4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 20.04.2024, Seite 5 / Kapital & Arbeit
Rüstungsindustrie

Gekommen, um zu bleiben

Über die Rolle der Medien bei der »Rehabilitierung« von Rheinmetall
Von Philip Tassev
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»Der Mann der Stunde«: Wenn Rheinmetall-CEO Papperger (m.) seine Munition anpreist, lauschen die Politiker gebannt (Unterlüß, 12.2.2024)

»Von der Schmuddelecke in die Systemrelevanz«: So lautet der Titel einer neuen Studie der Informationsstelle Militarisierung (IMI), die sich der »medialen Zeitenwende im öffentlichen Diskurs über Rheinmetall« widmet. Anhand einer Analyse einiger sogenannter Leitmedien untersucht der Autor Jonas Uphoff, wie es dazu kommen konnte, »dass das Unternehmen nicht nur von der herrschenden Politik, sondern auch von der öffentlichen, medial vermittelten Meinung mehr Akzeptanz und Legitimität erfährt als zuvor«.

Der entscheidende Augenblick ist die Eskalation des Krieges in der Ukraine mit dem russischen Einmarsch im Februar 2022. Seitdem erlebt der größte Rüstungskonzern der BRD einen wirtschaftlichen Höhenflug und einen Imagewandel vom »eher unsympathischen Geschäftemacher mit Krieg und Tod zum geschätzten Partner« der politischen Entscheidungsträger.

Die laut der Studie wichtigsten Veränderungen sind dabei folgende: Erstens gibt es in den fünf ausgewählten Medien – Welt, Taz, Süddeutsche Zeitung, Spiegel und Zeit – seit Februar 2022 deutlich weniger Kritik an Rheinmetall als in den vier Jahren davor (Die Studie untersucht den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 1. Januar 2024). Wurden in den vier Jahren vor dem russischen Einmarsch beispielsweise noch regelmäßig die Waffenverkäufe an Saudi-Arabien oder die Türkei problematisiert, sind diese kritischen Stimmen weitgehend verstummt.

Das bedeutet zwar nicht, wie die Studie betont, dass es seitdem eine »Heiligsprechung« des Konzerns gibt, aber – und das ist die zweite festgestellte Veränderung – es wird verstärkt die Erzählung vom Zweck, der die Mittel heiligt, bedient. Der »gute Zweck«, die Aufrüstung der deutschen und der ukrainischen Armee, wird grundsätzlich nicht hinterfragt und die Ursachen des Ukraine-Kriegs werden nicht beleuchtet. Statt dessen wird die Konfrontation mit Russland in fatalistischer Manier als eine Art Naturgesetz hingestellt, dem »Europa« unterworfen sei. Der Politik wird lediglich vorgeworfen, dies nicht rechtzeitig erkannt und nicht entschieden genug reagiert zu haben.

So wird – drittens – ein Gegensatz zwischen einer »dynamischen« Rüstungsindustrie und einer »schwerfälligen« Politik konstruiert. Indem den von Rheinmetall medienwirksam nach der Ankündigung des »Sondervermögens« vorgelegten Angeboten über ein milliardenschweres Ausrüstungspaket für die Bundeswehr und Panzer für die Ukraine in der Presse so viel Platz eingeräumt wurde, konnte sich der Konzern »als relevanter politischer Akteur in Position« bringen, der die angeblich zögerlichen Politiker und die träge Bürokratie vor sich her treibe.

Viertens wird Technologiebegeisterung geschürt und Rüstungstechnik ästhetisiert. Die Studie liefert dafür einige peinliche Beispiele, etwa den »fast libidinösen« Ton, in dem ein Welt-Reporter von seinem Besuch bei einer Waffenmesse schwärmt. Festgestellt wird auch, wie die detaillierte Beschreibung von Kriegsgerät, die bisher eher Fachblättern vorbehalten war, in der Mainstreampresse seit Februar 2022 stark zugenommen hat und dass viele Journalisten zu »Amateurexperten in Sachen Rüstungstechnologie« geworden sind. Die Bewunderung, die manche dieser neuen »Experten« bei der Beschreibung von Mordwerkzeug an den Tag legen, werde noch nicht einmal von der Werbung auf der Rheinmetall-Website erreicht.

Fünftens wird Rheinmetall-CEO Armin Papperger »vom Underdog zum Helden der Stunde« hochstilisiert. Der Manager, seit mehr als zehn Jahren Vorstandsvorsitzender des Konzerns, habe Rheinmetall in den vergangenen zwei Jahren zu einer »festen Instanz der öffentlichen Debatte« gemacht. Die dafür notwendige Bühne wurde ihm »bereitwillig von fast allen untersuchten Medien geboten« und diese Bühne werde Rheinmetall so bald nicht mehr verlassen. Der Konzern, so hält Uphoff abschließend fest, ist »gekommen, um zu bleiben«.

Hinter diesen Diskursverschiebungen steckt laut dem Studienautor allerdings keine inszenierte oder gar staatlich gesteuerte Medienkampagne. Die Erzählungen der Herrschenden verbreiteten sich statt dessen, beispielsweise durch die oben beschriebenen Methoden, auf »organische Weise« in der bundesdeutschen Presselandschaft.

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