4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 20.04.2024, Seite 8 / Ansichten

Auf Trumps Linie

US-Veto gegen Palästina
Von Wiebke Diehl
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Sitzung des UN-Sicherheitsrates am 18. April in New York

Weil ihre verlogene Hinterzimmerdiplomatie nur begrenzten Erfolg hatte, musste die US-Regierung in der Nacht zu Freitag erneut ihr wahres Gesicht zeigen: Während zwölf Mitglieder des UN-Sicherheitsrats für eine palästinensische Vollmitgliedschaft in den Vereinten Nationen und damit für die Anerkennung des Staates Palästina stimmten, legte die Biden-Regierung ihr fünftes Veto seit Beginn des Gazakriegs ein. Begründung: Eine solche Entscheidung müsse in Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern getroffen werden.

Die USA, die offiziell eine Zweistaatenlösung anstreben, empfehlen den Palästinensern also, ihr bereits im UN-Teilungsplan von 1947 festgeschriebenes und international anerkanntes Recht in Gesprächen mit einer Regierung auszuhandeln, die in ihrem Koalitionsvertrag postuliert, »das jüdische Volk« habe »ein unanfechtbares Recht auf alle Gebiete des Landes Israel, in Galiläa, im Negev, auf dem [syrischen] Golan, in Judäa und Samaria«. Eine Regierung, die sich zum Ziel gesetzt hat, bis zum Jahr 2030 die Siedlerbevölkerung allein in den C-Gebieten des Westjordanlands auf eine Million zu verdoppeln. Und die in den vergangenen sechs Monaten die völkerrechtswidrigen Siedlungen auch in Ostjerusalem mit – laut The Guardian – beispielloser Geschwindigkeit vorangetrieben hat. Sie ließ zu, ja beförderte, dass seit dem Oktober allein in der Westbank mindestens 460 Palästinenser von israelischen Soldaten und militanten Siedlern getötet wurden. Sie macht tagtäglich deutlich, wie recht der palästinensische Intellektuelle Edward Said hatte, als er – in bezug auf die von den USA vermittelten Osloer Abkommen – schon 1993 von einem »palästinensischen Versailles« sprach. Denn damals wurden die besetzten Gebiete zu »umstrittenen« erklärt.

Wie von The Intercept enthüllte Depeschen belegen, lobbyierte Washington im Vorfeld der jüngsten Sicherheitsratsabstimmung nachdrücklich gegen den Resolutionsentwurf, der der UN-Vollversammlung eine Aufnahme Palästinas, das seit 2012 einen Beobachterstatus innehat und von etwa 140 der 193 UN-Mitgliedstaaten anerkannt wird, als Vollmitglied empfiehlt. Ziel ist, das tatsächlich längst verlorene Gesicht zu wahren. Dabei wurde auch deutlich, was für Washington im Zentrum steht: »Normalisierungsabkommen« zwischen Israel und den arabischen Staaten, insbesondere den reaktionären Golfdiktaturen, voranzutreiben. Weil dies, so allen Ernstes die Behauptung in einer der Depeschen, einen »politischen Horizont für das palästinensische Volk« eröffnen könne.

Mit ihrem Agieren liegt die Biden-Regierung voll auf der Linie von Amtsvorgänger Donald Trump. Der präsentierte mit seinem »Jahrhundertdeal« eine Blaupause für die Umsetzung seit Jahrzehnten vorbereiteter israelischer Siedlungs- und Annexionspläne – und feilte zugleich mit den »Abraham«-Abkommen an einer Kriegskoalition gegen den Iran.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (21. April 2024 um 11:06 Uhr)
    Obwohl die USA politisch ihr wahres Gesicht zeigte, sind sie wirtschaftlich stark daran interessiert, beim Wiederaufbau auch Profit zu machen. Betrachten wir kurz die Perspektive dieser Seite: Vor dem Gazastreifen liegt das größte Erdgasvorkommen der Levante. Israel plante bereits einen modernen Wasserkanal vom Eilot bis zum Mittelmeer, der den Suezkanal übertrifft. Es wurde auch die Initiative »Palestine Emerging« ins Leben gerufen, von einer Gruppe internationaler Experten, um eine wirtschaftliche Zukunft für den Gazastreifen nach einem potenziellen Ende des Konflikts zu entwerfen. Generell sieht der Plan vor, dass Gaza als Freistaat international ausgeschrieben wird. Die Vision von Gaza als Zukunftsmodell ist nicht neu. Bereits 1993, als Israelis und Palästinenser sich auf einen Friedenskurs einigten, lautete die Devise »Gaza first«. In der Praxis könnten beispielsweise die Unmengen an Trümmern als Füllmaterial für den Bau einer künstlichen Hafeninsel vor Gaza genutzt werden. Die Aufbaukosten könnten durch das erschlossene Gasvorkommen und einen blühenden Handel durch den neuen Kanalanschluss als Freistaat im Stil von Singapur gedeckt werden. Israel betreibt den Kanal, Gaza den Hafen. Es ist wichtig anzumerken, dass solche Infrastrukturprojekte nicht nur wirtschaftliche Vorteile bringen, sondern auch zur Stabilisierung der Region beitragen können. Im Leben gibt es stets unendliche Möglichkeiten, doch wir müssen sie positiv angehen. Die unzähligen gedruckten Dollarbillionen suchen schließlich und ständig rentable Investitionen!

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