legalisierung von CSU ist sie offen, schließlich seien die gesellschaftlichen Folgen von Rosarot und Olivgrün mindestens genauso gravierend wie die von CSU. Da hat sie recht!«

    Soweit mein damaliger Spaß-Leserbrief. Die Namen hatte ich abgewandelt und die Parteienzuordnung etwas verdreht. Leider hat uns die politische Realität so sehr überholt, sodass heute unerwartete Aktualität da ist.
  • Leserbrief von Holger K. aus Frankfurt (24. März 2024 um 23:13 Uhr)
    Anders als Alkoholiker und Alkoholtrinkende sind Kiffer, oftmals Individualisten, daher weniger auf Anerkennung durch die Gesellschaft aus, sind auch weniger leistungsbesessen, um im Hamsterrad fleißig mitzuradeln und zu treten. Dadurch entsteht ein gewisser Nonkonformismus, weniger Anpassung und geringerer Leistungswille. Dieses Bedürfnis eines sedierten und hedonistischen Seins passt nicht so recht zur traditionellen deutschen Leitkultur, findet daher keinen Anklang beim konservativen Bürgertum. Dann befürchtet ein gewisser Teil der Bourgeoisie, allen voran Vertreter der Pharmaindustrie, dass mit der Freigabe von Cannabis die unattraktiven Psychopharmaka und Analgetika weniger konsumiert werden, denn schließlich bescheren sie keinerlei tolle Gefühle, noch sind sie nebenwirkungsfrei. Ganz im Gegenteil, oft wird so »Satan mit Beelzebub ausgetrieben.« Daher könnte es zu Umsatzeinbußen und damit geschmälerten Profit kommen, wenn denn beachtliche Teile der Gesellschaft im entsprechenden Konsum umsatteln.
  • Leserbrief von Hans Weiden (24. März 2024 um 20:13 Uhr)
    Hi Leute, freut mich sehr, dass es offensichtlich Leute um die 30 gibt, die tatsächlich durchblicken. Ich bin 59 und hätte es nicht besser sagen können. Gratuliere. PS Der Steini ist bei der SPD oder? Also, was denkt Ihr, wird er tun?

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