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Aus: Ausgabe vom 27.03.2024, Seite 8 / Ansichten

Streiks müssen weh tun!

Tarifabschluss bei GDL und DB
Von Gudrun Giese
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Für Fahrgäste misslich, für Tarifkämpfer nötig: Stillstand an Bahnhöfen (Hamburg, 15.11.2023)

Diesen Tarifabschluss hätte die Deutsche Bahn AG (DB) schon früher haben können. Mit dem über fünf Jahre gestreckten Weg zur 35-Stunden-Woche, Wahlmöglichkeiten für Mehrarbeit gegen höheres Entgelt, Lohnerhöhungen und Inflationsausgleichsprämie ist ein Ergebnis zustande gekommen, das all jene Lügen straft, die der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und ihrem Vorsitzenden Claus Weselsky fehlende Kompromissbereitschaft vorgeworfen haben. Blockierer war doch vor allem DB-Personalvorstand Martin Seiler, der der Gewerkschaft lange den Weg zur 35-Stunden-Woche verwehren wollte. Dieser Einstieg stellte aber, so hatte Weselsky von Anfang an klargemacht, das Kernziel dieser Tarifrunde dar. Nachdem die GDL mit etlichen Privatbahnen die Arbeitszeitverkürzung unter Dach und Fach gebracht hatte, war es zunehmend unverständlich, dass sich der bundeseigene Bahnkonzern einem angemessenen Kompromiss verweigerte.

Was übel aufstößt nach den Monaten des Hickhacks, ist die Einmischung seitens der Politik. Immer drängender meldeten sich Oppositionelle aus CDU/CSU mit wohlfeilen Ratschlägen, die die Schleifung der Tarifautonomie zum Ziel hatten. Einschränkung des Streikrechts und Zwangsschlichtung wurden ins Spiel gebracht. Aber auch der für die Bahn zuständige Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) verstand es, mit Äußerungen zu den Bahnstreiks die Gewerkschaft als den unvernünftigen Part in der Auseinandersetzung hinzustellen. Dass Streiks in der Bundesrepublik nicht aus Jux und Tollerei stattfinden, sondern Ultima ratio in einer Tarifauseinandersetzung sind, übergingen alle Streikkritiker geflissentlich.

Sicher war es für manchen Bahnkunden misslich, eine geplante Reise nicht antreten zu können. Aber wenn Streiks keine spürbaren Folgen haben, gibt es auch keine Notwendigkeit, in den Verhandlungen verbesserte Tarifangebote vorzulegen. Und dass Bahnbeschäftigte im Schichtdienst künftig peu à peu ihre Arbeitszeit bei gleichem Lohn reduzieren können, war überfällig. Wie in vielen Branchen fehlt bei der Bahn der Nachwuchs. Die Schichtarbeit gilt vielen als unattraktiv und anstrengend. Gerade den Kompromiss bei der Arbeitszeit könnte die DB deshalb nutzen, um neues Personal zu werben.

Alles gut nun? Sicher nicht. Zwar wurde im Tarifvertrag festgelegt, dass der Geltungsbereich des Vertrages nicht ausgeweitet wird. Doch damit sind Konflikte um die Arbeitszeit nicht für alle Zeiten ad acta gelegt. Dabei sollten sich in Zukunft aber Politiker unbedingt heraushalten; vor allem jene, die immer dann auf die Tarifautonomie verweisen, wenn Gewerkschaften einmal Unterstützung fordern, wie die nach Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge im Handel. Dort gibt es seit fast einem Jahr keinen Abschluss, aber von den vielen Streiks bekommt kaum jemand etwas mit, weil sie keine sichtbaren Folgen haben.

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