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Aus: Ausgabe vom 25.06.2024, Seite 8 / Ansichten

Beredtes Schweigen

Angriffe auf Krim und in Dagestan
Von Reinhard Lauterbach
RUSSIA-SHOOTINGS-MAKHACHKALA.JPG
Von der Videoüberwachung mitgeschnitten: Gefecht auf einer Straße in Machatschkala (23.6.2024)

Dass es bis zum Dienstag keine offizielle Reaktion der russischen Führung auf die Anschlagserie in Dagestan gegeben hat und offenbar auch ­keine größere Stellungnahme geben soll, ist erklärlich. Zum einen hat das offizielle Moskau anscheinend beschlossen, den Angriff auf einen Badestrand in Sewastopol vom Sonntag, bei dem durch die Explosion einer aus den USA gelieferten ATACMS-Rakete mindestens vier Menschen getötet und 153 verletzt wurden, zur größeren Nachricht zu machen. Die US-Botschafterin in Moskau wurde ins Außenministerium einbestellt und bekam »Vergeltungsmaßnahmen« angedroht. Das ist die Hauptfront.

Auch wenn in Dagestan mehr Menschen ums Leben gekommen sind, ist dies für das offizielle Russland erkennbar ein Nebenkriegsschauplatz. Selbst ein für lautstarke großrussische Sprüche bekannter Politiker wie Dmitri Rogosin hat diesmal davon abgeraten, die Ukraine für die Anschläge verantwortlich zu machen, wie es nach dem Angriff auf die »Crocus City Hall« im März sofort geschehen ist. Damit mache man es sich zu einfach, so Rogosin.

Zumindest liefert der Angriff auf den Badestrand Material für eine deutlich klarere Spur mindestens in die Ukraine, wenn nicht auch in die USA. Zwar ist nicht geklärt, ob die mit Kassettensprengköpfen geladene Rakete absichtlich über dem Strand explodieren sollte – wie es Russland darstellt – oder ob die Opfer unter den Badenden eine Nebenfolge ihres Abschusses waren – was zumindest Fragen an das eigene Militär aufwirft. Aber Raketen dieses Typs sollen maximal viele Menschen töten, nicht in erster Linie militärische Ziele ausschalten. Wer sie abfeuert, nimmt den Tod auch von Zivilisten in Kauf. Ist das Kiew zuzutrauen? Die Geschichte des Donbass seit 2014 gibt die Antwort.

Rogosin hat aber auch nach einer anderen Seite recht. Wenn drei der fünf oder sechs getöteten Terroristen in Dagestan Familienangehörige eines regionalen Verwaltungschefs waren, dann hat die russische Führung Anlass, sich um die Stabilität des Nordkaukasus sehr ernsthafte Gedanken zu machen. Denn dann dürfte es nicht in erster Linie das zweifellos bestehende soziale Elend in Dagestan gewesen sein, das die Attentäter zu ihren Taten inspiriert hat. Allzu laut auf den internationalen Islamismus zu zeigen, verbietet sich für Russland aber aus außenpolitischen Gründen. Saudi-Arabien ist BRICS-Partnerland, es ist als Standort eines künftigen Ukraine-Friedensgipfels unter Beteiligung Russlands im Gespräch, es ist außerdem ein in Russland geschätzter Partner im internationalen Ölhandel; die Türkei wiederum, wo sich alle möglichen islamistischen Zellen herumtreiben und wo die Moskauer Attentäter angeblich angeworben und ausgebildet wurden, ist ein Großabnehmer russischen Gases, auch für den Weiterverkauf nach Südost- und Zentraleuropa. Auch ihr gegenüber kann sich Russland nicht erlauben, politisch auf die Pauke zu hauen.

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