4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 20.04.2024, Seite 7 / Ausland
Ukraine

Waffen dringend gesucht

Ukraine verlangt von NATO weitere Flugabwehrsysteme. Abstimmung in US-Kongress über Milliardenpaket für Kiew
Von Reinhard Lauterbach
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Bei den russischen Angriffen auf Ziele in Dnipropetrowsk wurde auch ein Wohngebäude beschädigt (19.4.2024)

In Brüssel hat am Freitag auf ukrainischen Antrag eine Sitzung des NATO-Ukraine-Rats stattgefunden. Kiew fordert mehr Flugabwehrsysteme und begründet seine Bitte damit, dass weitere russische Angriffe auf ukrainische Kraftwerke nur so abgewehrt werden könnten. Im Vorfeld erklärte Präsident Wolodimir Selenskij, die Zerstörung des Wärmekraftwerks Tripillja südlich von Kiew vor einigen Tagen sei nur möglich gewesen, weil der Ukraine nach dem Abschuss von sieben der elf anfliegenden Raketen die Munition ausgegangen sei. Die Anlage hatte die Hauptstadt Kiew und ihr Umland mit etwa der Hälfte des benötigten Stroms versorgt.

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte am Donnerstag, Deutschland könne noch eine weitere PATRIOT-Batterie entbehren, er hoffe, bei anderen NATO-Staaten weitere sechs ausfindig zu machen. Polens Regierungschef Donald Tusk sagte dagegen, sein Land habe keine weiteren PATRIOT-Systeme mehr übrig. Ob das niederländische Angebot, weltweit PATRIOT-Batterien aufzukaufen und diese an die Ukraine weiterzuleiten, Erfolg hat, ist noch unbekannt.

In den USA zeichnet sich unterdessen eine Wende im monatelangen Streit um die nächste Tranche von Militärhilfe für die Ukraine ab. Der Vorsitzende des von den Republikanern beherrschten Repräsentantenhauses, Michael Johnson, stimmte am Mittwoch der Einbringung mehrerer Gesetzentwürfe zu diesem Thema zu und setzte die Abstimmung auf diesen Sonnabend an. Der wichtigste Entwurf ermächtigt das Pentagon, Waffen aus seinen Beständen an die Ukraine zu liefern, und gibt insgesamt 23 Milliarden US-Dollar für Ersatzbeschaffungen frei. 7,8 Milliarden Dollar Finanzhilfe werden nicht mehr als Zuschuss bewilligt, sondern als Kredit. Auf dessen Rückzahlung setzt Washington aber offenbar keine großen Hoffnungen: Die Hälfte der Summe kann der Präsident schon Ende dieses Jahres abschreiben, den Rest bis Ende 2025. Die USA bedingen sich nach der Vorlage aber aus, dass ihr Geld nicht für Rentenzahlungen verwendet wird.

Das unmittelbare Kriegsgeschehen ist weiterhin durch russische Raketenangriffe auf ukrainische Städte gekennzeichnet. Nach dem schweren Angriff auf Ziele in der nordukrainischen Stadt Tschernigiw, bei dem am Mittwoch 18 Menschen getötet und 75 verletzt worden waren, schlugen in der Nacht auf Freitag russische Raketen und Marschflugkörper im südukrainischen Dnipro und in mehreren Städten in der Umgebung ein. Die Zahl der bestätigten Todesopfer lag bis Freitag mittag bei neun, die der Verletzten bei 25. Schwer beschädigt wurde offenbar unter anderem der Hauptbahnhof der Millionenstadt Dnipro, der für den Verkehr gesperrt wurde. Getroffen wurden aber auch Wohnhäuser.

Die Ukraine gab am Freitag an, weit im Hinterland der Front einen russischen Mittelstreckenbomber des Typs Tu-22 abgeschossen zu haben. Wie russische Quellen einräumten, stürzte die Maschine über der Region Krasnodar im Kaukasusvorland ab, mindestens zwei der vier Besatzungsmitglieder kamen offenbar ums Leben. Während das ukrainische Militär angab, die Maschine in der Luft zerstört zu haben, sprachen russische Meldungen von einem »Schubausfall«, was einen Treffer natürlich nicht ausschließt. In der Nacht zum Donnerstag hatte die Ukraine nach eigenen Angaben eine russische Flugabwehrbatterie des modernen Typs S-400 »Triumf« bei Dschankoi auf der Krim einschließlich aller Nebenanlagen zerstört. Von russischer Seite wurde der Vorfall nicht bestätigt. Amateurvideos zeigen aber zerstörte Startröhren.

Dass die Behörden die Gefahr ukrainischer Angriffe aber ernst nehmen, machen zwei politisch-symbolische Entscheidungen deutlich, die am Freitag bekanntwurden. So sollen »aus Sicherheitsgründen« auf der Krim und in der Oblast Saratow die Militärparaden zum Tag des Sieges am 9. Mai und die patriotischen Gedenkmärsche des »Unsterblichen Regiments« ausfallen. In der Oblast Saratow befindet sich eine Basis für russische Langstreckenbomber, die schon mehrmals von ukrainischen Drohnen angegriffen worden ist.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (19. April 2024 um 22:07 Uhr)
    Zunächst ist festzuhalten, dass es wesentliche Unterschiede zwischen dem Suchen, Finden und Liefern von Waffen gibt. Die NATO-EU-Staaten konnten für das Jahr 2023 nicht einmal die Hälfte der stolz verkündeten einen Million Munition an die Ukraine bereitstellen. Die unterstützende Propaganda, insbesondere aus den USA, war weitaus präsenter als die tatsächlichen, finanziell weit überdimensionierten Waffenlieferungen. Kürzlich lieferten die USA im Wert von 1,25 Milliarden Dollar rund dreihundert Challenger-Panzer an Marokko, weil das Land im Voraus bezahlt hatte. Im Gegensatz dazu erhielt die Ukraine nur vierunddreißig veraltete Challenger, um zu verhindern, dass Know-how in die Hände Russlands gelangt, was sich jedoch als wenig wirkungsvoll an der Front erwies. Zweitens, »die Ukraine fordert von der NATO weitere Flugabwehrsysteme.« Warum von der NATO? Zwar äußert sich auch der NATO-Sprecher Stoltenberg ständig ermutigend zum Ukraine-Krieg, jedoch ist die Ukraine kein NATO-Mitglied und hat im Grunde genommen von der NATO außer Solidaritätsbekundungen nichts erhalten! Die einzelnen NATO-Mitglieder unterstützen die Ukraine auf Druck der USA, jedoch entsprechend ihrer eigenen Möglichkeiten und ohne vertragliche Verpflichtung. Selbst Biden, der NATO-Befehlshaber, hat von Anfang an klargestellt, dass die NATO keine direkte Konfrontation mit Russland anstrebt. Man sollte nicht die Saison mit der Fasson verwechseln!

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